Welche Aufgaben übernimmst du bei deiner Arbeit für das Studio von Brigitte Kowanz?
Der gängige Überbegriff wäre Studio Management – ich finde das aber nur bedingt passend. Interne Koordination, Ausstellungsorganisationen, Kommunikation mit Galerien, Kurator*innen, Sammler*innen oder Produktionsfirmen sind konstante Aufgabenfelder. Darüber hinaus variiert das natürlich je nach Projekt. Von Künstler*innen wie Brigitte wird – auch jenseits der künstlerischen Arbeit – sehr viel verlangt. Die Produktion von Brigittes Arbeiten ist verhältnismäßig aufwendig, wir arbeiten mit Spezialist*innen im In- und Ausland zusammen. Zwischen Brigittes Idee, Konzeption, Entwurf und dem Moment, in dem die fertige Arbeit in einer Galerie, oder einem Museum ausgestellt werden, fallen viele logistische Zwischenschritte an und da gilt es einfach, der Künstlerin so gut es geht Raum für wichtigere Dinge zu schaffen. Das erachte ich als Grundlage für alles Weitere. Neben diesem Gerüst aus administrativen und koordinativen Tätigkeiten ist die zweite – für uns beide zentrale – Stütze unserer Zusammenarbeit der inhaltliche Diskurs miteinander. Diskussionen, Feedback, Textproduktion und kuratorische Assistenz sind weitere Ebenen. Der gegenseitige Austausch ist für uns beide spannend, inspirierend und offensichtlich auch ganz fruchtbar. Studio Management und kuratorische Assistenz fasst das Spektrum also vermutlich nicht schlecht.
Dein erstes Großprojekt war der österreichische Beitrag für die Biennale in Venedig 2017. Was konntest du dort lernen und was hat dich besonders inspiriert?
Die Zeit vor und während der Venedig Biennale war nachhaltig prägend. Im Nachhinein fühlen sich die zwei Jahre, die zwischen Brigittes Nominierung und dem Ausstellungsabbau lagen, immer noch surreal an. Die Biennale von Venedig ist einzigartig und ohne Zweifel eine der international interessantesten und auch bedeutendsten Ausstellungsformate. Wo sonst ist in einer solchen Dichte dermaßen viel heterogene Kunst auf so hohem Niveau ausgestellt? Kaum eine andere Ausstellungsbeteiligung sorgt für so viel Sichtbarkeit, Aufmerksamkeit und Interesse. Gleichzeitig gibt es wohl kaum eine aufwendigere Ausstellung. Die venezianische Infrastruktur ist für solch komplexe und anspruchsvolle Beiträge natürlich denkbar ungünstig. Transport und Aufbau sind eine logistische Herausforderung die (leider oft auch für Künstler*innen) kostspielig ist. Parallel zur Biennale liefen einige Galerien- und Museumsausstellungen – das war also eine sehr intensive Zeit. Die Zeit in Venedig bleibt natürlich unvergesslich. Viele wertvolle Erfahrungen und so anregende Gespräche mit Leuten aus der ganzen Welt begleiten mich seither. Ich bin mir gleichzeitig des Privilegs bewusst, in meinem Alter bereits Teil eines solchen Projektes gewesen zu sein. Ich glaube, Flexibilität. Offenheit und Spontanität sind einfach wichtig – von inspirierenden Gesprächen mit internationalen Kurator*innen bis zur einer improvisierten Bodenreinigungsaktion mit Klebeband, da es unmöglich war, den nicht funktionierenden Staubsauger zu ersetzen war da alles dabei.
Brigitte hat nie versucht, mein Interesse für Kunst zu wecken, ich hätte genauso gut Sportkommentator werden können, das wäre ihr vielleicht sogar lieber gewesen, als der Weg in das Prekariat des Kunstbetriebes.
Wie es, ist bei einer bekannten Künstlerin aufzuwachsen? Inwiefern beeinflusst eure Beziehung den beruflichen Kontext?
