
In der von Miroslav Haľak kuratierten Hauptausstellung TERRA INCOGNITA – Kunst-Expedition in ein unbekanntes Nachbarland wird tschechoslowakische Kunst im Dialog mit Arbeiten aus der Sammlung Liaunig gezeigt.
TERRA INCOGNITA – Kunst-Expedition in ein unbekanntes Nachbarland Tschechoslowakische Kunst zwischen 1948 und 1989 im Dialog mit der Sammlung Liaunig
In der von Miroslav Haľák kuratierten Hauptausstellung TERRA INCOGNITA – Kunst-Expedition in ein unbekanntes Nachbarland wird Tschechoslowakische Kunst im Dialog mit Arbeiten aus der Sammlung Liaunig gezeigt. Der Kurator beschränkt sich auf die Jahre 1948 bis 1989, die die Phase der Teilung Europas darstellen, in der sich Österreich und die Tschechoslowakei in zwei unterschiedlichen Einfluss-Sphären befanden und der gegenseitige Austausch in der zuvor so organisch gewachsenen soziokulturellen Nachbarschaft radikal unterbrochen wurde. Da sich die Parameter der Kunstentwicklung in den beiden Ländern nach ganz unterschiedlichen Kriterien formten und die Künstler:innen mit zum Teil völlig unterschiedlichen gesellschaftspolitischen Herausforderungen arbeiten mussten, sich aber immer in einer historisch kompakten geographischen Sphäre befanden, ist die Ausstellung in sogenannte „Territorien“ gegliedert, die der Variabilität und den individuellen Spezifika der Kunstproduktion in diesen Jahrzehnten entsprechen. Anhand der für die Postmoderne typischen Tendenzen zur Figuration, Abstraktion, Geometrisierung und Pluralisierung treffen die jeweiligen Künstler:innen aus Österreich und der Tschechoslowakei in einem inszenierten Dialog aufeinander, in dem die konkreten Phänomene, die sich in den vier Jahrzehnten des Kalten Krieges teils kontinuierlich, teils parallel, teils unterschiedlich entwickelt haben, beleuchtet werden.

Kaum ein Begriff kursiert in der Kunst der ersten Jahrzehnte des 21. Jahrhunderts so sehr wie der des „Postkolonialen“. Er steht im zeitgenössischen Kunstbetrieb für den notwendigen Blick über den Tellerrand der emanzipierten Kunstzentren hinaus auf die Produktion in Ländern, die lange und opferreich um ihre Unabhängigkeit gekämpft haben. Der Begriff verführt aber dazu, das Problem aus der Perspektive der fatalen Kolonialpolitik des 19. Jahrhunderts in den außereuropäischen Regionen zu sehen. Das Problem ist jedoch viel komplexer und komplizierter. Auf dem Kunstmarkt, der immer nach Trends funktioniert, werden immer wieder Produktionen übersehen oder sogar bewusst ignoriert, nur weil sie nicht dem einen oder anderen Kanon entsprechen. So wird es immer blinde Flecken auf der Kunstlandkarte geben, die als uninteressant empfunden werden. Die gegenseitige Wahrnehmung der drei Nachbarländer Österreich – Tschechien – Slowakei ist ein pars pro toto Beispiel dafür, wie eine solche Dynamik im kulturellen Austausch auf der Basis einer geopolitischen Trennung aussehen kann. Drei Jahrzehnte nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und nach immer neuen Forschungs- und Institutionsprojekten zur Erkundung und Kontextualisierung der zentraleuropäischen Kunstregion bleibt das gegenseitige Bewusstsein über die jeweilige Positionierung der Kunst im Laufe des 20. Jahrhunderts sehr eingeschränkt. Nach wie vor ist es deswegen wichtig, die eigene Komfortzone zu verlassen und sich auch auf unbekanntes Terrain zu begeben, denn erst dadurch wird ein viel breiteres Bild von Parallelentwicklungen, globaler Erscheinungen, aber auch Differenzen, ästhetischen Besonderheiten und anderen künstlerischen Phänomenen in der Kultur der bewegten Nachkriegszeit in Zentraleuropa sichtbar.

