Zwischen einem konzeptuellen, performativen und poetischen Zugang entwickelt sich der Körper zu einem zentralem Motiv. Ein Körper, der Ausführender und Objekt zugleich ist. Ein Körper, dessen Oberfläche selbst als Bildträger und lichtempfindliches Medium fungiert. Fragen von Veränderungsprozessen werden aufgeworfen und auf vielschichtige Weise quer durch die Medien verwoben.
Wie würdest du deine Arbeit beschreiben?
Ich denke, dass das, was ich da mache, sehr viel mit Neugierde zu tun hat. Manchmal habe ich einfach das Bedürfnis auszuprobieren, wie dies oder jenes aussieht und sich anfühlt. Ich suche immer neue Wege. Ich liebe die Abwechslung, deswegen arbeite ich auch in fast allen Medien. Ich kenne da keine Grenze. Es gibt für mich immer so einen Impuls, dem ich nachgehen möchte. Das kann ein Bild sein, das ich schon im Kopf habe, oder ein Gedanke, ein Material. Der Weg dabei führt mich dann zu den passenden Medien, zu den visuellen Ergebnissen und zum Konkretisieren der Idee. Ich lasse mich gerne von meiner Intuition leiten. Manchmal fühle ich mich wie ein Kind, das total fasziniert von Kleinigkeiten sein kann. Allerdings. Ein gut organisiertes Kind. Ein Kind, das Ausstellungen macht und Interviews gibt. (schmunzelt)
Experimentelle Wege. Wie entstehen deine Arbeiten?
Wie schon erwähnt, ist es oft der Weg, der für meine Arbeiten sehr wichtig ist. So ist die Aktion manchmal der Weg zur Arbeit und die Arbeit zugleich. Die Entstehung des angestrebten Bildes bedingt also einen Prozess. Ein gutes Beispiel dafür ist die Arbeit „Brückenperformancebelichtung“. Hier entstand eine lebensgroße Cyanotypie meines Körpers durch die Belichtung mit Sonnenlicht, während ich mich von einer Brücke über dem Wasser hängen ließ. Für mich ist hier der Akt genauso Teil der Arbeit, wie die Fotografien von der Situation der Aktion, sowie die Cyanotypie, die daraus als analoges Ergebnis hervorging.
Woher nimmst du deine Inspiration?
Ich wollte keine Aufzählung machen, aber es gibt tatsächlich sehr viele Sachen die mich inspirieren. Eine der größten Inspirationsquellen ist wahrscheinlich das Meer für mich. Es zieht mich unglaublich an. Ich habe oft das Gefühl im falschen Land geboren zu sein. Die Berge beengen mich eher. Ich suche immer die Weite, den Horizont. Das freie Sichtfeld. Das Wasser. Neben dem Meer gibt es dann gleich noch klischeehaft die Sonne dazu, die bei mir vielleicht schon fast eher einer Obsession als einer Inspiration gleicht. …Nicht zu vergessen natürlich die Musik. Und dann gibt es wiederum ganz einfache kleine Sachen, die mich oft sehr glücklich machen und mir Motivation geben. Das Lächeln einer Person, schöne zwischenmenschliche Begegnungen, tanzen mit anderen Menschen, ein warmer Sommerregen nach einem heißen Badetag oder auch einfach nur der Genuss von Stille.
Welche Zusammenhänge suchst du? Was thematisiert du inhaltlich?
Mich interessiert, wie wir uns selbst innerhalb von Grenzen wahrnehmen und uns zu ihnen immer wieder in Relation setzen. Die Grenze, die uns am allernächsten ist, ist die eigene Haut. Sie hält quasi unseren Körper zusammen, schützt ihn und trennt ihn von der äußeren Umgebung ab. Mal mehr, mal weniger. Diese poröse Grenzfläche unseres Körpers spielt für mich eine große Rolle. Die Darlegungen des Psychoanalytikers Didier Anzieu, wie die ersten Erfahrungen zwischen Abgrenzung und Verbindung, die wir an unserer Körperoberfläche erfahren, unsere späteren Beziehungen zum anderen und zum Außen prägen und uns dabei helfen, ein Bild unseres Selbst zu entwickeln, haben mich in meiner Arbeit sehr bereichert.
