Wie würdest du deine Arbeiten beschreiben?
In der Malerei interessiert mich in erster Linie der Mensch als Motiv, oft fokussiere ich mich auf Gesicht und Physiognomie. Über dicke Schichten aus Akryl- und Ölfarbe taste ich mich an das Wesen der Portraitierten heran– es ist ein stiller, intensiver Moment der Kontemplation. Ich arbeite intuitiv, der Farbauftrag ist mal agressiv, mal vorsichtig, mal schnell, mal langsam. Daraus ergibt sich eine unregelmäßige Struktur, die einigen meiner Werke einen haptischen, eigenwilligen Charakter verleiht. Mir ist aufgefallen, dass dieser Fokus auf Wesenszüge bei vielen Betrachter*innen ein intensives Gefühl auslöst. Es scheint oft fühlbar, dass es in den Werken um das Innenleben der Gemalten geht. Besonders im Bereich der Zeichnung interessiere ich mich auch für Stimmungen. Die versuche ich einzufangen, indem ich den Tuschestift– mein Zeichenwerkzeug– auf verschiedene Arten einsetze. Beispielsweise erarbeite ich gerne aus feinen Punkten eine Art gezeichneten Nebel, der Motiven eine gewisse Unschärfe verleiht und setze dem einen Kontrast durch kräftige Linien oder wild ausgemalte Flächen entgegen.
Ich lasse es zu, dass der Bildinhalt sich in skizzenhaft ausbleichender Strichführung verliert. In meinen Animationsfilme geht es in erster Linie um Geschichten und um die Möglichkeit, Raum für Imagination zu öffnen.
Was möchtest du damit ausdrücken?
Es ist meine Intention, Betrachtenden eine Art künstlerischen Zwischenraum zu bieten, über den sie selbst Türen zu ihrer eigenen Vorstellungskraft öffnen können. Meine Kunst soll auf einer Ehrlichkeit fußen, die Menschen erreicht und bewegt. Außerdem interessiert es mich, die Vielfalt einer Gesellschaft in ihren unterschiedlichen Wesenszügen in meine Motive zu integrieren. Es soll spürbar sein, dass in meinen Arbeiten nichts wirklich stillsteht. Dass sie lebendig sind.
Wer oder was inspiriert dich?
Inspiration kommt in erster Linie von Geschichten, die ich lese, in Filmen sehe, Ausstellungen die ich besuche und beobachte aufgreife. Bücher wie „Die Jahre“ (Annie Erneaux) oder Filme wie „Der Himmel über Berlin“ (Wim Wenders) zum Beispiel. Oder die Bilder von Lucian Freud und Alice Neel. Am inspiriertesten bin ich vielleicht, wenn ich reise. Es tut gut, die eigene Weltsicht aufzumischen, das geht unterwegs meist leichter– vor allem, wenn die Reise geistig fordert und einen mit neuen Perspektiven und Herausforderungen konfrontiert. Während ich arbeite ist auch Musik eine wichtige Inspirationsquelle für mich.
Wie erlebst du die Zeit aktuell?
Nachdem für mich die vergangenen zwei Jahren zu einer etwas undefinierten Einheit verschmolzen sind– wohl auch bedingt durch die beschränkte Reisefreiheit– bringt für mich der Sommer eine gewisse Erleichterung mit sich. Derzeit verfolge ich die Tagespolitik weniger als sonst und vertiefe mich viel in Literatur.
Ich bin sehr darauf fokussiert, neue Konzepte niederzuschreiben, denen ich mich über den Sommer und im Herbst zuwenden möchte.
Wie verbringst du den Sommer?
Für den Sommer habe ich geplant, eine neue Serie an Malereien anzufangen, sowie an einem Drehbuch und Auftragsprojekten zu arbeiten. Außerdem freue mich auch darauf, ein wenig zu reisen. Ich habe ein ausgeprägtes Interesse für Fremdsprachen und kann es kaum erwarten, mich dieser Leidenschaft wieder intensiver zu widmen.
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Wie geht es in Zukunft weiter?
Da ich es gewohnt bin, mich immer wieder auf neue, unvertraute Projekte einzulassen, hoffe ich, dass mich auch zukünftig so interessante Möglichkeiten erwarten werden wie bis jetzt. Es gefällt mir, mich neuen Herausforderungen zu stellen, ohne meinen künstlerischen Weg aus den Augen zu verlieren. Auch plane ich, mich mehr mit VR und AR zu beschäftigen, es sind Bereiche, die mich faszinieren.
Astrid Rothaug – www.astridrothaug.com