In der Ausstellung TERRA INCOGNITA werden Arbeiten der folgenden Künstler:innen gezeigt: Milan Adamčiak, Marc Adrian, Jiří Balcar, Juraj Bartusz, Mária Bartuszová, Josef Bauer, Štefan Belohradský, Jiří Bielecki, Hans Bischoffshausen, Vladimír Boudník, Hellmut Bruch, Miloslav Chlupáč, Miloslav Cicvárek, Jarmila Čihánková, Miroslav Cipár, Jiří David, Hugo Demartini, Milan Dobeš, Jiří Georg Dokoupil, Otto Eder, Libor Fára, Rudolf Fila, Stano Filko, Emil Filla, Herbert Flois, František Foltýn, Johann Fruhmann, Michal Gabriel, Roland Goeschl, Franz Grabmayr, Mira Haberernová-Trančíková, Josef Hampl, Jiří Hilmar, Rudolf Hoflehner, Wolfgang Hollegha, František Hudeček, Friedensreich Hundertwasser (Friedrich Stowasser), Josef Istler, Othmar Jaindl, Jozef Jankovič, Čestmír Janošek, Jiří John, H+H Joos (Harold Joos, Hildegard Joos), Martha Jungwirth, Zdeněk Kirchner, Alojz Klimo, Tamara Klimová, Alfred Klinkan, Eva Kmentová, Milan Knížák, Jan Koblasa, Peter Kogler, Jiří Kolář, Stanislav Kolíbal, Július Koller, Jan Kotík, Jiří Kovanda, Viera Krajcová, Radoslav Kratina, Matej Krén, Richard Kriesche, Rudolf Krivoš, Jan Kubíček, Jaroslava Kurandová, Bohdan Lacina, Aleš Lamr, Maria Lassnig, Mariane Maderna, Gottfried Mairwöger, Antonín Málek, Karel Malich, Pavel Maňka, Mikuláš Medek, Juraj Meliš, Jürgen Messensee, Anastázia Miertušová, Josef Mikl, Vladislav Mirvald, Alexander Mlynárčik, Gerhardt Moswitzer, Jiří Načeradský, Rudolf Němec, Karel Nepraš, Pavel Nešleha, Hermann Nitsch, Franz Xaver Ölzant, Peter Oriešek, Marek Ormandík, Hermann J. Painitz, Milan Paštéka, Helga Philipp, Robert Piesen, Josef Pillhofer, Peter Pongratz, Markus Prachensky, Drago j. Prelog, Hannes Priesch, Arnulf Rainer, Erwin Reiter, Franz Ringel, Michael Rittstein, Gerwald Rockenschaub, Hubert Schmalix, Christian Schwarzwald, Zbyněk Sekal, Miloš Ševčík, Agneša Sigetová, Rudolf Sikora, Natálie Šimanová, Adriena Šimotová, Paulína Skavová, Otakar Slavík, Miroslav Šnajdr st., Soshana (Susanne Schüller), Jiří Sozanský, Jakub Špaňhel, Hans Staudacher, František Štorek, Jan Švankmajer, Ján Švec, Zdeněk Sýkora, Laco Teren, Erwin Thorn, Margita Titlová-Ylovsky, Jorrit Tornquist, Miloš Urbásek, Andreas Urteil, Jiří Valenta, Jitka Válová, Aleš Veselý, Jaroslav Vožniak, Max Weiler, Hana Wichterlová, Jan Wojnar, Erwin Wurm, Jana Želibská, Kamila Ženatá und Olbram Zoubek.
Das umfangreiche Ausstellungsprojekt wurde in Zusammenarbeit mit tschechischen und slowakischen Institutionen und Privatsammlungen möglich. Die Ausstellung wird von einem reich illustrierten Katalog begleitet.
Die wechselnden Sonderausstellungen in der dreieckigen Halle sind zwei österreichischen Zeitgenossen gewidmet: Von Ende April bis Ende Juli ist Jakob Gasteiger (*1953) in der von Klaus Albrecht Schröder kuratierten Schau GASTEIGER – POST-RADICAL-PAINTING zu sehen, von Anfang August bis Ende Oktober werden Werke von Lorenz Estermann (*1968) gezeigt.
