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Wien Mode

Zwischen Skulptur und Mode

Paul Mittnik beschäftigt sich in seiner künstlerischen Praxis mit dem Spannungsfeld von Skulptur und Mode. Erforscht wird die visuelle Wechselwirkung von geometrischen Formen und dem menschlichen Körper. Fragen einer zeitgenössischen Männlichkeit werden neu verhandelt.
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Hedonistisch, humoristisch und zeitgemäß sollen seine Arbeiten gelesen und im Sinne eines popkulturellen Momentums kontextualisiert werden. Darüber hinaus ist er Ur-Wiener, Pesto-Sommelier und Handwerksmeister und spielt mit dem Gedanken, sich bei Liebesg´schichten und Heiratssachen zu bewerben.

Welche Themen und Motive faszinieren?
Dem Narrativ folgend, Mode von Kommerz loszulösen, interessiert mich das Paradoxon von (un-) tragbarer Kleidung besonders. In weiterer Folge versuche ich, klassische Silhouetten aufzubrechen, um beispiellose Volumen um den Körper zu bauen. Ein weiterer integraler Bestandteil ist jener des Handwerks. Es bereitet mir unfassbar viel Freude, mir neue Produktionstechniken anzueignen oder bereits Erlernte nachzuschärfen. Auch die Frage, inwieweit sich Kleidung, im weitesten Sinne des Wortes, unter der konsequenten Vermeidung von Textilien herstellen lässt, interessiert mich sehr. Aber zu negieren, dass schöne Männer einen nicht ganz unbedeutenden Stellenwert in meiner künstlerischen Arbeit haben, wäre auch gelogen.

Wie würdest du deinen Stil beschreiben?
Als einen Kompromiss zwischen inhaltlicher Vagheit und handwerklicher Perfektion. Der betrachtenden Person soll es möglich sein, meine Arbeiten ohne ausufernden Text zu konsumieren. Natürlich bin ich auch um eine Ästhetik visueller Bekömmlichkeit bemüht, da kann ich einfach nicht aus meiner Haut heraus. Ich verstehe mich als Bildhauer und nicht als Konzeptkünstler und betätige mich auf dem Gebiet der Skulptur. Skulpturen setzen sich zumindest meiner Auffassung nach aus den drei Aspekten Form, Farbe und Material zusammen. Da verfolge ich einen gänzlich unprätentiösen Ansatz.

Paul Mittnik
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1100 oder 1010? Welcher Bezirk inspiriert dich mehr?
Als gebürtiger Favoritner fällt diese Entscheidung nicht schwer. Wenngleich die Innere Stadt wahrscheinlich kunstbezogen besser aufgestellt ist, liegt der Reichtum Favoritens in seiner kulturellen und menschlichen Vielfalt, Authentizität und Energie. All das bietet mir ausreichend Anknüpfungspunkte, um Inspiration zu gewinnen. Auch in Bezug auf Materialbeschaffung ist der Zehnte mit seiner Vielzahl an kleinen Spezialgeschäften unschlagbar. Darüber hinaus finden sich 90 Prozent der wichtigsten Wiener Institutionen im 10. Wiener Gemeindebezirk: Tichy, Amalienbad, Ferhat Döner, Kurpark und Konditorei Oberlaa, Therme Wien, Hauptbahnhof, Fahrschule YouCan etc. Wenn das keine Bände spricht, weiß ich auch nicht weiter!

Welche Einflüsse prägen deine Designs?
Meine Arbeiten sind durchaus von autobiografischer Natur. Ich verarbeite meine alltäglichen Erfahrungen und Eindrücke. Beispielsweise Materialien oder Formen, denen ich begegne, stoßen einen Denkprozess an, inwiefern ich eben jene vielleicht in eine meiner Arbeiten inkorporieren könnte. Neben popkulturellen Referenzen wie zum Beispiel der Meme-Kultur oder Jugendsprache sind kunsthistorische Referenzen genauso präsent. Beispielsweise das triadische Ballett, der Brutalismus oder die Wiener Werkstätte. Auch die intensiven Gespräche mit Kommiliton:innen empfinde ich als wahnsinnig bereichernd und inspirierend.

