Ein Gespräch mit Pascal Möhlmann und Yvonne Reichmuth (YVY) über die Kollaboration «COURAGE»
Wie ist diese Zusammenarbeit zustande gekommen?
Pascal Möhlmann: Seitdem mir die Marke YVY vor vielen Jahren aufgefallen ist, wollte ich schon immer mal mit Yvonne etwas zusammen machen, weil mir ihre Sachen so gefallen – sie haben eine “alte” Qualität. Obwohl wir uns lange nur flüchtig kannten, hatte ich schon immer das Gefühl, dass wir ähnlich ticken. Bei einem Atelierbesuch lernten wir uns endlich mal näher kennen und es hat sofort zwischen uns gefunkt. Es war für mich eine ganz organische Begebenheit, so, als ob kein Weg darum herumgeführt hätte. Wir haben einfach eine gute Chemie.
Yvonne Reichmuth: Es gibt so viele gemeinsame Interessen und Themenfelder, die wir teilen, obwohl wir ganz verschiedene Sachen machen.
Zum Beispiel?
Y.R.: Wir fühlen uns etwa der Punkkultur stark verbunden. Und wir beide werden oft in die Schublade mit dem Label „provokativ“ gesteckt. Dabei spielt dieses Adjektiv in unserer jeweiligen Arbeit gar keine Rolle. Während andere nackte Körperteile in einem Gemälde oder Leder auf nackter Haut in einer Fotoinszenierung als provokativ empfinden, sehen wir dies einfach als ästhetischen Ausdruck. Diese “Missverständnisse” amüsieren mich. Sie sind so amüsant wie auch viele Elemente in Pascals Bildern, die man nicht so ernst nehmen muss.
P.M.: Ja, es gibt in meinen Bildern immer wieder mal triviale Sachen zu entdecken.
YVY-Designs sind aber nicht gerade bekannt für ihre amüsante Seite, oder etwa doch?
Es stimmt, dass ich mit «lustiger Mode» nichts anfangen kann. Ich mag es etwas subtiler. Zum Beispiel entdeckt man beim Öffnen unserer ledernen Zigarrettenschachtel, den Warnhinweis «LIVING KILLS» in Silber eingeprägt. Oder bei einem Bustier, das inwendig mit Hunderten von Swarovski-Kristallen verziert ist. Diese Glitzersteine sieht man aber nur wenn man von oben in den Ausschnitt schaut. Es ist wie eine Art Geheimnis für die Trägerin und eine Überraschung für all jene, die absichtlich der Trägerin tief ins Dekolletee schauen.
P.M.: Wenn ich Personen nackt male, oft Frauen, dann wird das gerne als pornografisch wahrgenommen. Dabei denke ich mir nicht viel dabei, es ist es einfach mein niederländisch-realistischer Blick, der dem puren Gegenteil einer über-retuschierten Barbie-Ästhetik entspricht.
Y.R.: Und wenn ich ein Leder-Harness entwerfe, betone ich mit Linien die Kurven des Körpers. Viele Leute denken dann an Fetischkleidung, dabei steht diese Absicht nicht dahinter, sondern einfach nur die Liebe zu schönen Proportionen und zum Material.
Dass Eure Entwürfe und Gemälde aber entsprechende Assoziationen hervorrufen, dessen seid Ihr Euch aber bewusst?
P.M.: Ja, sie sind zwar nie Absicht, entstehen aber ganz natürlich.
Y.R.: Ein weiteres Beispiel ist auch der “Ring Bracelet und Choker”, der wird gerne auch als Symbol für Zugehörigkeit der BDSM Szene gesehen.
P.M.: Und umgekehrt wird manch augenzwinkerndes Detail gar nicht als solches erkannt: Auf einem kleinen Stillleben habe ich einmal einen kleinen Rosebud-Buttplug inszeniert. Das Bild hat meinen Bekannten so gut gefallen, dass sie es kaufen wollten, obwohl sie den Analstöpsel als einen Salzstreuer wahrnahmen. Als ich sie aufgeklärt haben, gefiel ihnen das Bild erst recht. Das Objekt wählte ich für das Stillleben einfach aus rein ästhetischen Gründen aus, weil es eine schöne Form hat – nicht der Provokation wegen.
Schönheit scheint eines Deiner ersten Auswahlkriterien bei der Wahl Deiner Sujets zu sein, richtig?
