In ihren Arbeiten schafft sie performative, choreografische, (körper-)sprachliche oder installative Situationen, die stets tief gehende Wahrnehmungseindrücke in den Betrachtenden hinterlassen und ihnen raumgreifende Vorstellungswelten eröffnen. In ihren aktuellen Arbeiten befasst sie sich mit dem Begriff des mining (von Bergbau: graben, abbauen), wofür sie 2021 u.a. mit ihrer Performance und Ausstellung MINE mit dem H13 Niederoesterreich Preis für Performance ausgezeichnet wurde.
Welche Themen beschäftigen dich als Künstlerin?
Als Performerin muss ich natürlich zugeben: Körper im weitesten Sinne und die fluiden Grenzen unserer Definitionsversuche von Existenz und Nicht-Körperlichem. Das äußert sich in Feldern wie Identitätskonstruktionen, Sprache, gesellschaftspolitischen Themen, die mich aktuell berühren, teilweise auch soziologische Beobachtungen, oder, um ein konkretes Beispiel zu nennen, dem Thema mining/Bergbau, mit dem ich mich nun seit gut zwei Jahren beschäftige.
Wie hat sich deine Kunst entwickelt?
Ich habe eine lange Entwicklung vom Tanz hin zu einer Gleichzeitigkeit von Choreografie und bildender Kunst hinter mir – mit vielen Ausreißern. Zurückblickend weiß ich, wer mich gut kennt, vielleicht schon seit meiner Kindheit, den:die wundert das auch nicht, dass ich an diesem Punkt gelandet bin und meine Arbeiten genau so sind, wie sie eben sind. Deshalb gehe ich auch am Neubeginn einer Arbeit nie von einem konkreten Genre aus, sondern frage erst: „Wo ist der richtige Platz für diese Arbeit?“, und dann suche ich akribisch danach.
Für alle, die mich – wie die meisten – aber nicht seit meiner Kindheit kennen, wird das am deutlichsten über meine Ausbildungsbiografie. Zuerst habe ich ein sehr technisches Tanzstudium für zeitgenössischen Bühnentanz besucht. Das hat meine Wahrnehmungs- und Bewegungsfertigkeiten extrem geschult und ist nach wie vor einer der wichtigsten Ausgangspunkte meiner Überlegungen. Ein Teilaspekt davon war Tanzpädagogik, worüber ich gelernt habe, performative Situationen besser analysieren zu können. Trotzdem – es war mir nicht genug und ich wusste, ich brauche danach einen Ort, an dem ich mich in erweiterter Form noch mit künstlerischen Konzepten und Ideen befassen kann. Das war die bildende Kunst für mich und ich entschloss mich für noch ein Studium, arbeitete aber nebenbei durchgehend als Performerin, Tänzerin und Choreografin weiter. Bis sich die beiden Stränge irgendwann von selbst so organisch ineinander verflochten und verwachsen haben, dass sich die Frage nun gar nicht mehr stellt, ob ich mehr dem einen oder dem anderen Genre angehöre. Auch nicht für mein Umfeld.
Welche Medien benutzt du künstlerisch?
Das würde ich selbst gerne eine Kunsthistorikerin in 100 Jahren fragen können! Meine eigene Definition aus heutiger Sicht wäre: Performance, Choreografie, (performative) Objekte, Installation, Video und mit der Zeit auch mehr und mehr Fotografie. Die Grundlage für meine Herangehensweise ist stets eine somatische Bewegungspraxis und soziologische Betrachtung des „Körpers“. Dazu bediene ich mich neben Bewegung auch Medien wie Sprache, Sound, Licht oder dem Experimentieren mit Materialien. Ab und zu fällt auch etwas aus dem Rahmen… meine Arbeit Mother Tongue zum Beispiel, die auch als Malerei gelesen werden kann. Darin schreibe und male ich über die Dauer einer Stunde mit meiner Zunge an eine Galeriewand.
Eine Arbeit, die sich sehr bewusst zwischen Sprache, Performance, Malerei oder sogar Graffiti platziert.
Schwarz-weiß oder bunt?
Bunt! Und sehr fein abgestimmt mit den Oberflächen, der Lichtstimmung, der Haptik und Materialität, dem Gewicht oder dem Geräusch eines Gegenstands. Sei dies Stoff, Holz, Metall, Folie, etwas Gefundenes – alles wird genau erforscht und betastet.
Gibt es Vorbilder, Einflüsse, Inspirationen?
Meine historischen Influencer*innen sind bestimmt Carolee Schneemann, Trisha Brown mit Babette Mangolte und vielleicht auch Yvonne Rainer oder Bruce Naumann. Ich bewundere ihren poetischen und breiten Zugang zu Choreografie in Verbindung mit bildender Kunst und auch wie sie diesen leben. Die Liste der großartigen Künstler:innen wäre aber noch eine lange und – nicht zuletzt ist der Aus-tausch mit Kolleg:innen sehr wertvoll und befeuernd für mich! Andere Inspirationsquellen reichen von ganz einfachen alltäglichen Erlebnissen bis hin zu Filmen von Claire Denis, die eine tiefe Wahrnehmungserfahrung in mir auslösen, die mich lange nicht loslässt und vielleicht unterbewusst wieder in meinen Performances auftaucht. Grundsätzlich beflügelt es mich, das Gefühl zu haben, dass bei einer Performance tatsächlich etwas geschieht, an etwas gearbeitet wird und sich etwas transformiert – im Gegensatz zum reinen Präsentieren von technischen Fertigkeiten der Künstler*innen. Ich versuche mich auch selbst immer wieder zu überraschen und meine Vorstellungsfähigkeit zu erweitern, indem ich versuche, so breitgefächert wie möglich an Konzepte für Bewegung, Objekt-Installationen, Sprache, Licht oder Sound heranzugehen.
Was hast du für Pläne? Gibt es etwas, mit dem du dich beschäftigen möchtest?
Derzeit genieße ich es, ein paar große Projekte abgeschlossen zu haben und mich die kommenden Monate wieder durch ein ausgedehntes Kunst- und Kulturprogramm inspirieren zu lassen. Nebenher schreibe ich an einer wissenschaftlichen Arbeit über den Begriff des mining, mit dem ich mich die letzten zwei Jahre künstlerisch ganz intensiv beschäftigt habe.
Sara Lanner arbeitet als Choreografin, Tänzerin, performative und bildende Künstlerin in Wien und teilweise Salzburg. 2021 erhielt sie für ihre Arbeit MINE den H13 Niederoesterreich Preis für Performance des Kunstraums Niederoesterreich. Ebenso den Ö1-Publikumspreis im Rahmen der Ö1-Talentebörse im Leopold Museum Wien, wo sie auch ihre prämierte Performance Mother Tongue präsentierte (2020). Weitere Performances und Ausstellungen im brut Wien, am Tanzquartier Wien, bei das weisse haus, der Stadtgalerie Salzburg oder am MIPAF Festival in Macau/China sowie zahlreichen Orten im In- und Ausland. Weiters unterrichtet sie zeitgenössischen Tanz und Choreografie und war von 2015 bis 2018 als Tutorin an der Medizinischen Universität Wien im Rahmen einer interdisziplinären Lehrveranstaltung zu Anamnesegesprächen mit Patient*innen tätig.
Sara Lanner – www.saralanner.at, www.instagram.com/sara_lanner/
¹ https://www.leopoldmuseum.org/de/ausstellungen/120/oe1-talentestipendium, 15.12.2021