Wien Kunst

Eine Zuflucht für Gefühle

Mariya Vasilyeva, in Kiew geboren und zwischen Deutschland und der Ukraine aufgewachsen, entdeckte während ihrer isolierten Jugendzeit die Fotografie als wichtiges Ventil. Heute entwickelt sie aus Videocollagen raumgreifende Video-Installationen mit Live-Performances. Charakteristisch für ihre Arbeiten ist der Einsatz ihres eigenen Körpers, um Machtdynamiken, Körperlichkeit und Verletzlichkeit zu thematisieren.

Mit welchen Themen beschäftigst du dich? Verändern sie sich oft?
Nein, sie bleiben meist relativ gleich: Macht und Machtmissbrauch, Körper und Sexualität. 

Wie fühlst du dich, während du deine Arbeiten produzierst?
Wenn ich Glück habe, komme ich in einen Flow, aber das passiert selten. Im Flow fühle ich mich mächtig, weil ich etwas Neues oder Unerwartetes erschaffe. Oft werde ich auch gefragt, wie es sich anfühlt, sich selbst die ganze Zeit zu filmen oder sogar nackt zu filmen. Mittlerweile bin ich abgestumpft, was meinen Körper angeht. Für mich ist er einfach ein Objekt, ein Instrument, eine Leinwand. Nicht einmal bei Schmerz- oder Ausdaueraktionen fühle ich meinen Körper. In diesen Momenten transzendiere ich und baue eine besondere, emotionale Verbindung zu meinem Publikum auf.

Denkst du manchmal darüber nach, andere Darsteller:innen für deine Arbeiten zu verwenden?
Absolut, aber meine ethischen Prinzipien erlauben das nicht. Solche schlimmen Sachen, wie ich sie künstlerisch meinem Körper antue, kann ich anderen nicht antun.

Mariya Vasilyeva. Foto: Daniel Lichterwaldt

Wie gehst du mit Kommentaren zu deiner Kunst um?
Ich liebe sie. Vor einiger Zeit habe ich eine provokante Videocollage über den Krieg in der Ukraine gemacht, in der ich nackt auf einem toten russischen Soldaten liege und wir verbrannt werden. Das Bild aus dem Video wurde in einem bekannten ukrainischen Kunstmagazin geteilt. Es polarisierte extrem. Einige fanden die Arbeit super, andere hassten sie. Für mich ist es wichtig, dass Kunst starke Emotionen auslöst, sowohl positive als auch negative. Solche Reaktionen sind für mich ein Zeichen eines gelungenen Kunstwerks.

Wie siehst du deine Rolle in der Welt der Kunst?
Meine Kunst bietet eine Oase für intensive, schmerzvolle Gefühle, die im Alltag oft keinen Raum finden. Sie soll Menschen zeigen, dass sie mit ihren Erfahrungen nicht allein sind und emotionale Zuflucht bieten. In einer Welt, die auf Social Media oft nur die positiven Momente zeigt, möchte ich durch meine Kunst tiefere, echte Emotionen ansprechen und teilen.

Mariya Vasilyeva – www.mariyavasilyeva.com, www.instagram.com/mariyavasilyeva_official/


Dieser Interview ist Teil der Sonderausgabe »PRIX«, die für die PARALLEL VIENNA 2024 produziert wurde. Link zur Sonderausgabe