P.M.: Ja!
Wie kamen die Sujets für das Projekt mit YVY zustande?
P.M.: Wir besprachen die Kollaboration erstmals im Juli. Yvonne erzählte mir von ihrem Buchprojekt, doch mir fiel auf Anhieb nichts Konkretes ein. Sie machte dann erste Vorschläge.
Y.R.: Eigentlich war es meine Traumvorstellung, einmal ein Möhlmann-Gemälde auf einem oder mehreren YVY-Accessoires zu haben.
P.M.: Wir wussten dann aber erst nicht, ob es technisch möglich war, mit Ölfarben auf Leder zu malen. Aber nach einigen Materialtests hatten wir die Gewissheit, dass es geht.
Y.R.: Beim ersten Versuch saugte das Leder die Farbe zu fest auf. Der zweite Materialtest mit beschichtetem Leder stellte uns dann zufrieden.
P.M.: Es war nicht ganz einfach, auf Leder zu malen, vor allem auf schwarzem. Ich habe dabei auch etwas Neues gelernt und die Haut mit einem neuen Rot gemalt. Normalerweise verwende ich für Haut – egal von welcher Ethnie – seit Jahren die gleichen Pigmente, etwa ein Zinnoberrot mit kaltem Umbra-Natur-Braun. Für die Gemälde auf der Lederhaut habe ich erstmals auch Permanent-Rot für die Hautpartien eingesetzt.
Wie habt Ihr die Sujets bestimmt?
Y.R.: Pascal wollte meine Gesichtszüge integrieren und hat mich unter anderem schreiend posieren lassen. Obwohl er kreativ natürlich absolute Freiheit hatte, wünschte ich mir, dass nicht nur Partien von mir, sondern auch von ihm, verewigt werden.
Nackte Haut scheint ein grosses Thema in Deinem Oeuvre zu sein. Worin liegt diese Faszination?
P.M.: Keine Ahnung, es ist einfach so, und dies schon seit vielen Jahren. Ich male sehr gerne Menschen und Körperteile. Ich liebe das Zusammenspiel zwischen Anatomie und Schwerkraft, wie etwa ein Arm hängt und verdreht ist. Dabei mag ich aber immer die Haut, denn ich zeige nie das Fleisch, “schneide” die Körper nicht auf.
Yvonne, was macht für Dich die Faszination an Pascals Arbeit aus.
Y.R.: Es sind verschiedene Dinge: Die Anlehnung an Alte Meister, die Hommage an traditionelles Malerhandwerk, aber gleichzeitig auch Pascals zeitgemässe Auffassung davon. Auch ich hege in meiner Arbeit eine starke Faszination für traditionelle Handwerkstechniken, interpretiere diese aber auf meine eigene Weise. Das Verbeugen vor alten Künsten und gleichzeitig eine moderne Interpretation dieser ist eine weitere Parallele zwischen Pascals Arbeit und meiner.
Gibt es bestimmte Werke von Pascal, die Dir besonders gut gefallen?
Y.R.: An der Tür in seinem Atelier hängt ein Plakat vom Theater Neumarkt, darauf kniet ein nackter Mann.
P.M: Das ist der Schauspieler Max Krause. Er trägt auf dem Bild nur seine Socken.
Y.R.: Mich fasziniert an diesem Gemälde vor allem sein Ausdruck.
P.M.: Es freut mich sehr, dass Du dieses Bild erwähnst, denn es fiel mir extrem leicht, es zu malen. Rund vier Stunden habe ich dafür gebraucht. Ich finde es selbst recht gut.
Weshalb?
P.M.: Es hat für mich jene Mühelosigkeit, die ich in letzter Zeit extrem schön finde. Dinge, die mühelos erscheinen, finde ich sehr spannend und es ist für mich eine hohe, erstrebenswerte Kunst.
Y.R.: Mein Team war oft erstaunt, wie schnell ich etwas entwerfe. Für viele Aussenstehende hat mein Designprozess auch eine gewisse Mühelosigkeit. Dabei trage ich meine Ideen oft sehr lange im Kopf herum, bevor ich sie dann im Nu umsetze.
Y.R.: Wie lange hast Du gebraucht, um die YVY-Teile zu bemalen?
P.M.: Ich weiss es schlichtweg nicht. Jedenfalls habe ich die einzelnen Fragmente jeweils in einem Zug gemalt.