Sonderausstellungen: GASTEIGER – POST-RADICAL-PAINTING
Jakob Gasteiger, 1953 in Salzburg geboren, zählt zu den Ausnahmeerscheinungen der österreichischen Nachkriegskunst. Seine Kunst ist analytisch, verzichtet auf jegliche Gegenständlichkeit und die pathetisch- expressionistische Geste seiner Künstlergeneration. Seine Werke bewegen sich zwischen Malerei, flachem Relief und Objekt. Als Serie horizontal gereiht oder zum mehrteiligen Tableau zusammengefasst, summieren sich diese Mal-Objekte zu einem Klang und Rhythmus einer einzigartigen Musikalität. Gasteiger untersucht die grundlegenden Elemente des Bildes: die Farbe und ihre Textur, die Größe des Objekts, sein Format und seine Proportion, selbst die Bedeutung der Tiefe des Keilrahmens für die Wirkung des Bildes. Von diesen Elementen, die ein Bild definieren, soll kein erkennbares Motiv und kein Thema ablenken, kein bedeutungsvoller Inhalt und keine Erzählung. Nur selten weicht der Künstler in seinem Schaffen von der Monochromie ab, wenngleich an die Stelle des frühen Schwarz und anderer unbunter Farben später Grün, Blau, ja sogar ein verführerisches Rosa treten können. Gasteigers Pinsel ist die einfache Rakel, die er für jedes einzelne Bild-Objekt individuell aus dickem Karton anfertigt: mit einem engen oder weiten, seichten oder tiefen Zahnschnitt. Die Rakel ist Gasteigers Rechen, mit dem er die Farbmasse kämmt. Das erinnert äußerlich an meditative Zen-Gärten. Allein, Gasteiger ist jedem Symbolismus abhold. Auch seine Scheibenbilder leben nicht von jener Analogie, die die italienische Renaissance zwischen der idealen Rundform des Tondos und der himmlischen Harmonie gezogen hat. Im Gegenteil, Gasteiger verstößt gegen die Macht der Mitte und ihre auf das Zentrum ausgerichtete Symbolik. Er betont die Souveränität seiner Farblinien, ihre Unabhängigkeit von der äußeren Form des Kreises. Die scharfen Grate und Furchen kollidieren mit dem strengen Umriss der Scheibe.

Dem Künstler geht es um den autonomen Rhythmus jener Farbspuren, die seine Rakel im Pigment hinterläßt: ob sie langsam abfließen oder heftig und kurzatmig aneinanderstoßen; ob sie durch eine rechtwinklige Organisation gezähmt werden oder sich in vehement gezogenen Segmentbögen überlagern und überschneiden. Das monochrome Pigment reichert Gasteiger mit Glas oder Kupfer, Eisenoxyd oder Sand an. Er läßt es zähflüssig wie Öl oder trocken und spröde erscheinen, zerbrechlich oder wie aus weichem Teig gemacht, stumpf oder glänzend, warm oder kalt. Diese Bild-Objekte wollen mit den Augen nicht nur gesehen, sondern abgetastet werden, um ihre Rhythmik, ihr Gewicht und innere Monumentalität zu verspüren. Selten hat Kunst in ihrem strengen Formalismus und mit der Kraft der Reduktion stärker den Betrachter mit sich und seiner reinen Wahrnehmung konfrontiert. (Text: Klaus Albrecht Schröder)
Für das runde Skulpturendepot hat Clemens Fürtler (*1966) eine Ausstellung konzipiert, in deren Mittelpunkt seine aus Modell-Autorennbahnen und -Eisenbahngleisen zusammengesetzten Bildmaschinen stehen.

Ausstellung im Skulpturendepot: Clemens Fürtler BILDMASCHINEN
Bildmaschinen nennt Clemens Fürtler seit vielen Jahren pauschal seine Werke und auch die meisten seiner Ausstellungen. Eine Bezeichnung, die ein weites Feld öffnet. Die meisten werden damit zunächst seine skulpturalen Objekte identifizieren, die aus technisch-konstruktiven Komponenten bestehen und ein industrielles Zeitalter heraufbeschwören: Wir sehen den Turm zu Babel (2018), dessen konstruktives Gerüst nach oben weit über den bereits architektonisch realisierten Teil hinausragt und die potenzielle Unendlichkeit seiner Vertikalentwicklung andeutet. Wir sehen scheinbar endlos verlaufende Hochhaus-Straßentürme, Hybridarchitekturen aus Parkgaragen, Rennstrecken (Bildmaschine 02, 04, 06) und Eisenbahntrassen (01) – allesamt als Modelle, Sinn- und Schaubilder für die sich selbst vermeintlich vorantreibende und sich dabei doch in einer