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Wien Kunst

Interview mit Darja Shatalova

Darja Shatalova ist eine transdisziplinär arbeitende Künstlerin, mit russischen Wurzeln und einem mathematischen Hintergrund. Die Grundlage ihrer Arbeiten liegt in Künstlerbüchern, die in raumbezogene Installationen, Langzeit-Performances und Sound-Kompositionen übersetzt werden. Der Grundgedanke besteht darin, die Strukturen und Muster von Systemen auf dem Mikro- und Makrolevel aufzuzeigen und zu untersuchen. Ihre Arbeiten zeichnen sich durch einen prozessualen und ineinandergreifenden Charakter aus.
Drei Zeitfiguren #2 (Palimpsest), LLLLLL, Wien, 2021 (Foto: Darja Shatalova)
Drei Zeitfiguren #2 (Palimpsest), LLLLLL, Wien, 2021. Foto: Darja Shatalova

Wie bist Du zur Kunst gekommen? Warum Kunst?
Dass ich Künstlerin sein möchte, war mir schon immer klar, aber der Weg dorthin war nicht ganz linear. Nach einer Absage zum Kunststudium direkt nach der Schule, studierte ich zuerst Kunst und Mathematik auf Lehramt, fasste aber während eines Auslandssemesters den Entschluss, es in einer neuen Stadt wieder zu probieren, so kam ich nach Wien und studierte auf der Angewandten. Das erste Studium zeigte jedoch einen enormen Einfluss auf meine künstlerische Ausdrucksweise und so verknüpfe ich weiterhin die beiden Pole, Kunst und Wissenschaft.

Dabei finde ich es immer wieder spannend, wissenschaftliche Formeln und Daten ihrer Funktionalität zu enteignen und zu verfremden – das darf die Kunst – um dann die Reliabilität und Validität wissenschaftlicher Ergebnisse zu hinterfragen.

Porträtfoto: Studioview (Foto: Maria Belova)
Darja Shatalova, Studioview. Foto: Maria Belova

Woher kommen die Ideen, woraus ziehst du Inspiration?
Ich beobachte viel und schreibe/zeichne viel auf, so entstehen größtenteils schon meine Künstlerbücher. Es gibt immer viele Listen in meinem Leben, manchmal kann ich es selbst nicht ganz ernst nehmen, dass ich sie führe, aber es ist ein Prozess der Erfassung der Ereignisse meiner Umwelt und der inneren Welt. Dann gibt es die eine Ausschreibung oder den einen Raum, den ich ansprechend finde und so bildet sich aus der konzeptuellen Ebene eine mehr und mehr konkrete, ortsspezifische Form.

Auf der Leitung stehen, das T/abor, Wien, 2021 (Foto: Darja Shatalova)
Auf der Leitung stehen, das T/abor, Wien, 2021 (Foto: Darja Shatalova)

Welche Reaktion wünschst du dir vom Betrachter*in?
Mich freut es, wenn meine Werke den Betrachter berühren, und das kann auf sehr unterschiedliche Weise sein – Neugier, Verwunderung, Irritation, Fragezeichen, Faszination,… Mir ist es wichtig, dass ein Werk auf mehreren Ebenen funktioniert, sowohl durch die erste Rezeption an sich, als auch durch eine zusätzliche Kontextualisierung und teilweise Entschlüsselung, jedenfalls soll es dem Betrachter Denkanstöße und neue Impulse geben.

Was wäre die Welt ohne Kunst?
Das ist eine philosophische Frage, in der erst einmal definiert werden wüsste, was genau Kunst ist bzw. was darunter alles gefasst wird. Wenn ich mir manchmal im Naturhistorischen Museum die einzigartige Gestaltung des Federkleides eines Vogels anschaue oder die perfekt geometrische Ästhetik einer Blüte, dann fängt für mich schon da die Kunst an und ohne sie würde nichts existieren.

Was macht Dich aktuell glücklich?
Das Jahr 2021 hatte schon einige sehr arbeitsintensive und stressige Phasen, aber insgesamt habe ich das Gefühl, mir endlich auch ein bisschen mehr Freizeit nehmen zu können. Dass wieder alle Ausstellungsräume öffnen, die Menschen unterwegs sind, sich auf Wiedersehen freuen und umarmen, das hatte mir sehr gefehlt und ich freue mich auf diesen Sommer.

4. Liquidity, Frappant Galerie, Hamburg, 2019 (Foto: Darja Shatalova)
Liquidity, Frappant Galerie, Hamburg, 2019. Foto: Darja Shatalova

Woran arbeitest du gerade? Worauf freust du dich am meisten?
Im Moment sind wir kurz vor dem Abschluss der Gruppenausstellung im LLLLLL mit einem Sonderprogramm für den Independent Space Index. Es war eine intensive und spannende Arbeitsphase, in der ich die Ausstellungsreihe „Jamais vu I+II“ begleitet und organisiert, sowie im zweiten Teil auch selbst ausgestellt habe. Als nächstes großes Projekt steht Anfang September die Parallel an, an der ich eine neue rauminstallative Arbeit zeigen werde. Aber davor ein bisschen den Sommer genießen, sollte auch drin sein.

Darja Shatalova – www.darjashatalova.com