Wien Kunst

Interview. Anne-Clara Stahl

Anne-Clara Stahl, geboren in Düsseldorf, lebt und arbeitet in Wien. Ihre Arbeiten bewegen sich im Bereich Zeichnung und Malerei. Dabei liegt ein Schwerpunkt im räumlichen Umgang mit Bild.

Ein besonderes Interesse gilt der Dynamik im Arbeitsprozess und der Leitfigur der Zeichnung als Denkmodell und Handlungsprinzip.

Was erzählen deine Arbeiten? Was willst du mit deinen Werken zum Ausdruck bringen?
Ich schreibe diese Erzählungen ungern auf, ich male. Hingegen schreibe ich gerne über das Tun, das Machen, das Unruhig sein. Gerade bewegen mich Verflechtungen, Konstellationen, Verschmelzungen, Verbindungen. Ausdruck entsteht oft dort wo gesprochen wird. Das Bild hat die größte Freiheit auch ohne Wort auskommen zu können und doch bewegt es sich in einer ausgesetzten Abhängigkeit dazu. Jede Arbeit hat ein eigenes Wesen, das reagiert.

Kannst Du die Intention Deiner Kunst mit uns teilen?
Malen empfinde ich als ein Treffen von Geduld und Eifer. Beides sind unerlässliche Begleiter. Die Tatenlust kann unermüdlich sein und die gewisse Spannung erzeugen, die ich zum Malen/Zeichnen brauche. Wenn ich male, bin ich dabei sehr bedacht, versuche ein Gleichgeweicht herzustellen und mich auf Dinge einzulassen die währenddessen passieren. Das ganze ähnelt einem Beziehungsgeflecht. Eine Intention könnte sein, diesem Verhältnis näher zu kommen, es zu denken und auch darüber zu schreiben. Für mich hat die Zeichnung und die Malerei sehr viel mit Sprache zu tun. Malerei ist Sprache. Man redet nicht und kann über Stunden Stille ertragen, obwohl man im regen Austausch mit dem entstehenden Bild ist. Die Erzählung ist Bestandteil einer jeden Arbeit, ich würde jedoch nicht sagen, dass die Erzählung ihre Bestimmung ist. 

Malerei ist Sprache. Man redet nicht und kann über Stunden Stille ertragen, obwohl man im regen Austausch mit dem entstehenden Bild ist.

Worum geht es in Deinen Werken?
Ich bin getrieben von der Lust am Tun. Ich schaue gerne Menschen dabei zu, wie sie schreiben und denken, bin an Bewegung interessiert. Zwischenmenschliche Verbindungen finde ich spannend. Geflechte von Beziehungen in unserer Zeit, dem sogenannten „digitalen Zeitalter“. Auch wenn ich, wie wir alle, vom Digitalen oft eingeholt werde, bin ich Liebhaberin analoger Hingabe. In meiner Arbeit geht es um Beobachtungen, die sich leise und unscheinbar in jedem Bild einfinden. Neben aller Beobachtungslust finde ich beim Malen aber auch einfach die weiße Fläche reizvoll und noch reizvoller diese zu brechen.

Neben aller Beobachtungslust finde ich beim Malen aber auch einfach die weiße Fläche reizvoll und noch reizvoller diese zu brechen.

Was bedeutet Intimität für dich?
Der Begriff Intimität ist für mich ein sehr abstrakter. Der Grund dafür liegt in ihrer so sensiblen und fragilen Erscheinung. Intimität kann ein Zustand sein, der sich dadurch kennzeichnet, intensiv mit etwas zu sein. Ich stelle mir Intimität sehr räumlich vor, da dem physischen Raum immer ein Schutzcharakter innewohnt und damit eine Vertrauensatmosphäre möglich wird. Intimität hat heute nur noch wenig mit physischer Anwesenheit zu tun, sie existiert über Grenzen hinweg und wächst dort, wo Anerkennung und Innerlichkeit stattfindet.

Wem zeigst du als erstes deine Arbeiten?
Bevor ich neue Arbeiten zeige, behalte ich sie meist erst eine Weile für mich. Danach gibt es mir nahe stehende Personen, bei denen ich immer gerne das Gespräch suche. Eine davon ist die Künstlerin und Freundin Georgia Creimer. Ich finde solche Gespräche besonders bereichernd wenn die eigene Arbeit ein Anstoß ist und man am Ende gemeinsam ein Geflecht an Erkenntnis, Wortbetrachtungen und Lust am Weitermachen kreiert hat.

Was macht dich in diesen Tagen glücklich?
Die Arbeit am und mit dem Bild ähnelt einem Gespräch und ich bin immer dann glücklich, wenn ich merke, dass wir in einem guten Austausch sind. Es ist ein Wechselspiel von Tun und Abwarten. Wobei ich ersteres favorisiere.

anne clara stahl interview
Künstlerin: Anne-Clara Stahl

Hoffen wir das Beste. Welche Ziele und Wünsche hast du für 2020?
Ein leitendes Wort für jede Zeit und vielleicht gerade insbesondere für diese ist: Bewusstsein. Ein Bewusstsein zu haben und immer wieder neu herauszufordern, sein eigenes Handeln zu hinterfragen. Wir lassen gerade sehr viel Veränderung zu und merken vielleicht mehr denn je wie verbunden wir ohne physische Präsenz sein können. Wir sind ein Konglomerat und das Bindemittel ist und bleibt Sprache. Darin steckt sehr viel Potential. Mein Wunsch ist es in Kontakt zu bleiben. Nicht zuletzt mit Entwicklung und Passion. Mein persönliches Ziel ist es noch mehr herauszufinden, das Spielen niemals zu verlernen – und zu malen.

Anne-Clara Stahl