Wann hat dein Interesse für die Kunst begonnen?
Schon als Kind haben mich das Zustandekommen von Farbeindruck und Ästhetik sehr interessiert, da habe ich dann auch viel gezeichnet. Kunst war für mich eigentlich immer allgegenwärtig. Assoziatives Denken entstand bei mir beim Anblick von Videos, von Abbildungen in der Zeitung, Heiligendarstellungen in der Kirche oder öffentlichen Aktionen wie z.B. Arc de Triomphe am Mozartplatz in Salzburg.
Ich bin in Salzburg aufgewachsen, daher rührt sicher auch der große Bezug zu Natur in meinen Arbeiten und mir wurde bewusst, dass nicht nur spirituelle Menschen an unsichtbare Dinge glauben.
Wie entstehen deine Arbeiten?
Meine Arbeiten entstehen aus dem Bedürfnis, die gegenwärtig stattfindende assoziative Verschmelzung vormals klar getrennter, binärer sowie medialer Gegensätze materiell sichtbar zu machen. Ich male fast ausschließlich mit Ölen und Harzen auf transparent grundierter Leinwand, Lichteinfall und Tageszeit lassen die Arbeiten ganz unterschiedlich erscheinen, sie verändern sich und sind immer momentane Stimmungssituationen. Auch die Cyanotypien entstehen in der Beschäftigung mit Material und Licht. Zudem setze ich mich intensiv mit dem theoretischen Background der Kunst(geschichte) auseinander.
Studio in Kreuzberg, Berlin Studio in Kreuzberg, Berlin Studio in Kreuzberg, Berlin
Woher nimmst du deine Inspiration?
Die Sujets meiner Bilder stammen immer aus digitalisierten Quellen, z.B. sei es nun Material aus dem Internet, ein Filmstill oder auch ein selbst angefertigter Schnappschuss mit der Kamera des Mobiltelefons. Wichtig ist, dass ich sowohl einen persönlichen Bezug zu der aufgenommenen Situation habe, als auch ein gewisses Maß an Öffentlichkeit des Sujets besteht. Eine gewisse Wiedererkennung oder Zuordnung sind von mir beabsichtigt. Virtualität nimmt in unseren Leben immer mehr Stellenwert ein, vor allem in den Jahren der pandemischen Kontaktbeschränkungen hat sich dieser Prozess nochmals rapide beschleunigt. Genau diese Verschiebung vom materieller, symbolischer hin zu virtueller „Realität“ ist eine große Inspirationsquelle.
Bezogen auf deine Arbeiten? Was ist dir besonders wichtig?
Besonders wichtig ist es mir, mediale Übergänge materiell erfahrbar zu machen. Diese Übergänge können in der Qualität der Sujets sowie in ihrer materiellen Reproduktion sichtbar werden, als ein plötzliches Hereinbrechen von Realität auf den Betrachter*in. Kunst ist mittlerweile ja immer sehr politisch. Ich würde sagen wir befinden uns mehr denn je in einem posthegelianischen Zeitalter, insofern möchte ich diese fortschreitende Säkularisierung von Transzendenz sichtbar machen und freue mich, wenn Menschen und Tiere das in meinen Arbeiten auch erkennen.
Welchen Herausforderungen stellst du dich täglich?
Meine künstlerische Position zu schärfen verlangt sehr viel Hingabe sowohl zeitlich als auch emotional, das alles mit meiner Familie unter einen Hut zu bringen ist eine meiner Hauptherausforderungen—aber auch eine wahnsinnig schöne und bereichernde.
Anna Kuen hat mich auch dich aufmerksam gemacht. Welche Künstler*innen in Österrreich findest du interessant?
Sehr interessante Künstler*innen sind für mich Jakob Lena Knebl, Angelika Loderer und Heinrich Dunst. Unsere Wege haben sich während meines Studiums in Wien gekreuzt. Jakob Lena Knebl hat jetzt auch die Nachfolgeprofessur in der Klasse von Brigitte Kowanz angenommen, bei der ich 2015 diplomiert habe. Angelika Loderer hat gerade einen spannenden Beitrag in der 2021 Triennale des New Museum in NYC, und mit Heinrich Dunst bin ich seit meinem Diplom freundschaftlich verbunden. Ihre Arbeiten finde ich spannend, sie setzen sich auch stark mit Fragen von materieller, medialer Transzendenz auseinander.
Das Kollektiv Gelitin fasziniert mich schon seit 2000, die finde ich immer noch hochinteressant. Ihre Arbeiten berühren sehr und sind bisweilen auch sehr intensiv, medienübergreifend und kritisch.
Planst du schon fürs nächste Jahr? Woran arbeitest du gerade?
In der Tat sind für nächstes Jahr schon zwei Gruppenausstellungen geplant, aber ich bin auch immer offen wenn jemand Lust hat, ein neues Ausstellungsprojekt an mich heranzutragen. Gerade habe ich eine Werkserie mit Tieren abgeschlossen, genauer gesagt mit deutschen Schäferhunden. Ich gehe dabei der Frage nach, inwiefern wir uns von „der Angst vorm deutschen Schäferhund“ gelöst haben, oder ob das Sujet doch bei dem Einen und der Anderen historisches Unbehagen auslöst. In Österreich würde ich sagen: bestimmt! Marx sagte dazu schon, frei nach Hegel, dass „alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen, hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.“
Tom Streit – www.tomstreit.com