Wie ist dein Atelier gestaltet und wie gestaltet sich ein typischer Arbeitstag dort? Arbeitest du viel mit anderen zusammen?
Schon immer ist mein Atelier meine Wohnung und umgekehrt, da ich gerne morgens nach dem Aufstehen sofort in die Arbeit einsteige und dafür nicht erst irgendwo hinfahren will. Ich trinke sehr viel Kaffee und habe nicht vor, das zu ändern. Für manche Prozesse, die mit größeren Teams umgesetzt werden, miete ich temporär ein zusätzliches Atelier an, wie z. B. zuletzt für das Engineering eines überdimensionalen Pop-up-Buches für die Performance „Woe and Awe“, die letzten Sommer in der Galerie Sadie Coles H. Q. (London) erstmals gezeigt wurde.
Auch die Proben zusammen mit den Performer:innen und dem sehr bildhauerisch denkenden Musikentwickler Tobias Textor, mit dem dies schon die dritte Kollaboration war, fanden dort statt. Für Kollaborateur:innen richte ich Süßigkeitenteller her, die gleichermaßen ersehnt und verflucht werden.
Wie würdest du deine Arbeit heute beschreiben?
Ich begreife mich beim Entwickeln meiner Installationen und Bühnenstücke als eine Art Marionette, die mit Marionetten spielt.
Es gibt in deiner Arbeit eine Spannweite von Zeichnung und Malerei bis hin zu bühnenbildähnlichen Installationen. Weißt du bereits zu Beginn der Produktion, wie die finale Ausstellung aussehen wird und wie viel Raum bleibt für intuitive Handlungen?
Ich denke in Gesamtbildern. Eine Ausstellung als Ganzes ist für mich das Bild. Die einzelnen Elemente, in die sich dieses Gesamtbild aufgliedert, bespiele ich oft ziemlich spontan mit Sub- und Randerzählungen, die mich amüsieren und von denen ich mir erhoffe, dass sie allem mehr Tiefe verleihen – die aber auch abwegig werden können.
Deine Einzelausstellung im Rahmen des Curated by Festivals 2024 war in Wien bei der Galerie MEYER*KAINER zu sehen. Sie trug den Titel „Strawfires“ und wurde von Eva Birkenstock kuratiert. Erzähl uns mehr darüber und wie die Zusammenarbeit mit der Galerie und Birkenstock für dich war.
In einer solchen Galerie aufzutreten, muss sich zwangsläufig wie ein schelmisches Abenteuer – ein bisschen unverdient – anfühlen, und dadurch nur noch besser. Die Installation mit den drei Guillotinen ist dabei ein komplexes Vorhaben gewesen, das Julian Inic, Direktor der Galerie, elegant zu orchestrieren wusste. Er hat für diese Ausstellung eine wichtige Rolle gespielt. Eva Birkenstock ist eine ausgesprochen facettenreiche, ja fast schon spektrale Persönlichkeit, mit der es nie langweilig wird. Außerdem zeichnet sie aus, dass sie trotz ihrer großen Erfahrung einer allzu routinierten Haltung widersteht und in ihrem Blick auf alles eine Frische bewahrt. Diese Gabe bewirkt, dass man sich durch den Austausch mit ihr ein wenig erneuert fühlt.
Ich fand eine sehr interessante Formulierung im Text zu „Strawfires“ – Objekttheater. Wie verstehst du und wendest du Theaterlogiken in deiner bildenden Kunstpraxis an?
Objekttheater ist eigentlich eher ein theaterwissenschaftlicher Begriff, der sich aber gut auf die bildende Kunst übertragen lässt. Er bezeichnet ein Theater der Dinge – nicht zwingend der Figuren – das von menschlichen Akteur:innen teils aktiviert wird, aber auch autonom funktionieren kann. Für mich kommt es nicht darauf an, dass eine künstlerische Präsentation offensichtlich theatral daherkommt, sondern vielmehr darauf, sie experimentell als Theater zu denken, weil das Leben einhauchen kann.
Wo können wir deine Arbeiten als Nächstes sehen?
In Paris.
Agnes Scherer – www.instagram.com/agnesscherer/