Wann warst du das erste Mal in Kontakt mit der Kunst?
Das ist gar nicht so einfach festzumachen. Eigentlich schon als Kind. Mein Kinderzimmer glich mehr einem Atelier und einer Bastelwerkstätte und das Stiegenhaus tapezierte ich mit Buntstiftzeichnungen, was man durchaus auch als erste ‚Ausstellung‘ betrachten kann. Ich fing in der Jugend an, mich mehr und mehr auf theoretischer Ebene mit Kunst auseinanderzusetzen, sammelte Kataloge, las Biografien von KünstlerInnen die mich interessierten und klapperte mit Freunden Ausstellungsräume ab, um anschließend über Fragen wie „Was ist Kunst“ und „die Farbe schwarz“ zu philosophieren. Mit 17 Jahren mietete ich mich in einem Gemeinschaftsatelier in der Zirkusgasse in Wien ein. Der Austausch mit drei Künstlerinnen aus den Medienbereichen Film, Skulptur und Malerei sowie das erste Mal einen eigenen Arbeitsplatz zu haben, war damals für mich sehr bereichernd.
Wer prägt dich als Künstlerin?
In erster Linie die Natur. Ohne sie könnte ich wahrscheinlich nicht malen, weshalb ich derzeit auch die ländliche Gegend der Stadt vorziehe. Was nicht heißt, dass ich mich nicht für Ausstellungen, Vorlesungen etc. regelmäßig in die Stadt begebe. Neben der Natur prägen mich viele Dichter und Poeten wie Rilke, Villon, Hölderlin und auch Freunde von mir, die schreiben. Gedichte schaffen Bilder in mir, die ich dann malen möchte, auch wenn manchmal nur Gedanken daran später unbewusst in die künstlerische Arbeit mit einfließen. Man könnte sagen, ich bin auf der Suche nach einer Poesie der Malerei. Hin und wieder schreibe ich auch selbst ein Gedicht, würde mich allerdings deshalb nicht als Dichterin bezeichnen. Gerade beschäftigt mich Per KIRKEBY und Peter DOIG von allen zeitgenössischen Malern am meisten. Per KIRKEBY deswegen, weil er, wie die Natur selbst, in Schichten und mit so einem wilden Gestus arbeitete, als würde er einen Fels bearbeiten. Trotz der Wildheit und dem ’natürlichen Chaos‘ haben seine Gemälde Struktur. Die Bilder von Peter DOIG schaue ich mir so gerne an, weil es wie zu träumen ist und ich wirklich ‚eintauche‘ in viele gemalte Szenen, die ja oft durch Filme oder Zeitschriften inspiriert sind.
In erster Linie die Natur. Ohne sie könnte ich wahrscheinlich nicht malen, weshalb ich derzeit auch die ländliche Gegend der Stadt vorziehe.
Hütte im Wald -190*160 Unter den Mangobäumen, oil on canvas, 60x 60 cm, 2019.
Hast du ein Ritual bevor du anfängst zu arbeiten?
Rituale werden bei mir nicht zur Routine und wechseln abhängig von Ort und Motiv. Derzeit bin ich ja am meisten mit dem Zyklus einer – sich im Laufe des Jahres wandelnden – Blutbuche vor meinem Atelier beschäftigt. Wenn ich in Räumen male, öffne ich zuerst das Fenster, denn ich brauche den Bezug zum ‚Außen‘. Auch wenn es schneit und kalt ist, male ich. Dann eben mit Winterjacke und Skihose. Ich sitze also oft erst auf der Fensterbank, beobachte die Wetterlage und die Lichtstimmung, wie der Wind durch die Äste bläst und wie die Wolken vorbei ziehen, beobachte Vögel und vieles mehr. Ich mache dass so lange, bis ich ganz ‚leer‘ werde, erst dann kann ich zu malen beginnen.
Was ist schlecht daran „Impressionistin im 21ten Jahrhundert“ zu sein?
Ich würde nicht sagen, dass da was ’schlecht‘ daran ist. Wir leben einfach in einer sehr schnelllebigen Zeit, was nicht unbedingt die Sinneswahrnehmung schärft. Wenn ich spazieren gehe, dann mit sehr langsamen Schritten, und wenn ich ein Platzerl finde, wo es mir gut gefällt, dann verweile ich dort oft bis in die Nacht hinein und beobachte einfach nur, während ich auf einem Stück Holz kaue, meine Zehen in die Erde grabe oder Schnee esse. Dafür lasse ich viele andere Aktivitäten aus. Ich schaue mir selten Filme an und gehe so gut wie gar nicht aus. Man könnte sagen, ich reduziere mich auf das für mich Wesentliche, das Malen und meine Verbindung zur Natur. Ich würde mich auch nicht als Impressionistin bezeichnen, entstehen doch viele meiner Werke aus meinem Inneren heraus oder geben Träume wieder. Auf jeden Fall aber haben viele meiner Bilder impressionistischen Charakter.
Man könnte sagen, ich reduziere mich auf das für mich Wesentliche, das Malen und meine Verbindung zur Natur.
mona seidl interview mona seidl interview
Die Blutbuche. Was verbindet dich damit?
Der Zyklus der Blutbuche ist eigentlich ein ‚inneres‘ Selbstporträts, denn ich durchlaufe mit ihr den Wandel der Jahreszeiten. Jetzt, im Winter, sieht man an ihrem ‚Skelett‘ erst richtig, wie sie wirklich gewachsen ist. Im welkenden Herbst ist mir erst klar geworden, dass das, was ich im Sommer als einen Baum wahrgenommene habe, eigentlich zwei eng nebeneinander gewachsene Blutbuchen sind, was für das Bild an sich natürlich vollkommen egal ist, weil es mir nicht um die bloße Abbildung der Blutbuche geht.
Hast du schon Pläne für 2021?
Ja, die Blutbuche im Winter fertig zu malen – ich hoffe, es schneit dieser Tage noch einmal ordentlich – und dann im Frühjahr folgt das letzte Bild der Serie. Den vollendeten Zyklus zeige ich neben anderen Werken dann bei der Eröffnung meiner Ausstellung am 28ten August in der Galerie Gut Gasteil am Semmering. Ich habe eigentlich immer so viele Motive im Kopf, dass es an Inspiration wirklich nicht fehlt. Das kommt vielleicht von den vielen Erlebnissen in der Natur. Ich möchte aber wieder öfters einfach drauf los malen – ohne Vorstellung im Kopf – und mich weiter in die Abstraktion trauen.Mal schauen, was im Prozess entsteht und wohin es geht. Neben dem Malen schreibe ich gerade zu den Tuschfederzeichnungen, die im Winter vor einem Jahr im Zuge meiner Afrikareise in Tansania entstanden sind, woraus ein Kunstbuch entstehen soll, welches, wenn alles klappt, im April in Linz präsentiert werden soll.
Mona Seidl – www.monaseidl.at