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Wien Kunst

Interview mit Kathi Sylvest

Kathi Sylvest wurde 2001 in Tirol geboren, jetzt lebt und arbeitet sie seit 2020 in Wien. In Tirol schloss sie eine HTL für Malerei ab und begann daraufhin als Theatermalerin in Wien zu arbeiten. Jetzt schafft sie ihre Kunst in einem Gemeinschafts-Atelier in Floridsdorf am Schlingermarkt. Hauptsächlich beschäftigt sie sich gerade malerisch, aber sie ist keinem Medium abgeneigt.
kathi sylvest
Kathi Sylvest, pink altar, Foto: Julian Jankovic

Seit 2021 arbeitest du als Theatermalerin bei Artforart. Inwiefern hat diese Erfahrung Einfluss auf dich und deine Arbeit als Künstlerin?
Von 2020-2022 war ich bei ArtforArt tätig als Theatermalerin. Diese Zeit an der Oper/ Theater war sehr prägend für meine Arbeit. Im Theater werden bei dem Erzählen einer Geschichte viele Sinne auf einmal beeinflusst. In meinen Arbeiten ist es mir wichtig, Geschichten zu erzählen. Meistens erzähle ich in meinen Bildern, Objekten etc. persönliche Erlebnisse. Diese übergroßen und übertriebenen Darstellungen finden sich in meinen Arbeiten auch wieder. Ich stelle mein Leben auf eine gestellte selbstproduzierte Weise dar. Ich spiele gern mit meiner Realität. Es ist für mich ein Zusammenspiel aus meinen Wahrnehmungen und der äußerlichen oder virtuellen Realität. Je weiter ich diese Verwirrung in meinen Arbeiten treiben kann, desto besser.

Ina & Teemu, 2023, Acryl auf Leinwand, 80x80cm
Ina & Teemu, 2023, Acryl auf Leinwand, 80x80cm

Wie beeinflussen deine persönlichen Erfahrungen im Bereich Sexualität und Sexualisierung deine Kunst?
Ich bin eine weibliche, queere Künstlerin. Da ich viel mit persönlichen Themen arbeite, spielen Sexualität und Sexualisierung in meiner Kunst eine große Rolle. Ich will nicht schockieren, ich will nur normalisieren und sichtbar machen. Da Themen wie weibliche Masturbation, Geschlechtsteile, Sexualität (bzw. einfach alles was in die Kategorie »weiblich« fällt), immer noch sehr Tabu sind, nutze ich meine großteils negativen Erfahrungen um zu zeigen was normal ist. Es sollte nicht schockieren, es soll mich nur zeigen. Eine weibliche Sichtweise. Ich bearbeite jede Art von Erfahrung und da gehören sexuelle dazu. Ich würde nicht sagen, dass ich Sexualität anders als andere Themen in meiner Kunst behandle. Da ich eine Frau bin, lösen diese Arbeiten oft Schock aus und ich werde weiterhin meine Sexualität und sexuellen Erfahrungen so ehrlich wie mir möglich zu zeigen, bis es nicht mehr schockiert.

Wie entstehen deine Arbeiten?
Ich weiß nicht genau wie meine Ideen entstehen, aber ich weiß, sobald ich etwas in meinem Kopf vor mir sehe, muss es realisieren. Manchmal bearbeite ich konkrete Themen oder Situationen. Oft sehe ich plötzlich Bilder vor mir, welche ich dann in einer sich für mich anbietenden Technik verwirkliche. Wenn ich spüre, dass akut was raus muss, dann zeichne ich. Für mich ist Zeichnen der direkteste Weg, Dinge festzuhalten. Bei meinen Malereien gehe ich alles etwas geplanter an. Die Ideen sind zwar sehr spontan, aber die Ausführung ist sehr geplant. Meine Vorlagen erstelle ich meist digital und drucke sie aus, mache sie zu Collagen. Scanne sie dann wieder ein oder was auch immer nötig ist. Als Ausgang für die Vorlagen verwende ich meine Fotografien. Ich spiele gerne in meinen Malereien mit Kontrasten, wie digitaler und handwerklicher Arbeit. Meine Malereien lege ich sehr klassisch an, mit Skizze, Untermalung… Manchmal reicht mir ein Bild nicht aus, dann drehe ich ein Video.

Welche Medien benutzt du?
Ich verwende alle Medien, welche mir zur Verfügung stehen. Die längste Beziehung führe ich mit dem Zeichnen, da ich damit auch begonnen habe. Ich zeichne, seit ich denken kann. Zeichnen war für mich auch immer schon mein Lieblingsweg zu kommunizieren. Irgendwann kam dann der Punkt, wo sich das Zeichnen in Animationen auch verwandelte. Die Malerei ist für mich ein Schritt, der natürlich nach dem Zeichnen kommt. Wie eine Erweiterung. Die Fotografie ist mir auch wichtig, da ich gerne von meinen ausgehe. Da meine Arbeiten stark feministisch geprägt sind, verwende ich gerne Techniken, welche in das weibliche Klischee fallen. Stoff, Nähen, Häkeln, Sticken… verwende ich bewusst, um mit diesem Klischee zu spielen. Ich habe bis jetzt jedes Medium lieben gelernt und bin immer offen neue kennenzulernen.

Ich finde die Serie „Brudi“ spannend aufgrund der Stimmung, die durch die Bilder vermittelt wird. Könntest du mir bitte weitere Einzelheiten zu dieser Serie erläutern?
Die Serie Brudi ist sehr persönlich. Es geht mir nicht gut, wenn ich sie ansehe. Auf den Bildern bin ich und mein ältestes Kuscheltier zu sehen. (Eigentlich von meinem Bruder). Es handelt von Nähe und Abstand in Beziehungen. Über Distanzierung und Tod. Über Illusion und Verlust. Mein Vater hat diesen kleinen Hund gefunden und mir und meinem Bruder gute Nacht Geschichten mit ihm erfunden. Ich liebte an diesem Kuscheltier, wie es Traum und Realität verschwimmen ließ. Ich habe es immer noch bei mir aber meinen Vater nicht mehr und ich frage mich wie meine Beziehung zu diesem Kuscheltier jetzt ist. Diese Bilder probieren das festzuhalten und ich frage mich, ob die Stimmung des Bildes nicht nur mir unangenehm ist.

selbstportrait
Selbstportrait, 2022, Grau 8/9, Bleistift auf Papier, A4

Was ist dir persönlich wichtig?
Mir ist Veränderung wichtig. In mir, in meiner Kunst und in meinem Umfeld. Es strengt zwar oft an, sich die Weiterentwicklung als ständiges Ziel zu setzen. Aber es fühlt sich sinnvoll an. Mir ist es wichtig, meine Sichtweisen zu hinterfragen und neue zu finden. Dabei hilft mir die Kunst. In der Kunst bin ich mutig und traue mich in unbekannte Felder. Deshalb ist sie mir so wichtig. Sie fordert mich zwar heraus, aber sie hilft mir nicht stehen zu bleiben.

Kathi Sylvest – www.katharinasylvest.com, www.instagram.com/kathisylvest/