Sie ist Autodidaktin im besten Sinne, ungeformt von äußeren Formalismen und Konventionen, frei in ihrer Wahrnehmung und expressiv in ihrem kreativen Antrieb.
Was bedeutet die Fotografie für dich? Was die Malerei?
In meiner Arbeitsweise stellt die Fotografie einen wichtigen Bezug zur Realität dar. Licht, Schatten und Farbe, die ich in meiner Kamera einfange, sind wohl auch immer eine Interpretation, eine Variante der Realität. Das Endprodukt kommt aber allemal der Wahrheit am nächsten, zeigt sie zumindest in ihrem architektonischen Gerüst. Eine Fotografie bildet etwas existentes ab – sie interpretiert es zwar auf ihre Weise, aber das fokussierte Objekt ist bereits da, es wird nur geformt. Die Fotografie ist für mich auch ein viel mehr technisiertes und mechanisiertes Medium und lebt auch sehr stark davon, was man „Versuchen und Verwerfen“ nennen könnte.
Die Malerei hingegen ist pures Schaffen aus dem augenscheinlichen Nichts. Sie ist Geburt, sie ist Konzeption, sie ist der erste Pinselzug, der der weißen Leinwand auf magische Weise Leben einhaucht. Die Malerei ist nicht Abbild der Realität, sie ist vielmehr ein Werden einer neuen Realität.
Mit einer Kamera vor einem Motiv zu stehen oder die leere Leinwand vor sich zu haben sind im Grunde zwei völlig unterschiedliche existenzielle Zustände. Umso spannender empfinde ich die Synthese dieser zwei Welten zu einem gemeinsamen Werk, weil man verblüfft sehen muss, welche ungeahnten sich gegenseitig befruchtenden Symbiosen da entstehen. Das fertige Kunstwerk aber wird und soll im Auge des Betrachters immer eine Einheit darstellen, in der die geformte Realität der Fotografie und die schöpferische Kreation des Malers so ineinander verwoben sind, dass deren Grenzen vollständig verschwimmen.
Welc Themen behandelst du in deinen Arbeiten und warum?
So wie sich im Leben immer neue Türen öffnen und ich mich in einem stetigen Wandel befinde, ich mich heute da und morgen vielleicht ganz wo anders finde, so ändern sich meine Themen ständig. Alles was ich bewusst oder unbewusst wahrnehme, fließt am Ende in meine Arbeiten ein. Programmatische Erklärungen oder beengende Titelgebungen versuche ich zu vermeiden, da sie der freien Perzeption und eigenständigen Interpretation der Betrachtenden hinderlich sind. In der Serie „Faces of Egon“ stelle ich zum Beispiel ein mögliches Zusammenspiel in der Divergenz von Alt und Neu, Fremd und Eigen, altes, neues und persönliches Verständnis auf die Bühne. Meine neue Serie „Matrix.Mother.Medium“ folgt den Eigenschaften des Wassers, dessen Fähigkeit der Absorption und Reflexion, als Korrelat zu ähnlichen Fähigkeiten in unseren Gefühls- und Kommunikationswelten Geltung finden.
Am Ende des Tages, so zeigt auch ein Rückblick, scheint die Veränderung in allen Dimensionen, jener Zug zu sein, der mich auszeichnet und die Grundlage meiner weiteren künstlerischen Entwicklung sein wird.
Wie drückst du deine Emotionen aus?
In einer Welt der Konventionen, der political correctness, der Schilder und Masken, des Gutmenschentums, der allgemeinen Vernunft und aller anderer Utensilien, womit wir unsere Emotionen bis zur Unkenntlichkeit bearbeiten, dient mir die Kunst auch als ein Mittel zum Zweck. Im künstlerischen Schaffen darf ich alles. Ich kann meine Verletzlichkeit entblößen, darf weinen, darf schreien, kann dominante Positionen einnehmen, darf Aggression ausleben, darf schlicht sein, wer ich bin, ohne gesellschaftliche Ächtung befürchten zu müssen. Wirkliche emotionale Freiheit findet sich wohl nur in der Kunst.
Welche Aufgaben hat die Kunst?
Vielleicht kann ich die Worte eines anderen hier rezitieren, weil es mir scheint, dass sie uns ein gutes Stück weit dem Wesen und der Bedeutung der Kunst näher führen: „Die Kunst repräsentiert den einen extremen Auswuchs der menschlichen Existenz, der, weil so abgehoben, abstrakt und unerklärlich, eher einer mystisch-religiösen Offenbarung nahe kommt, an der man sich wunderbar festhalten kann, wenn die Banalität des Lebens einen sonst zu überwältigen droht. Man kann sie wahrnehmen, sie bestaunen, sich ihr hingeben, dass sie das ewige Gewimmel unseres Geistes betäube, dass sie uns Trost spende, dass sie uns beflügeln und in ferne Orte tragen möge, dass sie uns den Geschmack der Ewigkeit zumindest für einen kurzen Augenblicke empfinden lassen möge.“
Was hast du in den letzten 6 Wochen gemacht? Und worauf freust du dich?
Ich habe an neuen Ideen gearbeitet, an kommenden Projekten gefeilt und meinen Fokus auf den Schaffensprozess gelegt. Da ich es gewohnt bin, stets alleine zu arbeiten, bringt die derzeitige Situation keine drastischen Veränderungen mit sich. Ein Umdenken, was die Nutzung und Integration von digitalen Medien in der Kunstwelt angeht, hat viele Künstler in den letzten Wochen zu kreativen Höchstleistungen bewegt und verdient meine volle Unterstützung. Dennoch bin ich der Ansicht, dass gerade bildnerische Kunst nur voll und ganz konsumiert werden kann, wenn man schlicht davorsteht. Deswegen freue ich mich auf die Öffnung der Galerien, auf kommende Live-Ausstellungen und den Austausch mit Künstlerkolleg*innen. Und ich freue mich auch wieder aufs Tanzen, ist der Tanz ähnlich wie die Kunst für mich eine Möglichkeit des expressiven Ausdrucks und in meinem Leben ein wertvoller Bestandteil.
Marie Theres Madani – www.marietheresmadani.com