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Leipzig Kunst

Interview. Mirsini Artakianou

Mirsini Artakianou ist auf einem kleinen Fischerdorf der Insel Lesbos in Griechenland aufgewachsen. Mit 19 Jahren hat sie angefangen Bildende Kunst und Kunstwissenschaften an der Universität von Ioannina zu studieren. 2014 zog sie nach Deutschland um an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein zu studieren und absolvierte 2016 ihr Aufbaustudium. Am liebsten wäre sie in Griechenland und Deutschland zuhause - derzeit lebt und arbeitet sie in Leipzig.

Wie und wo inspirierst du dich für neue Ideen?
Architektur, Botanische Gärten, Ausstellungen, Räume, wenn ich etwas auf der Straße sehe, was meine Neugier weckt. Oft sitze ich aber auch stundenlang im Atelier, ohne was zu tun und denke nach wie meine nächste Arbeit sein kann. Die meisten Ideen kommen, wenn ich mich lange Zeit mit einem Thema beschäftige oder mich etwas begeistert hat, zum Beispiel eine besondere Architektur, die mich fasziniert oder eine textile Struktur. Dann taucht etwas in meinem Schlaf auf: Wenn ich im Bett liege, kurz vor dem Aufwachen, in diesem Moment zwischen wachen und schlafen, kommen verschiedene Bilder der Ideen in meinen Kopf. Das ist mein Lieblingsmoment. Ich versuche in diesen Momenten dran zu bleiben, um das Bild stärker werden zu lassen und irgendwie im Traum daran weiter zu arbeiten.

Die Farbe des Fadens, die Aufhängung, was für eine Struktur der Faden haben soll, alles kommt als Bild in meinen Kopf. Wenn ich dann aufwache versuche ich alles sofort zu zeichnen.

Ich bin begeistert. Wie hast du deinen Stil gefunden?
Als ich nach Deutschland zog, um weiter zu studieren, hatte ich zwei Ziele: Soviel wie möglich zu lernen und meinen Stil zu finden. In Griechenland habe ich fast nur zweidimensional gearbeitet und mich eher mit Radierungen beschäftigt. Ich war begeistert von der Kunsthochschule in Halle und die vielfältigen Möglichkeiten dort zu arbeiten, sowie verschiedenste Materialien und Werkstätten zu nutzen. Ich habe in diesen zwei Jahren alle möglichen Werkstätten und Workshops ausprobiert und so viel wie möglich mitgemacht. Als ich an einem Papierschöpf-Kurs teilnahm, eröffnete sich eine total neue Welt. Ich empfand das handgeschöpfte Papier so zart, lebendig und fragil, aber gleichzeitig konnte es auch fest und hart sein. Durch das Gefühl der Zartheit, die ruhige und meditative Arbeit des Papierschöpfens haben ich eine neue Entdeckung gemacht: Materialien spielen eine wichtige Rolle für mich und ihnen muss eine Fragilität und Sensibilität innewohnen. Ruhe und die meditative Art im Arbeitsprozess spielen auch eine große Rolle für mich. Die Entstehung aller meiner Arbeiten dauert sehr lange. Ich nehme mir Zeit für sie und vertiefe mich vollständig, setze meine Kopfhörer auf, höre Musik und konzentriere mich bei jedem Strich, bei jedem Knoten. Die Herstellung von handgeschöpftem Papier hat mir viele Möglichkeiten eröffnet. Es in die drei-dimensionale Form zu bringen, zu prägen, ein Klumpen zu formen, verschiedene Sachen zu integrieren, etc. Ich begann Fäden in das handgeschöpfte Papier zu einzuarbeiten oder eine dreidimensionale Form zu modellieren. Danach habe ich angefangen, das handgeschöpfte Papier zusammenzunähen und immer mehr und mehr Fäden benutzt, sodass man immer weniger Papier gesehen hat. Ja, und dann ging es einfach weiter.

