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Wien Kunst

Sichtbarmachung. Julian Palacz

Julian Palacz, geboren 1983, lebt und arbeitet in Wien. In seiner Arbeit widmet er sich der Sichtbarmachung und poetischen Aufbereitung von Daten, die wir digital, wie physisch, hinterlassen und die von verschiedenen Akteuren automatisch gesammelt werden. Studium Digitale Kunst 2003-2010 an der Universität für angewandte Kunst Wien bei Peter Weibel und Virgil Widrich. Seit 2020 unterrichtet er an der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz Überwachung und Privatsphäre in der bildenden Kunst.
Handle With Care, Forum Stadtpark, 2021. Foto: Lena_Prehal
Julian Palacz, Handle With Care, Forum Stadtpark, 2021. Foto: Lena Prehal

Die Einzelausstellung Handle With Care im Forum Stadtpark (2021) und Les murs ont des oreilles bei Sotheby’s Wien (2019) markieren Zäsuren in seiner Arbeit. Seine Arbeiten wurden im Museum für angewandte Kunst, Wien, Museum of Contemporary Art, Belgrad, im ZKM | Zentrum für Kunst und Medien, Karlsruhe, sowie im Palazzo Zenobio, Venedig gezeigt. Zusätzlich erhielt Julian Palacz das Wimmelforschungs-Stipendium bei Bosch Campus Renningen und Akademie Schloss Solitude, das österreichische Staatsstipendium für Video- und Medienkunst und die Swatch Art Peace Hotel Residency Shanghai.

Wer oder was inspiriert dich?
Der Begriff der Inspiration spielt als „göttliche Begeisterung“ (Enthusiasmus), Eingebung eine Rolle in der Ästhetik. Kennzeichnend ist, dass Inspiration sich vom distanzierenden rationalen Denken unterscheidet und ihre Inhalte nicht durch bewusste Produktion entstehen. Sie gilt als besondere Gabe des Dichters und des Genies und wurde vielfach als Voraussetzung für die Schaffung künstlerischer Werke angesehen. So begründete bei Hesiod die Eingebung durch die Musen den Wahrheitsanspruch seiner Dichtung. Zu neuerer Bedeutung kam Inspiration in der an die Antike anknüpfende Renaissance und u.a. bei Goethe. Im Moment sind es bei mir vor allem Schachtelfaltungen, Pakete, Lieferautos, Zusteller*innen, Gefahrgut-Kennzeichnungen und der Postweg.

Wann weisst du, wann ein Werk fertig ist?
Bei der Entstehung einer neuen Arbeit trenne ich Konzeption klar von Produktion. Ich gehe so vor, dass ein Werk konzeptuell fertig gedacht sein muss, bevor ich mit seiner Produktion beginne. Materialstudien und Modelle helfen mir dabei die richtige Form zu finden. Wenn ein in Entstehung befindliches Werk immer dichter wird und es auf jede potenzielle Frage nach einem Detailaspekt eine Antwort gibt, alles einen Grund zu haben scheint, kommt irgendwann der Moment, an dem ich mit Gewissheit sagen kann es ist „Feature Complete“.

Wann und wo kannst Du dich am besten Entspannen?
Im Rahmen einer Erdölversuchsbohrung in Oberlaa wurde 1934 am rechten Liesingbachufer eine heiße Schwefelquelle entdeckt. Da jedoch kein Interesse an diesem Fund bestand, wurde das Bohrloch zunächst wieder verschlossen. 1965 wurde im Auftrag der Stadt Wien erneut nach der Schwefelquelle gesucht und am 20. Dezember 1968 die „Kurbetrieb Heilquelle Oberlaa GmbH“ als Tochterbetrieb der Wiener Holding gegründet. Im Oktober 1969 wurde der provisorische Kurbetrieb mit 300 bis 400 Behandlungen am Tag in der Quellenstation an der Liesing aufgenommen.

Im Moment inspirieren mich vor allem Schachtelfaltungen, Pakete, Lieferautos, Zusteller*innen, Gefahrgut-Kennzeichnungen und der Postweg.

Meer oder Berge?
Meine geliebte Schwarzföhre kommt in beiden Regionen vor. Sie wird aufgrund ihrer Anspruchslosigkeit und ihrer Unempfindlichkeit gegenüber Luftverschmutzung fast weltweit als Forst- und Parkbaum angepflanzt. In ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet gilt die Art auch als sehr krankheitsresistent. Die Schwarzföhre kann ein Alter von bis zu 800 Jahren erreichen. Die Schwarzföhre ist eine Baumart des humiden und subhumiden Gebirgsklimas der Mittelmeerregion. Man findet sie in Höhenlagen von 0 bis zu 2.000 Metern.

Handle With Care, Forum Stadtpark, 2021. Foto: Gerhard Pichler
Handle With Care, Forum Stadtpark, 2021. Foto: Gerhard Pichler

Hattest du schon einmal Stress mit der Polizei?
Im Zuge der Perfomance-Reihe „Anschläge“ stellte sich Peter Weibel 1971 vor das Polizei-Wachzimmer des Justizpalasts, in der Hand ein Schild mit der Aufschrift „lügt“, im Foto als „Polizei lügt“ zu lesen. Vor zehn Jahren habe ich mich in Referenz zu dieser Arbeit meines ehemaligen Professors an gleicher Stelle mit einem Schild mit der Aufschrift „stirbt aus“ fotografieren lassen. Natürlich sind während des Fotografierens drei Polizisten aus der Station herausgekommen und fragen mich was ich hier mache und warum hier fotografiert wird. Sie waren weder mit der Auffassung von Weibel noch mit meiner sehr glücklich. Nach einem kurzen Hickhack war dann aber doch klar, dass das Foto für eine Beamtenbeleidigung nicht ausreicht.

Was sind deine aktuellen Projekte?
Meine derzeitige Einzelausstellung Handle With Care im Forum Stadtpark beschäftigt sich mit dem unsichtbaren Raum in der Logistik. Ich schickte dafür ein Paket vom 2. Wiener Gemeindebezirk nach Graz. Präpariert war es mit Kamera, Mikrofon und anderen Sensoren. Die aufgezeichneten digitalen Daten wurden von mir in den Ausstellungskontext übersetzt und damit materialisiert. In meinen früheren Arbeiten beschäftigte ich mich intensiv mit den Themen Privatsphäre und Überwachung, ich selbst bin bisher jedoch nicht zu dieser aufzeichnenden Instanz geworden. Über das Projekt habe ich gewissermaßen die Seiten gewechselt und damit auch meine Arbeitsweise geändert. Wir sehen die unterschiedlichen Stationen, die das Paket durchläuft. Wir sehen Förderbänder, riesige Hallen in denen Pakete ein- und umsortiert bzw. in Lkws ausgeladen und eingeschichtet werden. Wir „sehen“ den normalerweise unsichtbaren Umraum des Pakets und alleine der Funktion unterworfene Orte, an denen das Paket mehrmals gescannt wird, um letztlich erfolgreich zu seiner Destination zu gelangen. Es sind kaum Menschen im Bild, fast alles wird von Maschinenhand besorgt.

Julian Palacz – julian.palacz.at