Du kommst ursprünglich aus der Wissenschaft. Was hast du studiert? Wie spiegelt sich deine Dissertation in deinen Arbeiten?
Zuerst habe ich Pharmazie studiert und anschließend mein Doktoratsstudium am Department für medizinische / pharmazeutische Chemie gemacht. Ich hatte also zwölf Jahre wissenschaftliche Ausbildung hinter mir, bevor ich im Juni 2019 an der Angewandten in der Art & Science Klasse bei Virgil Widrich mein Masterstudium abgeschlossen habe. Die Zeit an der Pharmazie, Uni Wien war sehr schön und prägend und ist die Basis für mein künstlerisches Werkschaffen heute.
In meiner Dissertation habe ich mich mit den kleinsten Bausteinen des Lebens beschäftigt. Ich sollte neue Arzneistoffe für die Hautkrebs- und Dickdarmkrebs–Therapie entwickeln.
Es war aus heutiger Sicht ein höchst kreativer, fast künstlerischer Prozess, in dem ich Moleküle erst auf Papier zeichnete, im Anschluss im Labor chemisch synthetisierte um die neuen Substanzen dann auf meinen selbstgezüchteten Tumorzellen zu testen. Damals habe ich viel mit dem Mikroskop gearbeitet, um Kristallstrukturen und Zellstrukturen zu analysieren und zu dokumentieren. Ich habe diese Universen, die ich mikroskopisch beobachten konnte so stark verinnerlicht, dass sie heute in transformierter Form als meine eigene Bildsprache in meinen Zeichnungen zum Teil wiedererkennbar sind. Auch meine sehr akribische, strukturierte, aber auch intuitive und verspielte Herangehensweise an mein künstlerisches Schaffen hat sich aus meiner wissenschaftlichen Praxis heraus entwickelt.
Und wie sieht Dein Prozess aus?
Ich möchte diese Frage mit einem – wohlgemerkt sehr subjektiven – Vergleich veranschaulicht beantworten. Mein früherer wissenschaftlicher Arbeitsprozess war ein zielorientierter, fast ein sportlicher. Jeder Schritt in meinem Arbeitsablauf war geleitet durch die Frage: Wie komme ich möglichst elegant und schnell an mein Ziel? Zum Beispiel: Mein Endprodukt soll Molekül C sein. Welche Moleküle A und B brauche ich dafür und welche chemische Synthese muss ich dafür anwenden? Es brauchte oft viel Geduld, Durchhaltevermögen und Kreativität für nötige Umwege um dann tatsächlich das gewünschte Ergebnis zu erhalten.
Mein künstlerischer Arbeitsprozess heute ist mehr ein intuitiver, prozessorientierter. Ich lasse mich hier meist ohne Konzept auf einen Weg oder eine Frage ein, ohne das Ergebnis im Vorfeld schon zu erahnen. Genau diese Freiheiten zu haben, liebe ich an der Kunst.
Trotz dieses großen Unterschieds im wissenschaftlichen und künstlerischen Schaffensablauf gibt es für mich aber auch so viele Gemeinsamkeiten, dass ich mir die Frage stellen muss: Ist Kunst und Wissenschaft vielleicht einfach ein großes Ganzes und braucht es dafür überhaupt eine Kategorisierung? Zu dieser Frage habe ich an der Angewandten meine Masterarbeit, ein Manifest „The Arscientic Andism – My Romantic Manifesto“ geschrieben, das man auf meiner Website nachlesen kann, wenn man möchte.
Welche Rolle spielt für Dich die Performance?
Die Performance spielt in meinem Werkschaffen eine immer wichtigere Rolle. Sie ist für mich mit der Zeichnung sehr stark verbunden und ist ein hervorragendes Medium für meinen Selbstausdruck, in welchem ich sicher auch in Zukunft vertieft arbeiten werde. Ich bin durch meinen Schaffensprozess während meiner Masterarbeit darauf gestoßen und habe mein romantisches Manifest als Abschlussarbeit als Videoperformance präsentiert. Dieser Kurzfilm ist während einer Kooperation mit dem CERN / Kernforschungszentrum Genf entstanden und wird gerade bei internationalen Filmfestivals eingereicht. Den Trailer findet man hier.
Wie verbringst du deine Freizeit?
Ich tue nichts, lese, gehe joggen, treffe Freunde, besuche meine Familie und spiele mit meinen Neffen und Nichten, trinke gerne guten Wein in netter Gesellschaft und liebe es zu reisen (ich hoffe, das wird bald wieder!).
Ein Satz über das Leben:
Ein Freund hat mal zu mir gesagt: Geh’ dort hin, wo Du die größte Angst verspürst, dort liegt nämlich der Schlüssel für Deine nächste Türe. Unter diesem Motto habe ich bestimmt schon die eine oder andere Entscheidung in meinem Leben getroffen.
Woran arbeitest du derzeit? Wo sind deine Arbeiten zu sehen?
Ich hatte über das Frühjahr und den Sommer eine sehr intensive Schaffensphase. Im Moment nutze ich die Zeit um darüber zu reflektieren und um mich für neue spannende Projekte im Frühjahr 2021 vorzubereiten. Aktuell läuft gerade meine Einzelausstellung in der Galerie Michaela Stock – Salon real / virtual.
1# Salon: Denise Schellmann – Zwischenräume
Ein neues, interessantes Konzept, das neben dem realen auch einen virtuellen Besuch in der Galerie ermöglicht:
Seit Juni teile ich mit fünf Kolleginnen ein Studio, den Kunstraum Helene. Unter Voranmeldung sind auch Besuche in meinem Atelier möglich: Kunstraum Helene, Jörgerstrasse 56–58/2/3–5, 1170 Wien, office@deniseschellmann.com
Denise Schellmann – www.deniseschellmann.com