Y.R.: Was hat es mit der Walküre aufs ich, die du beim Malen der YVY-Teile gehört hast?
P.M.: Ich höre seit Monaten Wagners «Ring der Nibelungen» rauf und runter. Ich kann damit gar nicht aufhören und bin richtig süchtig nach dieser Musik, obwohl ich die Geschichte noch nie gelesen habe. Der «Walkürenritt», den man aus dem Film «Apocalypse Now» kennt, ist wie eine Droge: Mir kommen jedes Mal die Tränen. Dieses Stück war auch der Soundtrack für die YVY-Teile. Es hat etwas Kämpferisches, für mich aber auch etwas Freundschaftliches. Ich sehe die Walküren als Gören, toughe Mädels mit Girl Power. Sie passen gut zu den YVY-Teilen, die wie elegante, archaische Rüstungen wirken. Zum Thema «Courage» wollte ich etwas Elegantes zu machen, das mit persönlichen Siegen und Mut assoziiert wird. Diese Themen wollte ich in meinen Begriff von Schönheit übersetzen.
Seid Ihr zufrieden mit dem Resultat?
Y.R.: Ich bin mega-happy. Es ist sehr faszinierend, wie die einzelnen Motive, je nach Lichteinfall, eine andere Wirkung bekommen. Mal wirkt etwa das Auge sehr furchteinflössend, mal etwas sanfter. Mal hat es etwas Neugieriges, mal etwas Angriffiges. Interessant sind auch Details wie etwa die dreidimensionale Eigenschaft der Farbe bei jenen Stellen, an denen Pascal die Nähte mit Farbe übermalt oder überspachtelt hat.
Du scheinst ziemlich verliebt in diese Stücke zu sein…
Yvonne:
Ziemlich, ja. Kunst lebt schliesslich davon, dass sie Zeit zum Betrachten und eine reale, physische Gegenüberstellung braucht. Das kann kein Instagram rüberbringen, die Emotionen kommen erst in der realen Begegnung auf.
Ist unser Blick zu sehr von der Darstellungsweise auf Bildschirmen geprägt?
Y.R.: Ja das ist schon so, und es war ein wahrer Luxus, als wir beim Fotografieren der Teile während sechs Stunden lang die Werke betrachten konnten.
P.M.: Ich selbst schaue mir sehr viel Kunst auf Instagram an und bin sehr froh über diese Möglichkeit, mich so informieren zu können. Aber ich habe es kürzlich an der Art Basel wieder gemerkt: Live ist es echt nochmals eine andere Geschichte.
Y.R.: Es ist wie wenn man einen Song auf dem Handy hört und ihn dann live an einem Konzert erlebt.
Was passiert mit diesen Stücken?
Y.R.: Ich will sie ausstellen und den Leuten zeigen. Sie sollen nicht verkauft werden. Es sind die ersten YVY-Unikate.
Es sind also Kunstwerke.
Y.R.: Ja. Sie sind nicht zum Tragen gedacht, da sich ja das Leder biegt und die Farbe brüchig würde. Deshalb sind es Objekte, drei Teile, die zusammengehören, als eine Art archaische Rüstung für eine imaginäre Frau.
Pascal, Du hast umgekehrt auch eines der Gemälde Bild mit einem YVY-Gürtel ergänzt – weshalb?
P.M.: Ja, an diesem Bild war ich schon zwei Monate dran. Beim Kleid der Frau fehlte mir noch ein Gürtel. Irgendwann einmal, als die YVY-Accessoires noch in meinem Atelier standen, hatte ich dann die Eingebung und den «Moon Belt» im Gemälde integriert. Schon nach wenigen Pinselstrichen merkte ich, dass es einfach so sein hat müssen – it was meant to be. Der Gürtel passt formal perfekt zu dem Bild und ist gleichzeitig auch ein Kniefall vor YVY. Ihr Entwurf wertet das ganze Bild auf.
Werdet Ihr in Zukunft noch weitere gemeinsame Projekte realisieren?
P.M.: Ich habe die Vorahnung, dass es nicht bei dieser einen Kollaboration bleibt. Es würde mich jedenfalls freuen.
Y.R.: Sag das nicht, mein Kopf beginnt schon zu rotieren…
YVY – www.yvy.ch
Pascal Möhlmann – www.pascalmoehlmann.com