Endlosschleife immer wieder repetierende Sisyphus-Maschinerie der modernen Großstadtwelt. Diese Zivilisations-Maschinen zeigen eine moderne Welt als menschenleere, seelenlos technoide Apparatur, die in ihrem Perpetuum mobile-Modus weder Gefühle noch reflektive Distanz zu sich selbst entwickeln kann: ein in sich selbst gefangenes, sich selbst genügendes System im Dauer-Loop. In dieser Ausdeutung der modernen Gesellschaft erscheint Clemens Fürtler als künstlerischer Seelenverwandter seines US-amerikanischen Kollegen Chris Burden (1946–2015), der seit den 2000er-Jahren vergleichbare Arbeiten schuf – Modelle von technischen Bauwerken des Industriezeitalters wie Brücken, am bekanntesten vielleicht sein mehr als 20 m hoher Skyscraper am Rockefeller Center (2008), aber auch die komplexe Installation Metropolis II mit rasenden Modellautos im Los Angeles County Museum (2011). Die sich selbst genügende Maschine ist allerdings nur ein Teil dessen, was Fürtlers Bildmaschinen repräsentieren und vermitteln. Eine Maschine ist ja in erster Linie kein Selbstzweck, sondern dafür konstruiert, etwas zu erschaffen und zu produzieren. Fürtlers Arbeiten sind also nicht nur Maschinerie, sondern Maschinen, die Bilder produzieren. Und zwar nicht nur Bilder im Kopf in Form von Assoziationen, sondern auch ganz konkrete Bilder. Die sich bewegenden Elemente, Autos und Eisenbahnen, sind mit kleinen Scheinwerfern und zum Teil mit Kameras ausgestattet. Auch in die Architekturelemente sind Beleuchtungselemente integriert, die sowohl statische als auch dynamische Licht- und Schatteneffekte auf den umliegenden Wänden bzw. mit den Kameras bewegte Bilder erzeugen. Diese wirken umso stärker, als Fürtler die Ausstellungsräume immer ins Dunkel taucht, so dass die Licht- und Schattenspiele markant zur Geltung kommen. Fürtlers Lichtinszenierung bewirkt damit einen Transformationsprozess vom dreidimensionalen Objekt zum zweidimensionalen Lichtspiel und bewegten Bildern auf einer Fläche, mithin vom realen Objekt zum Bild. Seine Bildmaschinen sind also Maschinen, die Objekte in Bilder verwandeln. In weiterer Folge präsentiert Fürtler Werke, die in diesem Transformationsprozess noch einen Schritt weiter gehen. Er übersetzt die Licht- und Schatteneffekte in autonome Kunstwerke, in eigenständige Objekte: in Fotogramme, also Direktbelichtungen auf Fotopapier, in Polaroids, in bewegte Bilder und schließlich auch in Malerei auf Leinwand. Seine Ausstellungen präsentieren all diese unterschiedlichen Erscheinungsformen gleichzeitig: das Objekt selbst, seinen Lichtabdruck bzw. seinen Schattenwurf in Echtzeit im selben Raum, den fotomechanischen Lichtabdruck als Fotogramm oder fotografisches Bild, filmische Bilder und schließlich das manuell und subjektiv hergestellte Bild des Objekts in der Form von Malerei. Fürtler nimmt uns mit auf eine Reise durch Erlebnis- und Erscheinungsformen der Wirklichkeit. Am Ende verschmelzen der Künstler und sein Werk zu einer einzigen komplexen Bildmaschine, die Objekte und Bilder herstellt und diese permanent und simultan in andere Aggregatzustände überführt. (Text: Reinhard Spieler)
Im Grafiktrakt wird das Œuvre der Textilkünstlerin Ursi Fürtler (*1939) unter dem Titel Avec plissé vorgestellt.

Ausstellung im Grafiktrakt: Ursi Fürtler. Avec plissé
„Das musste ich einfach so machen“, sagt Ursi Fürtler im Kontext zur Unmöglichkeit in den 1970er-Jahren in Österreich als weibliche Künstlerin angesehen zu werden, während sie in ihrer Siebdruck-Werkstatt Probestücke bedruckter Textilien auf dem Arbeitstisch auflegt. Entgegen dem ursprünglichen Wunsch Malerin zu werden, entschied sie sich aufgrund des in der Zeit der 1970er- und 1980er-Jahre von Männern dominierten Berufsfeldes jedoch für das Textil als ihr Grundmaterial. Es war wahrscheinlich genau dieser Situation gezollt, dass die junge Künstlerin ihren Bereich so intensiv perfektionierte und sich durch ihre Überzeugung, genau das tun zu wollen, Gehör verschuf.
