Wie kamst Du zum Theater? Gab es da ein bestimmtes Ereignis?
Ich habe schon immer viel gelesen und eigentlich hat mich die Literatur auch zum Theater geführt. Heiner Müller (Anmerkung der Redaktion: einer der wichtigsten deutschsprachigen Dramatiker der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts) inszenierte damals am Berliner Ensemble Brechts „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“. Für mich stand fest, da muss ich hin. Seit diesem Tag hat mich das Theater nicht mehr losgelassen. Ich habe mir dann die Akademie der Bildenden Künste in Wien zum studieren ausgesucht, weil Erich Wonder, der dort die Professur für Bühnenbild inne hatte, sehr oft mit Heiner Müller zusammenarbeitete.
Du bist Regisseurin und Bühnenbildnerin. Wie erarbeitest Du dir ein Stück?
Wenn ich an einer Opernproduktion arbeite höre ich mir zunächst nur die Musik an, um ein Gefühl für das Werk zu bekommen. Diese ersten Empfindungen sind unheimlich wichtig für die Arbeit an einem Werk und oft gehen sie einem verloren, je intensiver man sich damit beschäftigt. Erst später nehme ich das Libretto dazu und erarbeite mir damit ein Szenario. Somit verschaffe ich mir einen Überblick über die doch meist komplexen Opern. Dann begebe ich mich auf die Suche, versuche herauszufinden, was mich an dem Werk interessiert, was ich erzählen möchte, was mir wichtig ist, den Zuschauer*innen mitzugeben. Zeitgleich recherchiere ich verschiedenstes Bildmaterial, welches ich dann an einer Pinnwand anordne und an dieser Pinnwand setzt sich dann wie bei einem Puzzle die Operninszenierung zusammen.
Du hast zunächst Bühnengestaltung an der Akademie der Bildenden Künste in Wien studiert. Ein paar Jahre später hast Du dich für ein Studium der Musiktheaterregie in Karlsruhe entschieden und arbeitest nun in beiden Métiers. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Es hat mich schon immer sehr interessiert, Regie zu führen, aber mit Anfang 20 wusste ich noch nicht wirklich, was ich zu erzählen habe. Deshalb der Umweg über das Bühnenbild, der richtig für mich war. Dennoch blieb der Drang Regie führen zu wollen auch während meiner Tätigkeit als Bühnenbildnerin bestehen. Ich habe versucht so das Fach zu wechseln, musste aber feststellen, dass ich als regieführende Bühnenbildnerin nicht weiterkommen werde. So habe ich beschlossen das damals neue Masterstudium für Musiktheaterregie in Karlsruhe an der Hochschule für Musik zu absolvieren.
Es hat mich schon immer sehr interessiert, Regie zu führen, aber mit Anfang 20 wusste ich noch nicht wirklich, was ich zu erzählen habe. Deshalb der Umweg über das Bühnenbild, der richtig für mich war.
Was sind die Vor- und Nachtteile, wenn Du die Konzeption von Regie und Bühnenbild übernimmst?
Von Nachteilen kann ich nicht wirklich sprechen, da für mich die Vorteile überwiegen. Sicher ist die Arbeitslast eine doppelte, denn ich mache jetzt die Aufgaben einer Regisseurin und einer Bühnenbildnerin gleichzeitig. Dennoch sehe ich künstlerisch einen großen Vorteil für mich darin, dass ich künstlerisch viel weiter in meinen Konzeptionen zu den Werken komme.
Gibt es bestimmte Themen, die immer wieder in Deiner künstlerischen Arbeit auftauchen? Was inspiriert Dich?
Peter Konwitschny (Anmerkung der Redaktion: renommierter deutscher Opernregisseur) meinte einmal zu mit, dass er es nicht mag, wenn Bühnenbildner*innen Regie führen, weil sie es immer „dekorativ schön“ machen wollen. Nun, das ist ein pauschales Urteil, das auf mich nicht zutrifft. Ich möchte nichts auf die Bühne bringen, dass der bloßen Unterhaltung dient. Mich interessiert es in meinen Inszenierungen Fragen zu stellen, aber auch die Rolle der Frau auf der Bühne in einen anderen Kontext zu stellen. Ein Beispiel hierfür ist meine letzte Operninszenierung „Aida“ von Giuseppe Verdi bei den Tiroler Festspielen in Erl. In dieser Oper sind fast alle Frauen, die auf der Bühne gezeigt werden Sklavinnen. Dazu muss man sich als regieführende Frau an einem Theater wie Erl verhalten und das habe ich auch gemacht, wenngleich es auch ziemlichen Gegenwind gab.
Wenn Du es dir aussuchen könntest, welches Theaterstück oder Oper würdest Du sofort inszenieren? Und warum?
Es gibt viele Stücke mit denen ich mich gerne intensiv auseinandersetzen würde: ein Beispiel ist „Lady Macbeth von Mzensk“ von Dmitri Dmitrijewitsch Schostakowitsch. Letzten Endes ist es in der Opern- und Theaterwelt aber so, dass wir von der Leitung des Hauses mit der Inszenierung eines Stückes beauftragt werden. Und das empfinde ich als Herausforderung, sich mit etwas beschäftigen zu können, daS man vielleicht sich jetzt gerade nicht ausgesucht hätte.
Und das empfinde ich als Herausforderung, sich mit etwas beschäftigen zu können, daS man vielleicht sich jetzt gerade nicht ausgesucht hätte.
Was würdest Du jungen Bühnenbildnerinnen und jungen Regisseurinnen gerne auf den Weg mitgeben?
Leider herrscht an den Theatern nach wie vor ein großes Ungleichgewicht. Untersucht man die Spielpläne genauer, und zählt die Positionen die im Leading Team an Dirigentinnen, Regisseurinnen und Bühnenbildnerinnen gehen, wird man leider feststellen, dass diese Zahl sehr klein ausfällt. Im Verhältnis aber werden sehr viel mehr Frauen in diesen Berufen ausgebildet, die später aber nicht in Erscheinung treten. Das beschreibt die Situation auf die junge Bühnenbildnerinnen und Regisseurinnen treffen und dies gilt es aufzubrechen, indem Missstände deutlicher kommuniziert werden und sich Kolleginnen weniger in Konkurrenzkampf begeben sondern vielmehr miteinander austauschen.
Wie sehen Deine Projekte für die Zukunft aus?
Mein nächstes Projekt ist die Inszenierung sowie das Bühnenbild für das Schauspielstück „Admissions“ von Joshua Harmon – eine deutsche Erstaufführung, welche durch die Black Lives Matter Bewegung noch mehr an Relevanz gewonnen hat. Darauf folgt die zeitgenössische Oper „Babylon“ von Jörg Widmann, wo ich ebenfalls Regie und Bühnenbild übernehme. Beide Stücke finden am Hessischen Staatstheater Wiesbaden Anfang 2021 statt.
Daniela Kerck – ww.danielakerck.com