Die Ästhetik von ZAK zeichnet die kontinuierliche Wiederverwertung und Transformation von Kunstwerken in unterschiedlichen Kontexten und Formaten aus. Seit zwei Jahren nutzt ZAK die Räumlichkeiten des ehemaligen Nachtlokals Tête-à-Tête im 15. Wiener Bezirk. Dort entsteht das Gesamtkunstwerk „PIECE OF LOVE“. PIECE OF LOVE umfasst eine Serie von offenen Ateliers, ein Theaterstück, zahlreiche Happenings sowie Foto- und Filmsessions, die im Tête-à-Tête und in anderen Settings unter den Labels „Knochenarbeit“, „Pyjamaparty“, „AhnInnen Erahnen“, „Desis Dance“ und „HotBus“ stattfanden.
Derzeit beschäftigt sich ZAK mit dem Projekt ALLES RAUS!, das den bevorstehenden Auszug aus dem Tête-à-Tête begleitet. ALLES RAUS! wurde im Mai 2024 mit einer Show im Orpheum Wien eröffnet, umfasst eine Ausstellung auf 300 m² im Tête-à-Tête und endet mit dem Einzug in den neuen ZAK-Space.
Ihr habt ZAK | Zentrum für antidisziplinaire Kunst (englisch: Center for Antidisciplinary Art) 2020 gegründet. Wie kam es dazu?
Wir mussten aus administrativen Gründen einen Verein anmelden und dafür einen Namen finden. Bei der Namensfindung stießen wir auf verschiedene diffuse Begriffe, die eine spartenübergreifende künstlerische Herangehensweise beschreiben sollten. Das veranlasste uns, ein eigenes Wort für unsere Praxis zu schaffen. Da wir es amüsant fanden, uns als Institution zu inszenieren, entschieden wir uns für den Namen „Zentrum für antidisziplinäre Kunst“. Inzwischen ist der Name Programm.
Was waren eure ersten gemeinsamen Projekte?
Unsere erste Zusammenarbeit in der bis heute bestehenden Konstellation entstand im Rahmen des Projekts „UFO | Ultra Fett Original.“ Ursprünglich als 20-minütiges, antidisziplinäres Spektakel konzipiert, setzte sich das Stück humorvoll mit dem österreichischen „Schnitzelfetischismus“ auseinander. Es wurde im Rahmen des Theaterwettbewerbs der Drachengasse Wien 2021/2022 entwickelt, den wir schließlich gewannen. Dadurch konnten wir UFO zu einer abendfüllenden Show erweitern. Der kreative Prozess begann in Aurelias Rauminstallation „Venusfalle“, in der ein improvisiertes „Einpanierungsritual“ inszeniert wurde. Dieses Ritual wurde von Antonia de la Luz Kašik mit einer Super-8-Kamera dokumentiert. Der daraus entstandene Film findet sich im Stück wieder und bildet das Testament unserer ersten Zusammenarbeit. Die filmische Kollaboration mit Antonia prägt unsere Arbeit seither maßgeblich. Zusätzlich bereichert Desi Bonato, unser Dance-Star, das Projekt mit ihrer choreografisch-performativen Expertise. Sowohl die filmischen Arbeiten mit Antonia als auch die tänzerisch-performativen Elemente mit Desi sind seit UFO ein fester Bestandteil von ZAK.
Wie wählt ihr die Themen für eure Installationen und Performances aus?
Meistens wählen wir die Themen nicht; sie entstehen vielmehr organisch aus dem Dialog zwischen unterschiedlichen künstlerischen Praxen wie Malerei, Sound, Fotografie, Choreografie oder Kostümbild sowie dem Zusammenspiel verschiedener Persönlichkeiten. Um diese Vielfalt zu strukturieren, entwickeln wir kontinuierlich die sogenannte ZAK-Methode. Diese Methode ermöglicht es uns, die Flut an visuellem und bildnerischem Material, die im Kollektiv entsteht, zu organisieren, neue Verbindungen zu knüpfen und die Zusammenarbeit mit externen Mitwirkenden spielerisch zu gestalten. Da wir den Prozess in den Vordergrund stellen, wird oft die Arbeitsweise selbst zum Thema.
