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Wien Kunst

Interview mit Sigmund Hutter

Sigmund Hutter studierte an der Akademie der Bildenden Künste in Wien. Nach zwei Jahren in der Klasse für Gegenständliche Malerei wechselte er in die Grafikklasse, wo er 2024 sein Studium bei Prof. Christian Schwarzwald abschloss.
Ausschnitt: Oida, 2023, Acryl auf MDF Platte
Ausschnitt: Oida, 2023, Acryl auf MDF Platte

Sigmund arbeitet mit vielfältigen Techniken und Medien. Zunächst lag sein Schwerpunkt auf Malerei und Zeichnung, später erweiterte er sein Repertoire um Airbrush, Punch Needle, 3D-Stift, Nassfilzen und Tufting. In den letzten Jahren hat er sich intensiv mit Kunststoffen auseinandergesetzt. Seit 2022 spielen Collagen aus Verpackungen eine wichtige Rolle in seiner künstlerischen Arbeit. Inspiriert vom Sammeln bunter Verpackungsmaterialien von Süßigkeiten, Snacks und anderen in Plastik verpackten Produkten, zerlegt er diese in ihre Einzelteile: Maskottchen, Slogans, Logos und Texte werden getrennt und dienen als Material für seine Kunst. Aus den bunten Verpackungsdesigns entstehen neue Collagen und Objekte. Die einzelnen Plastikfolien verschweißt er mit einem Bügeleisen, wodurch größere Folien mit gegenständlichen und abstrakten Kompositionen entstehen.

Im Juni 2024 hast du die Akademie der bildenden Künste Wien abgeschlossen. Wie fühlst du dich jetzt? Wie war dein Sommer?
Mein Sommer war sehr angenehm. Nach intensiver Arbeit an meinem Diplomprojekt war es schön, eine kleine Auszeit zu genießen. Ich habe meinen Mann in den USA besucht, und wir waren dort gemeinsam campen. Wieder zurück in Wien habe ich die verbleibende Zeit im Gemeinschaftsatelier am Schillerplatz genutzt, um Arbeiten für meine kommenden Ausstellungen fertigzustellen. Ich bin froh, nach acht Jahren mein Studium abgeschlossen zu haben und einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen. Gleichzeitig gibt es aber auch neue Herausforderungen, wie die Suche nach einem Atelier und die Frage, wie es ohne die „Komfortzone“ der Kunstuniversität weitergeht.

studio
Studio Sigmund Hutter

Welche Techniken oder Materialien hast du während deines Studiums am meisten verwendet? Warum?
Zu Beginn meines Studiums wollte ich hauptsächlich malen und verschiedene Techniken aus der Druckgrafik und Malerei erlernen. Mit der Zeit hat mir das Malen jedoch nicht mehr gereicht, und ich begann, mit neuen Ideen und Techniken sowie ganz unterschiedlichen Materialien zu arbeiten. Ich habe Collagen aus „Kippbild“-Folien erstellt, textile Stickbilder, Filzarbeiten und Teppiche angefertigt. In letzter Zeit liegt der Schwerpunkt hauptsächlich auf Kunststoff. Ich arbeite manchmal mit PLA, dem Material, das die meisten 3D-Drucker verwenden, und seit etwas mehr als zwei Jahren stehen Werke aus Plastikverpackungen im Vordergrund.

Hallo Filzmäuse
Hallo Filzmäuse, 2024

Hast du ein wiederkehrendes Motiv in deinen Arbeiten?
Ich finde wiederkehrende Motive spannend. Ein wiederkehrendes Motiv ist der „Goldbär“ eines großen Fruchtgummi-Herstellers, den ich in meinen Arbeiten thematisiere. Neben Collagen mit den „originalen“ Bären gibt es auch Teppiche, Filzarbeiten, mehrere Skulpturen und Zeichnungen, die den Bären als Motiv zeigen. Ein großes Thema, mit dem ich mich seit einiger Zeit beschäftige, ist die Kreuzfahrt, weshalb Kreuzfahrtschiffe immer wieder in meinen Arbeiten auftauchen. Außerdem mag ich es, ähnliche oder identische Motive in verschiedenen Techniken umzusetzen und zu kombinieren. So ist zum Beispiel auf einem Kreuzfahrtschiff-Gemälde ein kleiner Bär versteckt, und es gibt neben textilen Arbeiten auch eine Collage aus Plastikfolien, die ein Kreuzfahrtschiff zeigt, auf dem verschiedene Charaktere von Verpackungen als Passagiere zu sehen sind.

