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Ebensee Kunst

Interview mit Petra Kodym

Petra Kodym setzt sich in ihren Arbeiten mit menschlichen Ängsten, Wünschen und Sehnsüchten auseinander, die den Kirchen, der Werbe- und Pharmaindustrie, aber auch politischen Mächten eine starke Basis für Manipulation bieten.
Portrait, Petra_Kodym, Foto: Anette Friedel
Portrait, Petra_Kodym, Foto: Anette Friedel

In ihren Arbeiten verbindet sie oft Texte und Bilder aus Massenmedien und führt den Betrachter in eine irritierende Welt, in der nichts so ist, wie es scheint und alles hinterfragt werden muss. Dabei entbehrt es ihr nicht an Humor, der als einzige Rettung erscheint, um mit den Gegebenheiten fertig zu werden und den steten Manipulationsversuchen standzuhalten.

Portrait, Petra_Kodym, Foto: Anette Friedel
Portrait, Petra_Kodym, Foto: Anette Friedel

Was inspiriert deine Arbeit?
Es ist oft banal Erscheinendes oder Populärkulturelles, weil viel Absurdität und Ironie in Banalitäten stecken und sie gleichzeitig und scheinbar unabsichtlich den Zustand einer Gesellschaft zeigen und auch wie Manipulation funktioniert, das interessiert mich. Ich beobachte intensiv und interessiere mich für gesellschaftliche und individuelle Zustände und werde oft durch kleine visuelle Zufallsfunde inspiriert, durch ein Wort oder einen Satz. Wie viel Absurdität und Abgrund im Menschen stecken ist ja kaum zu fassen und darin liegt meine unerschöpfliche Inspirationsquelle.

Humor gehört bei mir genauso zur Inspiration, beziehungsweise ist er ein Ausdruckselement, weil es für mich keine intelligentere Art gibt, mit dem Leben und dem, was man als Künstlerin oder Künstler erkennt, umzugehen.

Kannst du uns etwas über den kreativen Prozess erzählen?
Wenn ein Thema da ist, oder manchmal auch nur ein kleiner Hinweis auf ein Thema, starte ich oft mit einem Element und spinne dann immer weiter, recherchiere und füge immer neue Bedeutungsebenen hinzuzufügen, bis etwas da ist, das es so eigentlich nicht gibt und das ist ja das spannende an Kunst. Das ist eine Variante meiner unterschiedlichen kreativen Prozesse. Manchmal kommt eine Arbeit aber auch fix und fertig aus meinem Hirn, weil ich vielleicht etwas beobachtet oder erkannt habe. Ich arbeite mit unterschiedlichen Ausdrucksformen, also zeichnerisch und malerisch, aber auch dreidimensional, mit Text(en), fotografisch oder performativ. Da schränke ich mich in den Möglichkeiten nicht ein und den kreativen Prozess passe ich entsprechend an.

Petra Kodym, Kluger Kopf, 2019 (c) Bildrecht
Petra Kodym, Kluger Kopf, 2019, (c) Bildrecht

Was motiviert Dich als Künstlerin?
Es gibt einen Drang eine eigene Welt zu schaffen, vielleicht weil es in der realen Welt kaum auszuhalten ist ohne Kunst. Eine Motivation ist sicher auch so eine Art trotzige Verweigerung, Kunst als Verweigerung vor Erwartungen, Normen und die Verweigerung die verrückte Realität zu akzeptieren. Wenn man sich durch die Kunst der Realität entzieht, schafft man Distanz und die macht wiederum einen schärferen Blick auf die Realität möglich. Eine Motivation ist aber sicher auch, dass mir die Kunst die Möglichkeit schafft Kind zu sein, mit der Erfahrung einer Erwachsenen. Das Spielen, Ausschalten des Normalen, Realitätsflucht- das sind ja all die kindlichen Praktiken, die so viel Erstaunliches sichtbar machen können.