Ich war sechs Wochen alt, als ich Brigitte das erste Mal zu einer ihrer Ausstellungen (damals in München) begleitet habe. Später habe ich nach der Schule meine Nachmittage stets im Atelier verbracht. Wenn befreundete Künstler*innen oder Kurator*innen zu Gast waren, habe ich nichts lieber gemacht, als den Gesprächen zu lauschen. Irgendwann habe ich dann damit angefangen, Fragmente dieser Gespräche in anderen Kontexten in die Runde zu werfen und beispielsweise mit fünf Jahren plötzlich Wittgenstein zitiert – natürlich ohne eine Ahnung, was ich da sage. Es ist erstaunlich, wozu Kinder in der Lage sind. Insofern war das Aufwachsen mit Brigitte und ihrer Arbeit natürlich sehr prägend. Ich habe immer gemerkt, dass Leute, die nicht aus der Kunst kamen, sehr interessiert daran waren. Ich glaube aber nicht, dass es zeitgemäß ist, das Leben von Künstler*innen als gesellschaftlich so andersartig zu betrachten. Ich hatte das Glück, dass ich durch das Aufwachsen mit Brigitte und ihrem Umfeld früh ein kritisch-reflektierendes und weltoffenes framework mitbekommen habe. Der soziale Background und etwaige Berufe der Eltern sind dafür aber glücklicherweise kein wesentliches Kriterium. Brigitte hat nie versucht, mein Interesse für Kunst zu wecken, ich hätte genauso gut Sportkommentator werden können, das wäre ihr vielleicht sogar lieber gewesen, als der Weg in das Prekariat des Kunstbetriebes. Freiheit und Autonomie waren jedenfalls immer die prägenden Konstanten und so konnte ich meinen eigenen Weg zur Kunst nehmen.
Mit welchen Herausforderungen bist du aufgrund der Coronakrise konfrontiert?
Im Februar – kurz bevor die erste Coronawelle Europa erreicht hat, wurde im Museum Haus Konstruktiv eine umfassende Show von Brigitte mit dem Titel „Lost under the Surface“ eröffnet und hat sehr viel positive Resonanz erhalten. Deshalb freut es mich besonders, dass das Museum nun wieder öffnen durfte und Sabine Schaschl, die Direktorin des Museums, Brigittes Ausstellung bis in den September verlängert hat. Wir bereiten außerdem gerade Einzelausstellungen in der Galerie Nikolaus Ruzicska in Salzburg im Sommer und in der Galerie Krinzinger in Wien im Herbst vor. Max Goelitz, der Brigittes Arbeit in Deutschland vertritt, entwickelt zudem laufend neue Ausstellungsformate. Insofern geht es uns im Vergleich zu anderen Künstler*innen gut. Die bereits fertiggestellte Installation am Dach des Leopoldmuseums im MQ konnte nicht – wie geplant – im April eröffnet werden, das soll nun im August nachgeholt werden. Ich selbst war schon oben und so viel vorab: das wird einer der schönsten Plätze der Stadt. Eine große Herausforderung für den Kunstbetrieb stellen natürlich die Absagen aller Kunstmessen dar. Neben dem Verkauf sind diese ein wichtiger Ort des Austausches und der Sichtbarkeit. Angeblich soll es ja im September wieder los gehen – ich habe daran noch meine Zweifel. Ich sehe diese erzwungene Veränderung des Systems trotz allem als Chance für den Kunstbetrieb, alte Wertigkeitsmodelle zu überdenken, der inhaltlichen Auseinandersetzung wieder mehr Aufmerksamkeit zu widmen, wieder tiefer in die Materie einzudringen – von dieser oberflächigen Eventkultur hin zu einem neuen inhaltlichen Diskurs innerhalb vielleicht Formate und Kontexte. In welche Richtung sich der Kunstmarkt mittel- und langfristig entwickeln wird, ist aber andere Frage. Ich erachte das Jahr 2020 neben all den Schwierigkeiten, mit denen wir alle konfrontiert sind, als Chance.
