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München Kunst

Ausstellung. Sugar Pie Honey Punch

Alles wird weich, deine Arme, deine Beine und deine zuvor verhärteten Muskeln, die eben noch 36 Minuten unter Strom standen entspannen sich. Du fühlst dich klein, fast verloren in deiner Kleidung und in deiner Umgebung. Die Stahlträger der Halle biegen sich langsam, der Raum verschwimmt, er wird wirr, diffus – ungreifbar.

Aus der Ecke dringt eine menschliche Stimme zu dir, jemand schreit: Let’s have a clean fight, touch hands, back to your corners! Mit wackeligen Beinen stehst du auf und steigst in den offenen Ring, deine Bühne.

Du hast dich gut vorbereitet, deine Zähne sind geputzt und du bist auch bereit sie zu verlieren. Du setzt dich auf deinen Platz, da liegen Kopfhörer und Stimmen erzählen dir von Sorgen und Füßen. Unsicherheit – bist du im Training oder im Wettkampf?

Bei diesem Zusammenkommen ist der Ausgang ungewiss, die Regeln sind klar: Zwei Körper in einem Raum, zwischen Sport und Kampf – gegeneinander und doch miteinander. Irgendwie archaisch und trotzdem ist jede einzelne Bewegung kalkuliert. Es geht um den perfekten Schlag. In der Mitte steht noch einer – der dritte im Ring – er gehört nicht dazu, er lenkt das Spiel. Er kennt die Abläufe, auch wenn er sie selbst nicht erfährt. Positionswechsel und Rollentausch, die Wahrnehmung verschiebt sich. Und dann ändern sich die Strukturen, die Regeln brechen auf, die Gesetze gelten nicht mehr.

Der Zucker rieselt aus dem Boxsack, der Wille tropft mit. Er ist geschmolzen, die Reibung war zu groß, als Schläge der kontinuierlichen Verbesserung auf ihn einprasselten. Er tropft auf den Boden, ist nicht mehr zu unterscheiden von deinem Schweiß, deinen Tränen und denen deines Teams. Eine klebrige Masse. Ameisen werden angezogen, bilden Körper, die in ihrer Bewegung erstarren, gefangen zwischen Stabilität und Zerbrechlichkeit.

Auf dem Boden der Halle liegen noch andere Objekte, zwischen die du behäbig deine Füße platzierst, um zu trainieren, um deine ‘muscle memory’ zu stärken. Dort liegt ein Stück Holz, dass im Takt zu dei- nen Bewegungen schlägt. Du fühlst dich wieder gut. Die Leute merken, dass du gut bist und fangen an auf dich und dein Können zu wetten. Spekulation im Raum. Du wirfst den Medizinball gegen die Wand, er klatscht gegen den Beton und als er auf den Steinboden trifft schiebt sich eine tiefe Bass- welle durch den Raum.

Die metallenen Hanteln erzittern, ein klirrender Rhythmus entfaltet sich. Und auf einmal springen alle Seil, mit ganz wenig Abstand zum Boden, dafür schnell, pulsierend und im Takt. Du steigst wieder in den Ring, willst dich reiben, mit deiner Rivalin, der Angst. Irgendwie findest du es auch gut, wenn du geschlagen wirst. Es geht um Macht und Stärke und dem Eingeständnis der eigenen Verletzlichkeit. Es ist als ob zwei Geweihe aufeinander krachen und sich ineinander verkeilen. Irgendwann ist nicht mehr klar – ist es Kampf oder Körpernähe, Abneigung oder Begehren? Kann man, wenn man sich so nah ist, noch gegeneinander sein? Ihr tanzt jetzt durch den Raum, im Hintergrund singen die Four Tops „Sugar Pie Honey Punch“ und ihr mögt euch, Anziehung füllt die kühle Halle. Ihr seid eine Familie, die Strukturen der Macht brechen, wie vormals die Knochen. Der Raum ist hell und warm, alle kommen zusammen und sind willkommen, wir sind umgeben von vielen Leuten und die Per- son an der Bar winkt mit Wodka-Steroide. Bezahlt wird mit Liebe, Geld wird zerkleinert, gezuckert und in transparente Taschen gepackt.

Gruppenausstellung: Sugar Pie Honey Punch von Studenten*innen der Akademie der Bildenden Künste München

Künstler*innen: Tornike Abuladze, The Berg, Carmen, Pierre-Yves Delannoy, Eunju Hong, Denis Clausmann, Nicola Kötterl, Benjamin Matthias, Ludwig Neumayr, Rosanna Marie Pondorf, Sebastian Quast, Justin Urbach, Tatjana Vall, Maxine Weiss, Milena Wojhan, Matthias R. Zausinger