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Wien Kunst

Kunstwelten. Stephanie Guse

Wir brauchen eigentlich gar nicht so viel – darüber setzen sich Künstler*Innen gerade auch aktuell zur Corona Krise auseinander – und damit beschäftigt sich Stephanie Guse schon seit Jahren: altmeisterliche Gemäldekunst mit Alltagsgegenständen fotografisch nachzuahmen. Guse schöpft für ihre inszenierte Fotografie aus ihrem „Trash-Archiv”, das sich aus Verpackungen wie Gemüsenetzen, Pralinenschachteln, Papiertaschen oder Konsumabfall wie kaputte Luftballons oder Luftschlangen zusammensetzt.

„Willhaben / Wanna Have” heißt die Serie, die sich zum Einen auf das Habenwollen der begehrten Kunstwerke bezieht, als auch auf das verwendete Material der alltäglichen Konsumpraxis. „Stephanie Guse bietet Kunst quasi als Ersatz für Konsum an”, befindet die Wiener Malerin Franziska Maderthaner und erinnert an den Genuss durch Kunst – um nicht Konsum zu sagen! Zu Beginn portraitierte Guse sich selbst als Kaiserin Sissi, die Malerin Paula Modersohn-Becker oder Gustav Klimts „goldene Adele”. Mit der Zeit ging sie dazu über Familienmitglieder, KünstlerkollegInnen und KunstsammlerInnen nach diesem Prinzip darzustellen. So entstanden beispielsweise drei Portraits für das Kunsthotel Artlodge in Kärnten.

stephanie guse interview

Seit 2017 nehmen in diesem Zusammenhang auch Portraits von Wiener SchauspielerInnen einen besonderen Platz in dieser Serie ein.

Seit 2017 nehmen in diesem Zusammenhang auch Portraits von Wiener SchauspielerInnen einen besonderen Platz in dieser Serie ein. Die mittlerweile 93-jährige Erni Mangold posierte für eine Fotoinszenierung nach einem Hauptwerk von Gustav Klimt: „Nuda Veritas” (1899), die nackte Wahrheit. Für Stephanie Guse ist die eigensinnige und schonungslos ehrliche Schauspielerin die ideale Verkörperung dieser Figur, die nackt dem Betrachter den Spiegel vorhält und deren Lebensphilosophie des im Bild verewigten Schillerzitats entspricht: „Kannst du nicht allen gefallen durch deine Tat und dein Kunstwerk, mach‘ es wenigen recht; vielen gefallen ist schlimm.“

Die Materialwahl für dieses Motiv ist ebenfalls eine Reminiszenz an die Darstellerin, indem die Haut der Figur sich aus Zeitungsseiten zusammensetzt. Kulturteil und Fernsehprogramm finden sich hier in Anspielung auf Mangolds Beruf als auch der Sportteil, der ihrer Tennis- und Fußballbegeisterung Tribut zollt. Der Schauspieler Claudius von Stolzmann, der dem Ensemble des Theaters der Josefstadt in Wien angehört, steht Modell für eine Inszenierung als Wiener Maler Kolomann Moser in einem Selbstportrait von 1916. Die Ausstattung bezieht sich auch hier auf die Persönlichkeit des Darstellers: ein Terminkalender als Bild für den strukturierten Alltag zwischen Proben und Auftritten, Post von der deutschen Botschaft als Hinweis auf seine Nationalität und die Plastiktasche einer Outdoormarke deutet auf Stolzmanns sportliche Aktivität hin.

Für Stephanie Guse, die an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig und der Städelschule in Frankfurt am Main Design und Freie Kunst, sowie Kunstphilosophie an der Wiener Hochschule für Angewandte Kunst studierte, geht es tatsächlich um Aneignung – das Habenwollen. Die Aura des Meisterwerkes und die Blicke der Portraitierten durch die Jahrhunderte ins Jetzt zu holen, sie zu besitzen und mit ihnen zu leben, ist ihr Ziel. Ihre Kunst ist ihre subversive Methode der Besitznahme und feiert Altmeisterliches gleichermaßen wie Trash-Appeal und das Schräge und Versponnene.

Einen Überblick über Stephanie Guses Werk findet man in ihrer Kunstpublikation in der limitierten Auflage von 500 Stück.

Stephanie Guse