Was möchtest Du mit Kunst ausdrücken?
Mich interessiert vor allem das Portrait. Dabei geht es mir weniger um das Abbild einer bestimmten Person, als um die Berührung des Wesens durch die Abbildung. Das kann auch ein Objekt sein, wie etwa die Oberfläche einer Wurstpelle aus Kunststoff. Also das vom Menschen-Gemachte steht meistens im Mittelpunkt bei mir. Wie wir zum Beispiel Rollen kreieren, um jeden Tag eine Art Theaterstück zu inszenieren, ganz egal, ob es unsere Geschlechter-Rolle oder unsere Rolle, einer uns zugeordneten Klasse, sozialem Milieu oder Bildungsschicht ist. Meine Bilder denken darüber nach, wo und wann die Rollen, unserer Vorstellungen vom Leben, unseren Wünschen eigentlich ins Infantil-Groteske abrutschen und uns selbst der Lächerlichkeit preisgeben oder sogar zur Monstrosität geraten, wenn es zum Beispiel um ein bestimmtes Bild von Schönheit, Sexualität und ihrem Wert geht.
Wann nehmen wir unsere vorgefertigte Rolle ein? Wie wird sie uns vorgelebt und vorgegeben? Wie funktioniert die damit konstruierte Kommunikation zwischen Menschen? Die Gedanken dazu und vorläufigen Antworten auf diese Fragen treiben mich immer wieder zum Malen.
Welchen Regeln folgt Dein Stil?
Während meines Studiums in Wien habe ich mich viel und intensiv mit Barockmalerei auseinandergesetzt – vor Gemälden wie z. B. denen von Artemisia Gentileschi, Peter Paul Rubens und Rembrandt Harmenszoon van Rijn gezeichnet und im Atelier malerisch paraphrasiert. Das Verständnis der Barockmalerei über Räumlichkeit, die allein die Farbperspektive erzeugt, ist viel weniger begreifbar als bei der errechenbaren Zentralperspektive und unterscheidet sich damit grundsätzlich von der Renaissancemalerei. Bilder von Antoine Watteau sind ein gutes Beispiel, um zu demonstrieren was ich meine: Die Qualitäten weicher sanfter Übergänge, in denen sich die Figuren unbemerkt von ihrer Umgebung abgrenzen, habe ich erforscht und entwickelt. Vorzugsweise verwende ich Acrylfarbe und gehe damit stark verdünnt auf ungrundierte, ebenfalls stark von Wasser durchtränkte Leinwand. Während dieses Moments mache ich mir die sehr stark saugende Qualität des Stoffes zunutze und lege dünn, Schicht um Schicht auf und erreiche damit sehr weiche ineinander übergehende Flächen und erzeuge somit Farbtiefen, die sehr ungewöhnlich sind für diese, eher als dekorativ bekannte Farbe. Das braucht sehr viel Geduld. Oft komme ich erst nach Wochen oder Monaten zum Schluss und male mehrere Bilder gleichzeitig.
Wer oder was hat Dich beeinflusst? Was inspiriert dich?
Das ist eine Frage, über die ich echt oft nachdenke. Woher das alles kommt und was genau dahintersteckt, weiß ich nicht wirklich. Bauschutt fasziniert mich. Ich kann an keinen Containern, die z. B. an Abrissgebäuden rumstehen, vorbeigehen, um Stahlwollreste oder ähnliches zu bewundern und dann abzuwägen, ob es das wert ist, das Atelier damit voll zumüllen. Unzählige Frauenmagazine und Modeblogs – ein Gesamtphänomen der Abgründigkeit, fasziniert mich immer wieder.
Was ist dein persönliches Ziel als Künstler?
Das Leben als Künstlerin ist geprägt vom Prozess. Man beobachtet sich und die Veränderungen im Leben, der eigenen Person, dem Inneren auf eine merkwürdige Art. Dieses Prozesshafte, bedeutet auch, nie fertig zu werden. Das auszuhalten empfinde ich sowohl als schön und zugleich als schrecklich. Gern würde ich am Ende sagen können: War doch ziemlich lässig insgesamt. Und ansonsten wünsche ich mir das, wovon Künstler*innen nie genug haben können – das was alle Künstler*innen wollen: Erfolg auf der ganzen Linie, Anerkennung, Diskurse mitgestalten, Sichtbarkeit… etc.
Hast du Vorbilder?
Ganz viele. Und die wechseln auch ständig in ihrer Rangfolge. Daneben gibt es viele beeindruckende Künstler*innen und Theoretiker*innen, denen ich Inspiration und Erkenntnis zu verdanken habe. Meret Oppenheimers, Otto Dix´s und John Currin´s Arbeiten zum Beispiel, sind mir von ihrer Erscheinung sehr vertraut. Es sind aber auch Positionen, die eine eher ungegenständliche Kunst repräsentieren, wie zum Beispiel Bridget Righley, und Agnes Martin. Ihnen habe ich vor allem gern zugehört, bzw. ihre schriftlichen Hinterlassenschaften, Zitate oder Anekdoten gelesen und dabei viel über mich selbst erfahren. Wirklich herausragend sind für mich momentan Ashley Hans Scheirl und Jakob Lena Knebl. Beinah alles, was die beiden im Duo und einzeln kommunizieren wirkt konsistent, klug, komisch und gerät zu einer geistig-eruptiven Trash-Edel-Cuisine, da kann ich kaum genug davon bekommen.
Hast du eine typische Angewohnheit?
Irgendwann habe ich mir angewöhnt, immer dann das Atelier zu verlassen, wenn ich ein richtig gutes Gefühl bei einer Arbeit habe.
An welchen Projekten arbeitest du aktuell?
2019 gründete ich mit Kunsthistorikerin Maren Marzilger hier in Dresden einen Ableger des internationalen Netzwerkes SALOON. Der SALOON wurde in Berlin von Tina Sauerländer, KunsthistorikerIn für weibliche Künstler*innen, Galerist*innen, Kurator*innen ins Leben gerufen und existiert mittlerweile in Berlin, Hamburg, London, Brüssel, Prag, Tel Aviv, Wien, Paris, Barcelona und seit 2019 auch in Dresden.
Wiener(*In) 2019 Acryl auf Leinwand 75 x 65 cm Portray of Fashion No. 6 2019 Acryl auf Leinwand 95 x 70 cm
2020 wurde das Boardteam des SALOON Dresden mit dem Beitritt von Nina Fischäss, Kunsthistorikerin komplett. Für Oktober 2021 bereiten wir die Ausstellung Panoptical Play in der Galerie 3 der DRESDNER SEZESSION 89 e.V. vor. Ausserdem urperformten eine Kollegin, Petra Gell und ich auf Einladung von einer anderen Kollegin, Micha Wille in ihrem Studio zu der VIENNA ART WEEK 2019 während der Open Studio Days eine Kooperation, die uns beide total begeistert. Im Moment planen wir einen zweiten Slot dafür.
Ursula Susanne Buchart – www.ursulabuchart.de