Dabei beschäftigen uns Fragen wie: Was bedeutet Produktivität? Wie bemisst sich der Wert unserer Arbeit? Wie schafft man Spielräume, die verschiedenen Kontexten und Persönlichkeiten gerecht werden? Und wie navigieren wir den Umgang mit dem eigenen Körper und dem der Anderen?
Ein Beispiel für diese prozessorientierte Herangehensweise ist PIECE OF LOVE, das auf der Idee basiert, „Liebe“ (in all ihren möglichen Bedeutungen) als künstlerische Praxis zu begreifen. Neben den künstlerischen Ausdrucksformen speist auch das Leben selbst – mit all seinen Absurditäten und überraschenden Wendungen – den ZAK-Kosmos.
Inwiefern ergänzen sich Installation und Performance in eurer Arbeit?
Für uns existiert keine Trennung zwischen Installationen und Performances; beide sind integrale Bestandteile unseres Schaffens. Sie sind Teil unseres Kosmos, der ständig um neue Mythen, Figuren und Motive erweitert wird. Wer sich näher mit den Räumen auseinandersetzt, die wir schaffen, ahnt die vielfältigen Geschichten hinter den einzelnen Objekten und Bewegungen.
Wie viel Zeit verbringt ihr eigentlich miteinander, und wie entwickelt ihr eure Projekte von der Idee bis zur finalen Umsetzung?
Wir verbringen sehr viel Zeit miteinander, da wir prozessorientiert arbeiten und sich die Ideen meist erst durch das gemeinsame Tun (oder auch durch das Nichtstun) konkretisieren. Unsere kollaborative Methode basiert auf Spiel, Wiederverwertung und Kontextverschiebung, wodurch wir flexibel bleiben und stets Neues entdecken können. Ein Kostüm kann der Ausgangspunkt für einen Film sein, der wiederum einen Soundtrack inspiriert, der schließlich zur Grundlage eines Performanceprojekts wird. Die einzelnen Produkte unserer Zusammenarbeit sind wie Spielzeuge in einer Truhe, die wir immer wieder neu zusammenfügen. So entstehen neue Zusammenhänge und Werke. Unsere Arbeit ist ein ständig wachsender Organismus.
Der Moment, in dem wir diesen nach außen tragen, ist wie ein Schnappschuss, ein Innehalten oder eine Bestandsaufnahme.
Zensur: Wie geht ihr in euren Arbeiten mit diesen Herausforderungen um, besonders im zeitgenössischen Kontext?
Direkte Zensur haben wir bisher nicht erlebt – vielleicht, weil wir oft außerhalb institutioneller Strukturen arbeiten und unsere Themen bislang nicht ins Visier politischer Angriffe geraten sind. Doch wir sind uns bewusst, dass sich das jederzeit ändern könnte. Diese Unsicherheit bereitet uns Sorgen. Wir beobachten die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen aufmerksam, denn die Frage, wie frei unser künstlerischer und persönlicher Ausdruck in Zukunft bleibt, ist für uns nicht nur künstlerisch, sondern existenziell. Ein einschneidendes Erlebnis war der Einbruch in unser Studio, bei dem eine Malerei – sie zeigte einen nackten Frauenkörper – mit fünf Schnitten zerstört wurde.
Statt die Zerstörung als endgültig zu akzeptieren, haben wir das Werk in einen kollektiven Heilungsprozess transformiert: Besucher*innen konnten die Schnitte eigenhändig zunähen. So wurde aus einem Übergriff auf unseren Safe-Space ein Akt des Widerstands und der gemeinsamen Stärke. Verletzlichkeit sichtbar zu machen und zugleich einen Raum für Heilung zu schaffen, ist seither zu einem wichtigen Bestandteil unserer Praxis geworden. Unsere Antwort auf solche Herausforderungen ist klar: Wir schaffen Strukturen, die Menschen zusammenbringen, und Räume, in denen ungehemmter Austausch möglich bleibt.
