Beschreibe dich und deine Arbeiten in ein bis zwei Sätzen.
Beobachter der Dinge, die sich nicht zu verändern scheinen. Das Unscheinbare in eine Sprache des Ungewöhnlichen zu übersetzen.
Welche Problematiken versuchst du in deinen Werken zu thematisieren?
Auch wenn die Liste schier endlos erscheint, sind die Kernaspekte, die ich in meinen Arbeiten thematisieren, Digitalisierung, BigData, der menschliche Einfluss auf die Natur, Globalisierung, Postkolonialismus und Extraktivismus.
Du hast deine Kindheit in Deutschland und Ecuador verbracht. Wie haben diese kulturellen Unterschiede dein künstlerisches Schaffen beeinflusst?
Nach einer frühen Kindheit im Schwarzwald war diese neue Welt atemberaubend und der große Kontrast zwischen beiden Kulturen hat mich nachhaltig geprägt. Eine ganz neue Sprache, die Farbenvielfalt des Alltäglichen, die Lautstärke der Straße, die Verkäufer in mitten von Abgaswolken von oft selbst zusammengeschusterten Autos, bei denen ich mich noch immer frage, wie sie überhaupt fahren. Auch die Armut ist allgegenwärtig und steht in starkem Kontrast zu der reichen Schicht, die sich in einer scheinbaren Parallelwelt von exklusiven Shoppingmalls und abgeriegelten Urbanisationen bewegt. Überall sind die Spuren der Kolonialzeit sichtbar und gehen in postkoloniale Praktiken über. Als Europäer ist man Außenseiter, Beobachter, immer fühlt man sich willkommen, aber man bleibt isoliert in einem kleinen Kreis. Ich habe früh angefangen, diese Muster und Kontraste in Form von Fotografie zu verarbeiten und anschließend auch in meiner künstlerischen Arbeit zu thematisieren. Immer wieder die eigene Wahrnehmung hinterfragend, mit dem Versuch, die eigene Blase zu verlassen und von außen zu betrachten.
Kannst du uns erklären, wie deine Arbeit „Mirage“ entstanden ist? Von der Idee bis zur Umsetzung.
Die ersten Entwürfe zu Mirage entstanden 2016 nach einer Einladung zu einer Artist in Residenz in Lunz am See in Österreich. Ich hatte zuvor einige Arbeiten vollendet (hidden noise, above us) in denen ich mit Licht als zentralem Medium gearbeitet hatte. Erste Ideen, auf dem Wasser zu arbeiten, waren kurz zuvor für China geplant gewesen, die ich auf dem Yanze in Chongqing umsetzen wollte. Dies war aus Genehmigungsgründen nicht möglich, und so war der See in Lunz die erste Möglichkeit. Dieser im südwestlichen Niederösterreich gelegene See ist ein Naturschutzgebiet und mit großen Herausforderungen verbunden. Das Arbeiten in geschützten Naturräumen, hat sich seitdem immer wieder als Entstehungsort meiner Arbeit etabliert. An diesem See sind quadratische Lichtkörper zu sehen, die über dem Wasser zu schweben scheinen. Eine auf einem Boot befestigte LED Stange sendet in programmierten Intervallen Lichtimpulse, die von zwei Kameras mittels Langzeitbelichtung und Video aufgezeichnet werden und anschließend in der Postproduktion miteinander verwoben werden. Die quadratisch abstrakte Form, die über dem Wasser schwebt, steht für mich sinnbildlich für den menschlichen Eingriff. Fremdkörper im Kontrast zum natürlichen Raum, unregelmäßige Formen und Linien. Das Wasser fungiert als verbindendes Element und sorgt für eine symbiotische Verbindung, die über die Spiegelung das Quadrat zu einer neuen Form werden lässt. Die Abwesenheit der Natur in der Stadt, in unseren quadratischen, klinisch gereinigten Räumen erweckt den Eindruck, als wären diese Welten voneinander getrennt. Doch ist dies trügerische Bild gerade in der jüngeren Geschichte durch Pandemien oder Naturkatastrophen nicht länger aufrechtzuhalten. Bei jedem Lichtquadrat, das auf der Oberfläche des Wassers steht, entsteht ein unvorhersehbares Ergebnis. Die Arbeit Mirage wurde und wird auf verschiedenen Seen, Flüssen und auch Meeren weiterentwickelt.
In deinen Werken werden Technologie und Natur vereint. Was möchtest du hier bei den Betrachter:innen auslösen?
In dieser Gegenüberstellung frage ich immer wieder aufs Neue, ob und wie diese Koexistenz überhaupt funktionieren kann, oder ob diese wenigen Maßnahmen, die umgesetzt werden, um die Natur zu schützen, überhaupt ausreichen, um von einer Zukunft zu sprechen, sei es für uns oder für die Natur. Ich möchte Fragen aufwerfen und dem Betrachter die Frage stellen: Ist eine technologisierte Welt mit einer gleichzeitig intakten Umwelt möglich? Ich selber habe keine Lösungen oder Antworten auf diese Frage und versuche mich stets selbst neu zu verorten zwischen einer humanistischen und posthumanistischen Sicht.
Du zeigst in deinen Arbeiten verschiedenste Arten von Gewässern. Welche Bedeutung hat das Wasser in deinen Werken bzw. für dich?
Das Wasser fungiert in meinen Arbeiten immer wieder als eine Art Spiegelbild und wird ein verbindendes Element zwischen dem, was ich als menschlichen Eingriff in die Natur definiere und dem, was dadurch ausgelöst wird. Das Spiegelbild als eine sich immer veränderte Oberfläche, die niemals konstant bleibt. Das Wasser ist im Grunde das wesentliche Element, welches das Leben auf dem Planeten überhaupt ermöglicht und somit natürlich auch von großer Relevanz für uns Menschen. Gerade in Hinblick auf Ressourcen ist es eine der großen Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte. In der Arbeit Mirage beispielsweise dient die sich immer verändernde Spiegelung der Wasseroberfläche als visuelle Metapher zwischen Mensch und Natur.
In welchem Teil der Erde fühlst du dich am wohlsten und warum?
Ich fühle mich wohl an Orten, an denen die Natur noch eine gewisse Art von Vollkommenheit (intakt) hat, das kann im nördlichsten Finnland genauso sein wie in den Tropen. Trotzdem sehne ich mich immer wieder nach der Stadt und ihrer Bewegung, dem Austausch und den Möglichkeiten, die sie bietet.
Was machst du, wenn du deine Zeit sinnvoll verbringen möchtest?
Ich sichte und archiviere stundenlang Material, für mich ist das eine Art von Meditation.
Was machen die Worte Konsum und Fortschritt mit dir? Was bedeutet Fortschritt für dich?
Ich bekomme Schüttelfrost. Fortschritt als lineares Denken, wie ich es auch vielfach in meinen Arbeiten thematisiert habe, ist offenkundig ein Irrweg. Ich stelle den Fortschritt dem Kreislauf gegenüber, in dem jedes Wachstum auch einen Verfall bedingt. Meines Erachtens nach lässt sich ausschließlich über den Kreislauf eine nachhaltige und vor allen Dinge langfristige Entwicklung etablieren.
David Osthoff – www.davidosthoff.myportfolio.com