Soll Kunst politisch oder aktivistisch sein?
Kunst soll alles sein, weil Kunst alles kann. Meine Kunst ist sicher politisch, aber eher nicht aktivistisch. Es liegt selbstverständlich auch an den unterschiedlichen Persönlichkeiten von Künstlerinnen wie sie arbeiten. Nicht jeder ist sehr extrovertiert, es gibt auch stille Künstler*innen, die kritische Kunst machen. Kunst soll laut und leise sein, politisch und aktivistisch, sowohl als auch. An der Entwicklung der letzten Jahre finde ich gerade diese Diversität in künstlerischen Ausdrucksformen spannend, wobei mich nicht alles interessiert was dabei herauskommt. (Künstlerische) Monokultur ist unerträglich.

Petra_Kodym mit Maske³, 2015, (c) Bildrecht_Foto: Anette Friedel
Petra Kodym mit Maske³, 2015, (c) Bildrecht, Foto: Anette Friedel

Wie sieht dein Alltag aus?
Zum Glück immer ein wenig anders. Der beste Alltag ist Atelieralltag, das heißt den ganzen Tag künstlerisch produktiv sein zu können. Dann gehe oder radle ich vormittags zur Alten Weberei, wo wir unsere Ateliers gemietet haben und der Weg zur Arbeit ist schon inspirierend, wenn mich von weitem diese wunderschöne Industriearchitektur anlockt. Im Atelier angekommen- zuerst Musik auf die Ohren und eintauchen in die andere Welt. Da ich aber auch sonst noch im Kunst- und Kulturbereich engagiert bin, kann der Alltag auch vor dem Rechner stattfinden, bei Konzeptarbeit, beim Organisieren, bei Meetings und Diskussionen, in der Heimatstadt Wien, auf Reisen oder unterwegs für Ausstellungen.

Du lebst in der Marktgemeinde Ebensee am Traunsee. Wie entwickelt sich dort die Kunstszene?
Von einer Kunstszene kann man nicht sprechen. In Ebensee selbst gibt es ein paar Künstlerinnen und zusammen mit drei geliebtem Kolleginnen, zwei amerikanischen Künstlerinnen, Donna E. Price und Heidi Zednik, und Ferdinand Reisenbichler, habe ich in einer ehemaligen Weberei eine größere Fläche gemietet, wo wir unsere Ateliers haben und auch Ausstellungen und andere Veranstaltungen machen. Es gibt ein paar Kunst- und Kulturvereine, die regional agieren und organisieren. Als zeitgenössische Künstlerin muss man sich aber eindeutig auch nach außen orientieren. Eine Kunstszene kann sich nur entwickeln, wo es ein Mindestmaß an Interesse für zeitgenössische Kunst gibt, einen Boden. Zum Kunst produzieren ist die Provinz für mich optimal, weil es ganz wenig Ablenkung gibt. Meine Kunst muss ich aber anderswo präsentieren, wenn ich Resonanz bekommen möchte, dafür ist die geografische Lage gar nicht so schlecht.

Petra Kodym, Alles hat seinen Preis, 2019, (c) Bildrecht
Petra Kodym, Alles hat seinen Preis, 2019, (c) Bildrecht

Was braucht es, um eine starke Szene zu schaffen?
Geld für Kulturarbeit und einen Grund, warum sich Künstler*innen und vor allem auch an zeitgenössischer Kunst Interessierte also unser Publikum hier aufhalten sollen. „Wunderschöne Landschaft“ reicht dafür nicht. In den letzten Jahren habe ich, mit einigen anderen engagierten Menschen, viel daran gearbeitet, darüber nachgedacht, recherchiert und geschrieben – herausgekommen ist dabei z.B. der Titel Kulturhauptstadt Europas 2024. Da gibt es Konzepte und Programme nachzulesen, die erklären was es braucht, um eine Szene zu schaffen. Im ländlichen Raum ist es schwierig, wenn man dafür kein Geld in die Hand nehmen möchte.

Woran arbeitest du gerade?
An der Fortsetzung der Bild-Serie „Kreaturen“ und an einer Gruppe von Objekten aus Papiermaché. Außerdem arbeite ich am Programm eines experimentellen Kunstsalon Formats – Salon Rocky, das interdisziplinäre Projekte in unkonventionellem Rahmen präsentiert und im November mit dem Hard Salon startet. Gemeinsam mit Heidi Zednik, Hannah Maria Wimmer, NicoNote und Natalia Weiss arbeite ich an einem großen partizipativen Multimedia-Performance Projekt.

Petra Kodym – www.petrakodym.com, www.instagram.com/petrakodym/