Du greifst aktuelle Probleme der Welt auf. Welche Themen gehen dir nahe?
Die Welt ist in ständiger Wandlung – so sind es auch meine Interessen. Zwei Faktoren beeinflussen die Verschiebung des Fokus meiner Gedankenwelt. Die Medien haben enorme Macht und niemand kann sich deren Einfluss entziehen. Eines meiner frühen Bilder greift eben diese schockierende Wirkung der außergewöhnlichen Nachrichten auf, die als „Breaking news“ angekündigt werden. Ich reagiere oft auf die Nachrichten, die es schaffen, die Media über längere Zeit zu beschäftigen. Es ist keine schlechte Leistung von einer Nachricht in unserer Zeit, in welcher jeder um die Aufmerksamkeit der Menschen kämpft und jedes Wunder in drei Tagen vergessen wird. Andererseits gibt es natürlich eine persönliche Entwicklung, einen Reifungsprozess. Die Lebenserfahrung treibt einen Gärungsprozess an, im Laufe dessen mein Weltbild immer klarer wird. Vielleicht ist es übertrieben mit 33 Jahren über Lebenserfahrung zu sprechen, aber die Erfahrungsdichte bei meiner Lebensweise ist doch bedeutend. Seit meiner Kindheit pendelte ich fast wöchentlich zwischen Deutschland, Österreich und Ungarn. Die Bilder der letzten Monate thematisieren die aktuelle Pandemie von Covid-19. Ich bin überzeugt, dass niemand es vorher geglaubt hätte, zu welchem Maße Frieden, Ruhe und Wohlstand zerbrechlich sind. Trotz der Dramatik der Szene fand ich amüsant, wie Menschen zum Beispiel für die letzten Rollen von Toilettenpapier im Geschäft kämpften. Jetzt kehre ich langsam zu meinen früheren Themen, wie genetische Manipulation, Umweltverschmutzung, Verbrauchergesellschaft, Genderrollen, Wandlung der Epochen, und so weiter zurück.
Wie sieht dein kreativer Prozess aus?
Mein kreativer Prozess besteht aus Planung und Ausführung wobei der Schwerpunkt auf der ersten Phase liegt. Die Grundidee meiner Werke kommt meist plötzlich und bildhaft wenn ich in den ruhigen Momenten des Tages in meinen Gedanken versunken bin. Diese Ideen sind schon ziemlich konkret, aber ich fange dann an zu recherchieren, um zu sehen, wie ich sie verfeinern kann. Oft formen sich während dieser Recherche auch Ideen für spätere Bilder. Es folgt dann eine digitale Phase der Planung mit 3D Max und Photoshop. Ich baue die Szene in drei Dimensionen im Computer auf, um den Schattenwurf und die Reflexionen zu modellieren und auch um Farbvarianten auszuprobieren. Es ist die Phase, wo ich am meisten von meiner Architektur Studium an der TU Wien profitiere. Wenn ich anfange zu malen, dann weiß ich schon ganz genau, was am Ende auf der Leinwand zu sehen wird. Es sind Nuancen, die während der Ausführung geändert werden. Manche Leute stellen mir die Frage: Warum soll ich ein Bild tatsächlich malen, wenn das Konzept im Wesentlichen schon digital fertig ist. Es ist als ob, man fragen würde, warum alte Meister ihre Bilder gemalt haben, wenn der Gedanke schon mit den Studien dazu vermittelt wurde. Einerseits ist das Malen für mich eine Art Selbstentwicklungsprozess, ein Dialog mit mir selbst, wobei ich meine Maltechnik vervollkommne. Andererseits wird der Gedanke mit den edlen Materialien, wie feine Leinwand und Ölfarben, eventuell für Jahrhunderte festgehalten.
Digitale Datenträger oder digitale Drucke sind wesentlich vergänglicher. Es sind ja die wesentlichsten Verstrebungen der Menschheit: sich zu vervollkommnen, neue Höhen zu erobern und ein bleibendes geistiges Erbe zu hinterlassen.
Welche Technik verwendest du? Was fasziniert dich daran?
Ich komme in Berührung mit zwei völlig verschiedenen, vielfältigen und spannenden Gebieten, da ich digitale Techniken bei der Planung und Maltechniken bei der Ausführung verwende. Es fühlt sich, wie eine Brücke zwischen der Vergangenheit und der Zukunft zu schlagen. Ich male traditionell mit Öl auf Leinwand. Manchmal experimentiere ich mit Abstraktion oder Farbgießen, aber zahlreiche dieser Experimente werden nie gezeigt, weil ich irgendwie das Gefühl habe, dass das Ergebnis meinem Wesen fremd ist. Vielleicht bin ich immer noch von meinen ersten Vorbildern, wie zum Beispiel Helnwein beeinflusst. Mich sprechen eher die Techniken der alten Meister an. Es ist ein mühsamer und langer Weg, sich ihr Wissen anzueignen, die Fähigkeiten zu entwickeln, die sie hatten, ohne sich dabei als Künstler Star zu betrachten. Mir stehen ihre Bescheidenheit und harte Arbeit nah und betrachte sie in dieser Weise als Vorbild. Die Entwicklung von digitalen Techniken ist rasant und bietet überraschende neue Werkzeuge, um die Recherche und die Planungsarbeit zu erleichtern und zu beschleunigen. Softwares ermöglichen es, verschiedene Stilvarianten auszuprobieren, um dieselben Gedanken auszudrücken. Meiner Meinung nach ist der wahre Quantensprung jedoch die Kunstszene der sozialen Netzwerke. Das Netzwerk war für Künstler immer sehr wichtig, um über neue Trends im Kunstdiskurs informiert zu sein und um den Schritt mit der Entwicklung halten zu können. Solche Möglichkeiten der internationalen Zusammenarbeit wie heute gab es früher noch nie. Es ist wirklich faszinierend vom eigenen Zimmer mit Kollegen, Kuratoren und Kunsthistoriker in der ganzen Welt zu kommunizieren und arbeiten zu können.