Was macht für euch ein Gesamtkunstwerk aus und welche Elemente sind dabei für euch unverzichtbar?
Vor allem ist es ein Ergebnis der Zusammenarbeit – sowohl auf künstlerischer als auch auf persönlicher Ebene. Unverzichtbar ist dabei die Vielfalt der Formate: Sie bilden ein dynamisches Gesamtgefüge, in dem nicht nur die Kunst, sondern auch der kreative Umgang mit der Realität und das Miteinander im Fokus stehen.
Was bereitet euch am meisten Freude?
Die Absurdität der Realitäten, mit denen wir konfrontiert sind, zu erkennen und darüber zu lachen, ist ein zentraler Aspekt unserer Praxis. Sie gibt uns die Freiheit, uns mit all unseren menschlichen Facetten auseinanderzusetzen und in der Kollektivität das Gefühl der Verbundenheit zu erfahren. Sie erlaubt es uns, offen und experimentell zu bleiben und uns selbst nicht zu ernst zu nehmen – ganz nach dem Motto: „Stay peinlich“.
In eurem Studio „Tête-à-Tête“ in der Goldschlagstraße 5 im 15. Bezirk fanden regelmäßige Veranstaltungen statt. Wie wichtig ist euch der Austausch mit anderen Künstler:innen?
Das Tête-à-Tête ist seit zwei Jahren unser Arbeitsplatz. Das riesige, materielle wie inhaltliche Potenzial sollte von Anfang an nicht nur uns vorbehalten bleiben. Es bereitet uns große Freude, Formate zu entwickeln, die die Partizipation anderer ermöglichen. Dabei geht es uns nicht nur um den Austausch mit etablierten Künstler*innen, sondern mit allen neugierigen Menschen aus verschiedenen Bereichen. Der Einfluss und die Perspektiven anderer auf unser Werk helfen uns, klarer zu erkennen, was hier eigentlich passiert. So können wir kontextualisieren und fokussieren, was wirklich wichtig ist.
Nach 2 Jahren müsst ihr jetzt wieder aus der Goldschlagstraße 5 raus? Warum ist das so?
Unsere Arbeit im Tête-à-Tête steht in direktem Zusammenhang mit der Gentrifizierung, die in Wien und vielen anderen Städten stattfindet. Das gesamte Gebäude, in dem sich das Lokal befindet, soll kernsaniert werden. Durch die ständige Unsicherheit, die durch die alle zwei Monate verlängerte Auszugsfrist entsteht, müssen wir nun leider einen neuen Raum finden.
Diese Situation zeigt einmal mehr die Auswirkungen der Stadtpolitik auf kulturelle Räume, die genau dort entstehen wollen, wo sie eigentlich gebraucht werden.
Wohin geht es als Nächstes?
Wir suchen einen neuen Raum, der irgendwo in Wien bereits existiert und nur darauf wartet, entdeckt und bespielt zu werden. Bisher steht noch nichts in Aussicht. Falls jemand etwas weiß, bitte unbedingt melden! Wir brauchen viel Platz, und Tageslicht wäre natürlich ein großer Bonus.
Was habt ihr für die Zukunft geplant? An welchen Projekten arbeitet ihr aktuell?
Die nahe Zukunft bringt die Weiterführung unseres Projekts ALLES RAUS! mit den letzten drei Öffnungstagen am 4.12., 11.12. und 18.12.2024 sowie dem Auszug aus dem Tête-à-Tête. Parallel dazu arbeiten wir in Kooperation mit Paul Ebhart an der antidisziplinären Band DIE ALTE, an deren Konzept Lukas Gritzner mitbeteiligt ist. Wir sind extrem euphorisch über dieses Projekt und die neuen Einflüsse, durch die sich unsere Arbeit erweitert.
ZAK l zentrum für antidisziplinaere kunst – www.antidisziplinaer.com, www.instagram.com/zak_antidisziplinaer/