Fürtler hat ihr Leben lang gearbeitet. 2025 hat die Schöpferin des einzigartigen Œuvres an Textilwerken und vielseitige Ausnahmeerscheinung in Neuhaus ihre erste museale Einzelausstellung, die Einblick in fast siebzig Jahre des Schaffens liefert. Ziel der Präsentation mit dem Titel „Avec plissé“ ist das Bilden eines Querschnitts durch ihr künstlerisches Werk, das sich ohne Pausen und Brüche wie ein roter Faden bis heute weiterzieht. Die Ableitung von „Avec plaisir“ (Gerne! / Mit Freude!) lenkt das Augenmerk auf Fürtlers in den letzten Jahren mit Vorliebe eingesetzten Werkstoff: Plisseestoff.
Papierarbeiten und Entwurfsskizzen bis zur Weiterführung und Neuanordnung in Collagen.
Den zeitlichen Beginn der Präsentation im Grafiktrakt des Museum Liaunig zeigen Zeichnungen auf Papier. Es sind Flächenkompositionen in kontrastreichen Farbzusammenstellungen, die Fürtler von 1972 bis in die 1980er-Jahre zum Großteil als Musterentwürfe für die Textilindustrie angefertigt hat. Die Zeichnungen wurden in bemerkenswerter Leichtigkeit ausgeführt und erregten offensichtlich schon vor vierzig Jahren Aufsehen. Allem voran spricht aus ihnen eine selbstbewusste Künstlerin, die mit großer Wahrscheinlichkeit das damalige Umfeld mit ihrem Können und ihrem Gespür für Farben und Formen aufgemischt hat. Auffallend ist der strukturierte, später immer mehr ins Minimalistische reichende Stil, der die Künstlerin prägt. Sie schafft mit den einfachsten Zusammenstellungen ein den Betrachter faszinierendes Bild.
Das Siebdruckverfahren und die Unplanbarkeit.
Parallel zu ihren Entwurfszeichnungen beginnt Ursi Fürtler Anfang der 1980er-Jahre im Siebdruckverfahren Stoffe zu bedrucken. Anders als viele Künstlerkolleginnen und Kollegen, die den Siebdruck als Vereinheitlichung einer Auflage und zur Vervielfältigung und Umsetzung hoher Editionen als entgegenkommende Technik gewählt haben, reizt Ursi Fürtler ein ganz anderer Aspekt an diesem Druckverfahren. Für sie ist es das Unkalkulierbare, das aufgrund der Technik niemals vollständig planbare Resultat. Bei der Siebdruck-Technik, die Ursi Fürtler sich selber beigebracht hat, geht es ihr niemals um Perfektion, sondern um die, durch die eigene Einschränkung erzielten Resultate. „Ich empfinde meine Liebe zum Siebdruck als Abenteuer und meine Neugier ist unendlich“, schreibt sie in einem Werkkommentar in den 1990er-Jahren.
Im zweiten Raum des Grafiktraktes sind drei Paravents ausgestellt sowie Entwurfsskizzen zu deren Farben und Struktur. Weiters sind Accessoires und Textilobjekte aus einem Zeitraum von vierzig Jahren zu sehen, drei Kleider und ein Schal, den Fürtler 2005 als Staatsgeschenk des Bundespräsidenten Heinz Fischer zu einer Auslandsreise in mehrfacher Ausführung mitgebracht hat.
Die Deklination der Möglichkeiten.
Die Inszenierung von Ursi Fürtlers Objekten im Museum Liaunig soll zur Veranschaulichung dienen, wie viele Möglichkeiten an Formen denselben zu Grunde liegen. Ein Couturier braucht einen Körper, an den er seine Mode anpasst. Seine verwandelten Stoffe ergänzen den weiblichen oder männlichen Körper, sie unterstützen, verdecken oder machen sichtbar. Ursi Fürtler setzt mit ihrer Arbeit an dem Material selber an und macht aus jedem Stoff ein eigenständiges Unikat, das für sich selber spricht. Fürtlers Schals, Kleider und Accessoires können getragen werden, ergeben jedoch gleichzeitig völlig selbständige dreidimensionale Objekte, wie dies in den im Museum Liaunig arrangierten Installationen gezeigt wird. (Text: Alexandra Grimmer)
Als Kontrastprogramm zur zeitgenössischen Kunst verstehen sich die Präsentationen dekorierter Gläser von der Renaissance bis zum Biedermeier und seltener Portraitminiaturen aus der Zeit von 1590 bis 1890 sowie die Sammlung afrikanischer Glasperlenkunst.