Bronze in der Wildnis
Bronze in der Wildnis

Beeinflusst der „Coolness-Faktor“ deine Designentscheidungen?
Nein, nicht wirklich, zumindest hoffe ich das! Je länger ich an der Akademie studiere, desto mehr fällt mir auf, dass ich eigentlich ein ziemlich konservatives Kunstverständnis in mir trage. Mit Low-Effort-Art, Y2K und Ketamin-Chic kann ich relativ wenig anfangen. Nichtsdestotrotz gehe ich nicht mit Scheuklappen durch die Welt und benutze auch Instagram, um halbwegs am Ball zu bleiben. Ich denke, krampfhaft zu versuchen, cool zu sein, hat bis jetzt noch in den wenigsten Fällen gut funktioniert. Aber vielleicht kommt der Zeitpunkt für zerschnittene Ed Hardy-T-Shirts ja noch in einer zukünftigen Schaffensperiode, mal schauen.

Wie entstehen deine Kollektionen?
Kollektionen sind ein zu großes Wort. Wenn überhaupt, dann eher eine große, übergeordnete Kollektion, die von Zeit zu Zeit um eine Arbeit ergänzt wird. Man muss die Mode neu denken und entschleunigen. Ich ziehe es vor, meine Energie und Zeit in eine gelungene Arbeit zu kanalisieren als eine halbherzige Kollektion zu produzieren. Der Ausgangspunkt eines Entwurfs ist meistens eine primitive geometrische Form, mit der ich an einer half-scale Puppe herumexperimentiere und ein ziemlich genaues Modell in halbem Maßstab drapiere. Danach suche ich nach einem geeigneten Material und versuche, das Modell möglichst detailgetreu in voller Größe umzusetzen.

Gibt es bestimmte Materialien, mit denen du besonders gerne arbeitest?
Ursprünglich habe ich meine Wurzeln in der Lederverarbeitung, ergo ist Leder meine Guilty Pleasure. Es ist so ein wunderbares Material. Ich habe bis jetzt einmal mit Seidensatin gearbeitet und bin kläglich daran gescheitert. Nach dem Zuschnitt habe ich das Stoffteil gebügelt und als ich es stecken wollte, war es komplett verzogen. In Anbetracht dessen schätze ich besonders die Formstabilität und Robustheit des Leders. Aber auch die schier nicht endend wollende Auswahl an verschiedensten Texturen und Farben ziehen mich noch immer in ihren Bann. Latex und Silikon stehen aber definitiv auch noch auf meiner Wunschliste!

5 rounds of UNO
5 rounds of UNO

Wie sieht dein Alltag aus?
Wahnsinnig unspektakulär. Frühstück, danach eine Vorlesung oder ein Klassentreffen an der Akademie, kurzer Zwischenstop in der Mensa und am Nachmittag ein wenig an meinen Arbeiten herumbasteln. Abends vielleicht noch Freund:innen treffen. Ich habe an der Uni leider keinen eigenen Arbeitsplatz, deshalb arbeite ich die meiste Zeit eigentlich von zuhause aus. Ich freue mich aber immer, wenn mich Leute besuchen und wir gemeinsam etwas erarbeiten. Mit Freund:innen zu arbeiten bereitet einfach mehr Freude.

Wien – bei Tag oder Nacht?
Beides! Donauinsel, Kilometer 5.6 untertags und einen Drink abends im Future Garden.

Was trägst du privat?
Artists attire:

Woran arbeitest du gerade?
Ich habe mir für nächstes Semester vorgenommen, zumindest einmal in meinem Studium eine Skulptur im klassischen Sinne zu erarbeiten. Edelstahl oder Aluminium wären schön. Groß und monumental soll sie werden. Davon abgesehen würde ich gerne an Wettbewerben für Kunst im öffentlichen Raum teilnehmen. Falls das alles scheitern sollte, ist eine Rückbesinnung auf meine obig ausreichend beschriebene Kerndisziplin sehr wahrscheinlich. Im Moment genieße ich jedoch noch meine Ferien und arbeite organisatorische Dinge ab, die sich so über die letzten Monate aufgestaut haben.

Paul Mittnik – www.instagram.com/paulmittnik/