Wie etablierst du dich als Kurator abseits deiner Arbeit für das Studio von Brigitte Kowanz?
Vor einigen Monaten hat mich Aram Haus nach sehr inspirierenden Kooperationen eingeladen, Teil des Board of Directors der Wiener ACHSE zu werden. Die Wiener ACHSE ist eine Bewegung, die experimentelle Formate entwickelt. Der Ansatz ist meist interdisziplinär und unkonventionell. Aram und ich arbeiten gerade an einem neuen Buchformat, das die Arbeit ausgewählter Wiener Künstler*innen und das enorme kreative Potential dieser Stadt zeigt. Was die textuelle Ebene des Buches betrifft, entwickeln wir gerade einen neuartigen, experimentellen Ansatz. Das Buch wird im Herbst im ACHSE Verlag erscheinen. Projektbezogen habe ich in den letzten Jahren in verschiedenen Kontexten mit Künstler*Innen und Künstlern unterschiedlichster Generationen arbeiten dürfen. Die von Stefan Bidner geleitete PARALLEL ist beispielsweise für junge in Wien lebende Kurator*innen und Künstler*innen ein außerordentlicher Rahmen, um deren Arbeit und Konzepte zu präsentieren. 2018 und 2019 habe ich dort jeweils Ausstellungskonzepte mit jüngeren Künstler*innen realisiert.
Mit welchen Themen setzt du dich kuratorisch auseinander? Wie sehr beeinflusst dabei dein Kunstgeschichte-Studium deine Arbeit?
Ein Schwerpunkt liegt derzeit auf Medien und Technologie basierten Ansätzen. Die Untersuchung von AI und digitalen Bildwelten, Daten und Information in Kunst und Gesellschaft sind zentrale Fragestellungen. Die Kunstgeschichte ist als Disziplin insofern von höchster Relevanz, als dass sie unterschiedliche (geistes-)wissenschaftliche Ansätze vereint. Für mich waren Medientheorie und Philosophie der Gegenwart jedoch genauso wichtig, wie die Kunstgeschichte und -theorie, die ich für ein essentielles Grundwerkzeug für alle Kurator*innen halte. Ähnlich wie in der Kunst, erscheint es mir jedoch wichtig, diese klassischen Parameter nach ihrem erlenen aufzubrechen, zu nivellieren und zu erneuern.
Welche Stimme auf dem Wiener Kunstmarkt hast du und wie versuchst du sie zu nutzen?
Mir ist es wichtig, ein Transmitter zwischen künstlerischen Ideen und Gesellschaft zu sein. Obwohl die beiden eng verschränkt sind, bedarf es stets Übersetzungs- und Übertragungsvorgängen. In der Auseinandersetzung mit Kunst besteht das Potential eines magischen Moments, der eigene Realitäten, eigenes Denken und Ansichten in Frage stellt und verändert. In unserer beschleunigten Welt verflüchtigt sich dieses produktive Moment leider häufig. Es ist mir ein Anliegen, Rezipient*innen aller Art, seien sie Sammler*innen oder nicht, diesem ästhetischen und intellektuellen Erlebnis näher zu bringen. Ehrlich gesagt gibt es aber unzählige Aspekte und Kategorien, die ich spannender als den Kunstmarkt finde.
Welche Projekte stehen für dich im Moment aus?
Das erwähnte Buch wird in den kommenden Monaten eine große Rolle spielen. Ein kuratorischer Beitrag von mir zu einer Ausstellung in Spanien im Herbst ist coronabedingt leider vorerst verschoben worden. Mit Brigitte arbeite ich gerade an den Ausstellungen bei Krinzinger in Wien und Ruzicska in Salzburg sowie an permanenten Installationen im öffentlichen Raum in Deutschland und in der Schweiz.
Adrian Kowanz – www.kowanz.com