Ich suche also nach dem Zusammenhang zwischen körperlicher Erfahrung und dem Bild eines Selbst. Darin stelle ich mir die Frage, wie Visuelles und Taktiles zusammenwirken. Das Äquivalent liegt für mich im Zusammenspiel von Distanz und Nähe, von Blick und Berührung. Den dadurch eröffneten Handlungsspielraum sehe ich als spannendes Feld, in dem ich auch die eigene Handlung thematisieren möchte. Der Raum ist nie eindeutig und verändert sich ständig. Er wird durch mehr oder weniger durchlässige oder eindeutige Grenzen immer wieder neu definiert. Mich interessieren Prozesse und Übergänge, die darin stattfinden und wie wir uns in ständig verändernden Gegebenheiten verhalten und handeln.
Welche Menschen beeindrucken dich?
Menschen, die obwohl sie vom Körpervolumen her eigentlich nur ein Fünftel des Gehsteiges einnehmen würden, es doch schaffen, der Präsenz eines Gehsteigpanzers an den Tag zu legen, den man nach langem strategischen Hin-und Her mit Mühe und Not schafft zu überholen.
– Menschen, die schnell lesen können.
– Menschen, die sich geschmeidig und gleichzeitig kräftig bewegen können.
– Lianne La Havas
Deine nächsten Ausstellungen, Projekte. Wo kann man dich sehen? Woran arbeitest du?
Bis zum 5. Juni bin ich noch in der Ausstellung „Weisses Rauschen“ in der Fotogalerie Wien mit meiner bisher größten Arbeit vertreten. Die „Schattenbelichtungen“ sind Fotogramme, die auf der Basis von Zeichnungen eines Schattens mithilfe der Sonne hergestellt wurden. Die Arbeit ist ohne Dunkelkammer, Kamera und Chemie entstanden. Der Versuch des Festhaltens der Bewegung eines Schattens durch Zeichnung und Fotografie und der Verblassungsprozess der aus diesem Versuch entstandenen Fotogramme wird in einer 72-teiligen Wandinstallation gezeigt.
« Ohne Titel », Pigmentdruck, 2020, in Kollaboration mit Elena Kristofor
Seit letzten Sommer arbeite ich nun zusätzlich vermehrt in Kollaborationen, in denen sich Performance, Tanz und bildende Kunst begegnen. Eine sehr fruchtbare und kontinuierliche Zusammenarbeit besteht beispielsweise mit der Künstlerin Elena Kristofor. Wir haben Zugänge und Interessen gefunden, die sich überschneiden und die sich hervorragend erweitern lassen. Wir arbeiten momentan parallel an mehreren Projekten. Unser nächstes Ausstellungsprojekt „Es ist schon vorgekommen, dass Flugzeuge auf dem Rücken flogen, als sie wieder aus den Wolken hervorkamen“, wird von 26. bis 31. Juli im Sehsaal zu sehen sein. Wir arbeiten darin mit Fotografie, die wir durch installative Elemente auf den Raum ausweiten und man darf sich auf eine kleine Überraschung freuen.
Meine nächste Einzelausstellung ist für September geplant. Dafür kehre ich zu meinen oberösterreichischen Wurzeln zurück. Ich freue mich sehr auf die Ausstellung im 20gerhaus in Ried im Innkreis und hoffe, dass ich viele bekannte, fremde und freundliche Gesichter sehen werde.
Sobald dann zwischen den ganzen Projekten immer wieder mal Zeit bleibt, zeichne ich an einer Serie großformatiger Zeichnungen weiter, die Mikroskopaufnahmen meiner eigenen Haut zeigen. Eine letzte zeitnahe Einladung würde ich gerne noch aussprechen. Meine Liebe zur Musik hatte ich kurz anklingen lassen. Ich bin glücklich, dass ich nun auch das Singen wieder aktiv betreibe und in meiner neuen Band „Nsinsani“ (ich bin neu, die Band gibt es seit 8 Jahren) nach langem Ersehnen am 18. Juni das erste Konzert im Tunnel im 8. Bezirk spiele. Es gibt noch Vorverkaufskarten. Ich bin ganz aufgeregt.
Laura Sperl – www.laurasperl.at