Im letzten Jahr ist viel passiert. Du warst für 3 Monate an der HFBK Hamburg und hast dann heuer auch noch dein Diplom an der Akademie der bildenden Künste Wien gemacht. Womit wollen wir anfangen – wie war Hamburg?
Ich fands großartig in Hamburg. Ich habe in der Klasse von Anselm Reyle studiert. Die Gespräche und Diskussionen mit meinen Kolleg*innen, sowie das Arbeiten im Atelier hab ich sehr genossen!
Wie sah dein Alltag dort aus?
Sehr kontemplativ. Immerhin waren alle Lokale und Museen geschlossen. Man konnte nicht ausgehen. Ich habe fast täglich Streifzüge durch die Stadt unternommen, viel fotografiert, gelesen und gemalt. Hamburg ist irgendwie lockerer als Wien, ich mag das.
Hast du Wien ein bisschen vermisst?
Um ehrlich zu sein, eigentlich nicht. Was toll ist an Wien, ist die LQBTQIA+ Szene. Ich liebe das Marea Alta und all die wundervollen Menschen, die um diesen Fixstern zirkulieren. Davon abgesehen finde ich es mühsam in Wien.
Vielleicht kannst du das ein bisschen erklären. Wie meinst du das?
Diese Stadt ist wie ein Museum. Gustav Mahler soll mal gesagt haben: „Wenn die Welt untergeht, dann geh nach Wien, dort passiert alles 10 Jahre später.“ Ich finde es bemerkenswert, dass ich mich in Wien nach wie vor rechtfertigen muss, wenn ich als Frau* aus der Reihe tanze. Nein, ich befasse mich in meiner Kunst nicht mit meinem Körper, Schmerz oder Heilung. Das finde ich langweilig! Ein gutes Bild ist für mich wie ein philosophischer Text oder ein besonderes Stück Musik. Es muss ein bisschen deine Welt erschüttern. Dieses Gefühl will ich bei den Betracher*innen auslösen. Kunst machen bedeutet für mich Risiken eingehen. Dass es dabei zu Reibungsverlusten kommt, liegt in der Natur der Sache.
Es laufen soviele abgebrühte Zyniker herum, aber die lassen mich kalt. Es interessiert mich ganz einfach nicht, was man alles nicht tun darf oder soll. Ich habe keine Lust mich anzupassen.
Wie war für dich der Abschluss an Akademie der bildenden Künste Wien?
Ich schätze meine Alma Mater, aber es wurde Zeit mich aus ihren Fittichen zu lösen. Die Idee für mein Diplom basiert auf 1 Skizze aus meinen 100 Aquarellen, die ich seit letztem Jahr gemalt habe. Ich habe kosmetisch behandelte Nägel als popkulturelles Symbol in die Malerei übersetzt. Ich finde Acryl- oder Gelnägel fantastisch! Sie sind girly und sehen ein bisschen aus wie Waffen. Scharfe Krallen mit denen man sich besser nicht anlegt. Nail Art ist dekorativ und klar weiblich konnotiert. Die großformatige, expressive Malerei auf Leinwand ist nach wie vor stark männlich dominiert. Ich fand diese Übersetzung von low culture zu high art reizvoll. Ich bewege mich gerne auf unsicherem Territorium.
Wann kommt die nächste Kolumne? Wie kam es zu dieser Leidenschaft?
Die nächste Kolumne wird im September erscheinen. Wie es zu dieser Leidenschaft kam? Spaß am Denken, würde ich sagen. Ich sehe „Schwalbeneier“ aber als ein zeitlich begrenztes Experiment. Mal sehen, wo die Reise noch hinführt.
Und wann ist deine nächste Ausstellung?
Anfang September im „Spielzimmer“. Einem Projekt von Michael Kaufmann und Ronald Harder.
Chris Kroiss – www.chriskroiss.com