Ausstellung: Afrikanische Glasperlenkunst
Nach der künstlerisch und ethnologisch einzigartigen Schau Das Gold der Akan wird 2023 die zweite, nicht weniger faszinierende afrikanische Sammlung der Familie Launig als Kontrapunkt zur zeitgenössischen Kunst in einer Neuaufstellung präsentiert: Glasperlenkunst aus der jüngeren, bis in die Gegenwart reichenden Geschichte unterschiedlicher ethnischer Gruppen aus West- und Zentralafrika. Die rund 300 Exponate – reich mit Perlen geschmückte, zeremoniell genutzte Objekte, aber auch alltägliche Gegenstände – stammen vor allem von dem nigerianischen Volk der Yoruba, den Bamileke und Bamum aus Kamerun sowie dem in der Demokratischen Republik Kongo beheimateten Volk der Kuba. Schmuck, Kopfbedeckungen, Kleidung, Masken und Figuren mit Glasperlenbesatz geben Einblick in ihre Lebenswelten und Traditionen und zeigen eine noch wenig erforschte Facette afrikanischer Kunst. Die optisch aufgrund ihrer Vielfarbigkeit und Farbbrillanz eindrucksvollen Glasperlenarbeiten werden bis heute oft unterschätzt und sind in ethnographischen Sammlungen wenig beachtet. Aus westlicher Sicht wurden Glasperlen oft nur als billiger Ersatz für echte Perlen und Edelsteine wahrgenommen. Darüber hinaus wurden die aus europäischen Glasperlen hergestellten Arbeiten als nicht originär afrikanisch angesehen. Seit Beginn des kolonialen Handels durch Portugiesen und Niederländer wurden Glasperlen, aber auch Metalle wie Kupfer, gegen Sklaven und Elfenbein eingetauscht und dienten in weiterer Folge auch als Zahlungsmittel. Anfangs wurden nur wenige Perlen zur Verzierung von Kleidung und Körper verwendet, später – infolge der Entwertung von Glasperlen – boten sich neue Möglichkeiten in dekorativen und künstlerischen Bereichen: Um 1900 wurden flächendeckende, auch aufwendige Muster entwickelt. Die Völker, die Perlen benutzen, sehen in ihnen aber nicht nur den rein materiellen, sondern einen vielfältigen ideellen und symbolischen Wert. Die Farben und Formen der Glasperlen verraten viel über ihr Alter, ihre Herkunft und ihre Verwendung an unterschiedlichen Objekten in den jeweiligen Kulturen und unterstreichen so ihre Bedeutung hinsichtlich Repräsentation, Religion, Mystik.
Die vorliegende, relativ junge, in rund 15 Jahren aufgebaute Sammlung Afrikanische Glasperlenkunst wurde von Michael Oehrl wissenschaftlich aufgearbeitet und in dem umfassenden und reich illustrierten Sammlungskatalog, mit Beiträgen von Bettina von Lintig und Peter Liaunig im Katalogteil, publiziert. Das Studium von Primärquellen und Originalobjekten in Museumsdepots ersetzte die oft fehlende Fachliteratur zur Verwendung von Glasperlen in der afrikanischen Kunst.
Ausstellung: Gläser von 1500 bis 1850
Von den inzwischen rund 300 Gläsern der Sammlung Liaunig wird in dieser zweiten Sammlungspräsentation eine repräsentative Auswahl von 120 zwischen dem Anfang des 16. Jahrhunderts bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts entstandenen Stücken gezeigt, die einen Einblick in die Geschichte der europäischen Glaskunst von den Anfängen in Venedig um 1500 bis zu den Meistern der Gravur der Biedermeierzeit geben. Anhand der gezeigten Exponate aus den unterschiedlichen Epochen lassen sich die vielfältigen und innovativen Bearbeitungs- und Dekorationstechniken erfassen, die berühmte aber auch unbekannte Meister im Laufe der Epochen entwickelt haben, um das Material Glas zu gestalten. Venedig als Wiege der mitteleuropäischen Glaskunst ist nicht nur für seine hauchdünnen, farblosen Glasgefäße bekannt, die zu jener Zeit genauso kostbar wie Gold und Edelsteine waren, sondern auch für die vielen verschiedenen Dekorationsarten, die bis heute nichts von ihrer Faszination eingebüßt haben. Der Glanz der Renaissance lässt sich am besten durch die Tazza aus dem Service der Medicischen Päpste darstellen.