Wie entstehen die Arbeiten? 
Das ist unterschiedlich, je nachdem wie vertraut ich schon mit dem Material und den verschiedenen Techniken bin. Bei der Arbeit mit Keramik bin ich zum Beispiel noch in einer Findungsphase, während ich bei meinen textilen Arbeiten schon eine Art Arbeitsroutine entwickelt habe. Bei ihnen fange ich mit kleinen Fäden-Entwürfen an. Ich dehne kurze Stückchen Faden an der Wand, befestige sie mit Klebeband und versuche durch Knoten und die Kombination verschiedener Fadenlängen die Struktur zu finden welche am besten zu meiner Idee passt. Ich experimentiere mit der Form der Entwürfe, hänge sie in die Luft, drehe die Seiten, schaue wie sich die Hängungen entfalten und ob das Ergebnis in einer größeren Dimension auch interessant aussehen kann. Wenn ich zufrieden bin, beginne ich mit dem großen Format. So wie auch zuvor schon bei den Entwürfen, dehne ich die Fäden meist an der Wand, damit ich sie einfacher knoten kann. Und dann geht es los, Knoten für Knoten. Wenn ich mit diesem Prozess fertig bin, hänge ich die Textilarbeit an eine Vor-Konstruktion, welche ich aus Holzstangen baue und die aus meinen vorherigen Vorstellungen der Installation entsteht. Wenn ich dann mit allem zufrieden bin, beginne ich die Konstruktion aus Messing oder Stahl zu bauen. Dabei hole ich mir Unterstützung von außen. Natürlich passiert es auch oft, dass etwas total anderes als in meiner Vorstellung entsteht. Diesen Prozess, Alternativen zu finden oder andere Möglichkeiten der Hängung zu suchen, finde ich spannend. In diesem Sinne leben meine textilen Arbeiten sehr von dem Kontrast zwischen Prozess und Endresultat: Im Entstehungsprozess schaffe ich sozusagen eine Stabilität der Fäden. Um sie bearbeiten zu können, lenke ich sie sehr zielgerichtet in eine Form. Die Installationen leben dann jedoch von ihrer Leichtigkeit, ihrer Bewegung und Fragilität. 

Wenn ich dann mit allem zufrieden bin, beginne ich die Konstruktion aus Messing oder Stahl zu bauen. Dabei hole ich mir Unterstützung von außen. Natürlich passiert es auch oft, dass etwas total anderes als in meiner Vorstellung entsteht.

Was tust du, wenn du keine Kunst machst?
Ganz ehrlich: Sehr oft sitze ich vor dem Computer und suche nach Open Calls oder schreibe Bewerbungen. Vor den Corona-Einschränkungen (und hoffentlich danach bald wieder) arbeite ich in einer Schule und betreue die Kinder im Fach Kunsterziehung. Und dann finde ich es sehr schön mich mit Freunden zu treffen oder mit ihnen zu telefonieren, Dokumentarfilme zu schauen, Bananenkuchen zu backen, schwimmen zu gehen, und meine Pflanzen zu pflegen.

mirsiniartakianou künstlerin

Woran arbeitest du gerade?
Ich habe diesen Winter ganz schön viele neue Textilarbeiten geknotet, aber noch nicht die Messing- Konstruktionen für sie gebaut. Ich bin jetzt gerade dabei, diese zu bauen und die Installationen danach auch zu fotografieren. Aktuell fertige ich eine Textilarbeit an, die „Oinone“ heißt. Sie besteht aus einem dunkelblau-grauen Faden und die Knoten sehen aus wie Tropfen oder Tränen. Diese soll auf zwei Sockeln und eine Konstruktion aus Messing aufgehängt werden und frei im Raum stehen. Da meine Textilarbeiten bisher immer von der Decke hingen, ist es eine Herausforderung diese stehend im Raum zu schaffen. Diese Arbeit wird im April 2021 in der Werkschauhalle auf dem Spinnereigelände in Leipzig ausgestellt.

Kommst du mal nach Wien?
Tatsächlich komme ich im Mai nach Österreich! Ich habe eine Künstler-Residenz vom Atelierhaus Salzamt Linz bekommen und werde den ganzen Monat dort sein. Sehr wahrscheinlich komme ich dann auch nach Wien zu Besuch, da ich die Stadt toll und sehr inspirierend finde. 

Mirsini Artakianou – www.mirsiniartakianou.com