Diplomarbeit „Garten der Yummy Snacks“
Diplomarbeit „Garten der Yummy Snacks“, Juli 2024

Kannst du mir mehr über deine Diplomarbeit „Garten der Yummy Snacks“ erzählen? Wie bist du auf dieses Thema gekommen?
Im Alltag fällt bei uns allen viel Müll an, vor allem Verpackungsmaterial aus Plastik von unterschiedlichsten Produkten. Ich esse gerne Süßigkeiten und Snacks, die oft mit bunten, ausgefallenen Designs und Werbemaskottchen beworben werden. Das Ansammeln und Ausschneiden dieser Materialien hat mich irgendwann dazu inspiriert, Collagen daraus zu machen. In meiner Diplomarbeit spiele ich mit unserem Blick auf Kunst, Design sowie ikonische Bilder aus der Popkultur und Kunstgeschichte in verschiedenen Kontexten. Das Hauptwerk der Ausstellung ist eine neue Version des berühmten Gemäldes „Der Garten der Lüste“ von Hieronymus Bosch. Das Triptychon ist wie ein Altar aufgebaut und besteht aus zusammengeschweißten Plastikfolien und Füllwatte und ist mit mehreren Schichten stark glänzendem Epoxidharz überzogen. Durch die „Füllung“ wirkt das Triptychon wie aufgeblasen und quillt aus dem Holzrahmen hervor. Auf den drei Paneelen sind das Paradies, der Garten der Lüste und die Hölle abgebildet. Daneben war auf dem Boden eine Installation aus „Yummy Snacks“ mit insgesamt 24 verschiedenen Verpackungen fiktiver Produkte sowie neu kombinierten Logos und Slogans.

Wie reflektiert diese Arbeit deine künstlerischen Interessen?
Gleich mehrere Aspekte: Zum einen ist das Werk von Hieronymus Bosch für mich ein bedeutender und spannender Teil der Kunstgeschichte. Zum anderen thematisiert es Konsum, Abfall und die Ästhetik von Verpackungen. Technisch war es für mich interessant, diese neue Collagetechnik mit Plastikfolien zu entwickeln und zu verfeinern.

Diplomarbeit „Garten der Yummy Snacks“, Juli 2024
Diplomarbeit „Garten der Yummy Snacks“, Juli 2024

Welche Reaktionen hast du auf deine Diplomarbeit erhalten?
Sehr spannend! Besonders interessant fand ich die unterschiedlichen Assoziationen der Besucher:innen. Viele erkannten sofort die kunsthistorische Referenz und den Altar, während andere eher Bezug zu den Comic-Charakteren und Maskottchen nahmen, die sie oft seit ihrer Kindheit kennen und mit Erinnerungen verbinden.

Bei den „Yummy Snacks“ dachten einige Besucher zunächst, es handele sich um echte Packungen, die als Ausgangsmaterial für das große Triptychon dienen. Bei näherer Betrachtung wurde ihnen jedoch klar, dass es sich um collagierte Kunstobjekte und nicht um einfache Ready-made-Objekte handelt.

Salzstangen Wandertag, 2023
Salzstangen Wandertag, 2023

Was ist dein Lieblingssnack?
Das ist wirklich schwer zu sagen, da ich, wie man an meinen Arbeiten erkennen kann, gerne verschiedene Snacks und Süßigkeiten probiere. Bei salzigen Snacks würde ich mich für Soletti entscheiden. Ansonsten bin ich ein Fan von Haribo in all seinen Variationen.

An welchen Projekten arbeitest du derzeit und hast du bereits konkrete Pläne für die Zukunft?Ich arbeite nach wie vor an neuen Collagen und deren Präsentation. Seit Oktober teile ich mir mit drei Kolleg:innen (Bugra Ates, Moritz Mizrahi und Janinka Kell) ein Atelierprojekt namens Filzmäuse, in dem wir in den nächsten drei Monaten kollektiv mit textilen Techniken, hauptsächlich Filz und Tufting, arbeiten, um unsere Werke in einer Pop-Up-Ausstellung in einer Galerie in Wien zu präsentieren. Außerdem freue ich mich sehr auf meine erste Artist-in-Residence im Herbst 2025 in der Künstlerstadt Gmünd in Kärnten.

Sigmund Hutter – www.instagram.com/sighund_mutter/