Herrscher wie Ferdinand von Tirol mussten den Dogen von Venedig um zeitweilige Überlassung der berühmten Glasmacher bitten, da diese mehr oder weniger in Murano festsaßen. Die Haller Glashütte war die zeitlich früheste und langlebigste nördlich der Alpen, die farbloses Glas nach venezianischem Vorbild herstellte. Sie war auch die einzige, die mit deutschen Glasmachern arbeitete und nicht unter der Unverlässlichkeit der angeworbenen Italiener zu leiden hatte. Hier sind die großen in der Sammlung vertretenen Einzelstücke aus Venedig und Hall zu nennen. Während man diese feinen Gläser nur bemalen oder mit dem Diamanten ritzen konnte, haben findige Alchemisten des 17. Jahrhunderts den Glasfluss so verändert, dass man ein hartes, dickeres Glas für die Gravur mit dem Kupferrad erzeugen konnte, das vor allem nördlich der Alpen seinen Siegeszug antrat. Mit der Scheibe von Caspar Lehmann, der als Erfinder des Glasschnitts gilt, ist eine Inkunabel der Glaskunst im Sammlungsbestand, die 20 Jahre lang als Leihgabe im British Museum in London war. Doch das war es nicht allein, auch die technischen Verbesserungen in Form von wasserbetriebenen Schleifmühlen zum Beispiel erleichterte nicht nur die Arbeit der Graveure der Hochschnittpokale in Schlesien wesentlich. Diese äußerst mühseligen Arbeiten des Friedrich Winter in Schlesien zählen neben den Bergkristallarbeiten jener Zeit zu den begehrtesten Objekten.
Zu den Höhepunkten in der Ausstellung gehören neben den oben genannten der Deckelpokal mit Bärenhatz von Heinrich Schwanhardt sowie die Arbeiten von Johann Heinrich Balthasar Sang und Franz Gondelach, dem Meister der dreidimensionalen Darstellung. Auch der Deckelpokal mit Tabakskollegium, die Flasche mit Kalligraphie- Inschrift von Willem Jakobsz van Heemskerk sowie die diamantpunktierten Gläser von Frans Greenwood sind eindrucksvolle Zeugnisse großer Kunstfertigkeit. Der marmorierte Potsdamer Pokal wird im Kontext mit dem Alchemisten und Glaskünstler Johann Kunckel genannt, der durch seine bahnbrechende Publikation „Ars Vitraria Experimentalis oder vollkommene Glasmacher-Kunst“ und die große Erfindung des Goldrubinglases die europäische Glaskunst nachhaltig beeinflusste. Eine weitere Attraktion ist ein Pokal mit Kreuzabnahme von dem bedeutendsten Graveur unter den Meistern der Biedermeierzeit, dem Glasschneider Dominik Biemann. Abgerundet wird die Sammlung Liaunig durch die Gläser von Gottlob Mohn und Anton Kothgasser mit ihren in transparent gemalten Ansichten, die die Zeit des Biedermeier und den Wiener Kongress heraufbeschwören, der eine Neuordnung in Europa versuchte.
Ausstellung: Portraitminiaturen vom 17. bis ins 19. Jahrhundert
Portraitminiaturen sind, wie es der Name vermuten lässt, handgemalte Portraits kleinster und allerkleinster Größenordnung, von einer Höhe zwischen weniger als einem Zentimeter bis zu etwa zwanzig/fünfundzwanzig Zentimetern, oder manchmal auch größer. Sie erfüllten seit Mitte des 16. Jahrhunderts bis zur Zeit der Erfindung und Verbreitung der Photographie Mitte des 19. Jahrhunderts genau deren Aufgabe, nämlich das möglichst ähnliche Bildnis eines geliebten Wesens bei sich tragen zu können, oder auch sich eine Idee vom Äußeren einer Person zu machen, die man noch nicht kennt aber wohl kennenlernen wird (falls das Aussehen auf Grund der Abbildung schon einmal zusagt). So war bis ins 19. Jahrhundert, weit vor der Zeit des Internet-Datings, der Austausch von Portraitminiaturen die einzige Möglichkeit, vor den meistens arrangierten Heiraten zu überprüfen, wie sich die Brautleute, die sich oftmals nie gesehen hatten, auch gefielen (was schließlich und endlich sekundär war).