Hörst du beim Arbeiten Musik?
Nein, ziemlich selten. Während meinen Studien an der Akademie der bildenden Künste und an der Universität für angewandte Kunst in Wien habe ich Musik gehört, weil die anderen Studenten dafür sorgten, dass die Arbeit einen musikalischen Hintergrund hatte, aber seitdem nicht mehr. Ich sehe mir während der Arbeit YouTube Videos an. Es gibt ausgezeichnete Serien von Künstlerportraits, wie zum Beispiel die Bloomberg Serie Brilliant Ideas oder die BBC Dokumentarfilme über Kunst. Ich interessiere mich auch für Psychologie und für alles was die Menschen bewegt. Ich schaue mir auch gerne Videos über exzentrische Menschen an und frage mich, was die treibende Kraft hinter deren extremen Verhaltensweisen sein könnte. Der Auswahl scheint breit zu sein, aber im Fokus meines Interesses stehen die Kunst und die menschlichen Wesen.
Wie verbringst du deine Freizeit? Mit wem verbringst du sie am liebsten?
Ich weiß nicht, ob ich überhaupt Freizeit habe, um ehrlich zu sein. Es heißt nicht, dass ich mich nicht entspanne, aber bei mir fließen Entspannung und Arbeit ineinander. Für mich ist ganz normal am Wochenende oder während Feste zu arbeiten. Oft weiß ich nicht, welcher Tag der Woche es ist. Die Zeit wird eher durch verabredete Termine mit Akteuren der Kunstwelt und durch Ausstellungen rhythmisiert. Wegen der vielen Reisen fiel es mir immer schwer, Freundschaften zu pflegen. Ich war oft im Ausland, wenn ich Einladungen zu Geburtstagen oder andere Anlässe bekommen habe. Trotzdem habe ich viele Freunde, die mir nahestehen, aber ich muss mich melden, damit sie wissen, ob ich da bin. Mit meiner engsten und treuesten Freundin bin ich seit der ersten Klasse der Grundschule befreundet. Sie ist Anwältin geworden und findet trotz ihrer vielen Verpflichtungen regelmäßig Zeit um sich mit mir zu treffen.
Die Zeit wird eher durch Termine mit Akteuren der Kunstwelt und durch Ausstellungen rhythmisiert. Wegen der vielen Reisen war es immer schwierig meine Freundschaften zu pflegen.
Heute schon gefrühstückt? Der perfekte Start in den Tag. Wie sieht er aus?
Ich bin nicht hungrig, wenn ich aufwache. Es dauert eine Weile, bis ich dann etwas esse. Den Kaffee trinke ich früher. Normalerweise gehe ich in der früh ins Fitness Studio, dies wird seit März durch den Corona Virus verhindert. Ich trainiere zu Hause und gehe oft in der Gegend spazieren, danach fange ich an zu arbeiten.
Woran arbeitest du gerade? Wann hast du die nächste Ausstellung geplant?
Ich bin gerade ziemlich beschäftigt. Ich fürchtete im März, dass es wegen der Corona Krise und der damit zusammenhängenden finanziellen Schwierigkeiten das Interesse für Kunst nachlässt und sich der Kunstmarkt auf eine totale Flaute vorbereiten muss, aber bisher hatte ich Glück. Vier Ausstellungen mussten zwar leider abgesagt werden, aber es gab schnell innovative Lösungen, wie Standby in Budapest, eine Ausstellung im Freien. Mein Programm ist jetzt so dicht wie vor der Pandemie, wenn es zu keinen neuen Verschärfungen der Maßnahmen kommt. Die Godot Galerie zeigt gerade einige Werke von mir. Im Dezember ist eine Ausstellung in der Galerie Ady 25 in Budapest geplant. Die Galerie Peichtner-Lichtenfels in Wien plant eine Ausstellung im Jänner, wo meine Arbeiten gezeigt werden. Im Frühling wird dann hoffentlich auch eine Ausstellung in Békéscsaba in Ungarn stattfinden, die im März letztes Jahr wegen des Virus abgesagt werden musste. Da waren die Bilder schon für den Transport gepackt. Die Maßnahmen kamen wirklich in der letzten Minute. Die Vizivárosi Galerie in Budapest und das Collegium Hungaricum in Wien haben mich eingeladen an Ausstellungen teilzunehmen. Diese sind für 2021 geplant.
Naomi Devil – www.naomidevil.com