Bei den heutzutage wieder so aktuellen Trennungen von Menschen, die sich nahestanden, vor allem von Paaren und Familienmitgliedern, dienten Portraitminiaturen als Platzhalter für die abwesenden Personen, wie noch heute das Foto im Geldbeutel oder das Selfie auf dem iPhone. Dadurch spielten Miniaturen vor allem zu Krisen- und Kriegszeiten eine bedeutende Rolle. So fällt auf, dass die Miniaturensammlung Liaunig besonders viele Bildnisse aus der politisch wirren Periode des englischen Bürgerkrieges zur Zeit Oliver Cromwells Mitte des 17. Jahrhunderts enthält, ebenso wie zahlreiche Portraits aus den Jahren der französischen Revolution und der darauffolgenden Napoleonischen Kriege, zwischen 1790 und 1815. Von den inzwischen weit über 300 Miniaturen der Sammlung Liaunig wird in dieser zweiten Ausstellung eine repräsentative Auswahl von über 120 zwischen dem Anfang des 17. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts entstandenen Stücken gezeigt, von denen die schönsten 100 Exponate in einem fast 400 Seiten starken Katalog anlässlich der Erstpräsentation 2020 wissenschaftlich publiziert wurden.
Miniaturen sind meist in der sehr lichtempfindlichen Aquarelltechnik gemalt und werden somit von den wenigsten Museen öffentlich ausgestellt. Den Interessenten werden dort einzelne Stücke nur auf Anfrage in den Studiensälen vorgelegt, wie es zum Beispiel im Louvre und in der Albertina der Fall ist. Dank modernster Museumstechnik ist das Museum Liaunig derzeit eines der wenigen Museen der Welt, und das einzige in Österreich, in dem eine so große Anzahl bedeutender Miniaturen dem interessierten Publikum öffentlich zugänglich gemacht wird. Die ersten Pultvitrinen der Ausstellung enthalten englische Werke des 17. Jahrhunderts aus der Regierungszeit der Stuarts. Die bis zu über vier Jahrhunderte alten Aquarellminiaturen werden dem Besucher unter nur sehr gedämpften Licht- verhältnissen präsentiert, um diese seltenen Schätze auch für zukünftige Besucher- generationen zu erhalten. Das nur 5 Zentimeter hohe Bildnis einer jungen Frau mit deutlich sichtbarer Warze ist das früheste und auch wertvollste Exponat im ganzen Miniaturensaal. Es stammt von der Hand des berühmten Isaac Oliver (um 1565–1617), Hofmaler der jungfräulichen Königin Elisabeth I. und deren Nachfolgers König Jakob I., Sohn der unglückseligen Maria Stuart. Zu den Lieblingskünstlern der Familie Liaunig zählt Samuel Cooper (1608/1609–1672), Hofminiaturist des Königs Karl I., der das grausame Schicksal seiner Oma unter der Axt des Henkers teilen sollte. Samuel Cooper arbeitete eifrig, ohne jegliche Scheu oder Gewissensbisse für den, der für den Tod seines früheren Dienstherrn verantwortlich war: Oliver Cromwell. Als nach dem Cromwellschen Terror Karls Sohn den Thron bestieg, wurde Cooper sofort wieder zum königlichen Hofmaler ernannt. Von den zahlreichen Cooper-Miniaturen der Sammlung Liaunig sind dieses Mal gleich sechs in den Vitrinen zu finden.
Besonders reich ist die Sammlung Liaunig an attraktiven Miniaturen des 18. Jahrhunderts aus Italien, Frankreich, Großbritannien, Russland und Skandinavien. Dem Deutschen Heinrich Friedrich Füger (1751–1818), Hofminiaturist unter den Kaisern Joseph II. und Leopold II., ist eine Extra-Vitrine gewidmet. Doch Österreichs erfolgreichster Miniaturmaler aller Zeiten war zweifelsohne Moritz Michael Daffinger (1790–1849). Allen Österreichern der Prä-Euro-Generation ist Daffinger ein Begriff, denn ein Kupferstich nach einer dem Museum Liaunig gehörenden Miniatur diente als Vorlage für den letzten 20-Schilling-Schein. Seine sieben nun hier erstmals ausgestellten, besonders schönen Werke gehören zu den Highlights des Miniaturensaals im Museum Liaunig. Den Abschluss bilden, auch chronologisch, Miniaturen und Aquarelle der Schüler, Nachfolger und Zeitgenossen Daffingers, darunter zwei seltene Miniaturportraits des berühmten Ferdinand Georg Waldmüller. (Text: Bodo Hofstetter)
Dauer der Ausstellungssaison: 27. April bis 31. Oktober 2025
Öffnungszeiten: Mittwoch bis Sonntag, 10 bis 18 Uhr
Adresse und Kontakt:
Museum Liaunig
9155 Neuhaus, Neuhaus 41
www.museumliaunig.at