Welche Inspiration steht hinter diesen Arbeiten?
Wenn ich die Frage lateinisch deuten müsste und „inspirieren“ von „spiritus“ ableite, also es als „Geist“ übersetze, und es dann kurios als „ein-geistern“ zu „be-geistern“ missverstehe, dann geistern wirklich so ein paar Gespenster um mich herum. Als ältestes Gespenst wäre wahrscheinlich Hegel, den ich aber intellektuell und auch ein wenig dem schwäbischen Dialekt geschuldet nicht richt verstehe. Zu Hegel würde sich Rosa Luxemburg, David Harvey, Walter Benjamin und Alexander Kluge gesellen, während Heiner Müller schlecht gelaunt eine Zigarre im Hintergrund raucht. Durch den Qualm würde man Joseph Vogl und Dirk Baecker im Hintergrund entdecken, die sich nervös über Ökonomie unterhalten. Von der bildenden Kunst würde Martin Kippenberger, Marcel Duchamp und Magritte bei mir im Atelier herumspuken. Das Ensemble meiner Geisterbahn würde sich je nach Thema leicht verändern. Beispielsweise bei den Kuh-Packungen steckt ein wenig Max Weber, Bruno Latour und dann Jürgen Krahl’s Leitspruch der umgekehrten Zisterne; „Die versteinerten Verhältnisse verflüssigen“, darin… Dort habe ich versucht anstatt einer doppelten Ver-Nein-ung (Litotes) eine doppelte Be-Ja-ung zu schaffen, indem ich die ökonomischen Verhältnisse in der Landwirtschaft überbe-Ja-e, somit es wieder ein klares Nein wird bzw. die verdinglichten Verhältnisse oder entfremdeten Objekte wieder zu Subjekten werden.
Bei der Flaschenpost gibt es klare Steilvorlagen von Adorno: „Theorie als Flaschenpost bedeutet in diesem Sinne, etwas ins Ungewisse zu senden, ohne Adressaten – in der Hoffnung, dass in einer Zukunft dieser Adressat geboren wird.“ (T.W.Adorno) und der andere Doppelpassgeber ist Luhmann, der eine wunderbaren Abschnitt über die „Schrift“ in dem Buch „ Die Gesellschaft der Gesellschaften“ geschrieben hat. Anderweitig wäre eine klare Bezugsgröße „Schiffbruch mit Zuschauer“ von Hans Blumenberg.
Welches Werkzeug ist für deine Arbeit unentbehrlich?
Werkzeuge für das Schneiden (Unterscheidungsvermögen) und Werkzeuge der Synthese, worunter ich grob „Kleben“ oder „Verbindendes“ verstehe.
Welche Aufgabe hat Kunst?
Man kann der Kunst gerne eine Aufgabe stellen, aber die Kunst würde sich ihr gegenüber eher wie eine Katze verhalten: Sie würde die Aufgabenstellung sehr wahrscheinlich gleichgültig umstoßen oder ignorieren bzw. misstrauen und sich wahrscheinlich eher distanzieren und lieber gemächlich zum Nachbarn gehen. Ich könnte die Frage etwas besser beantworten, wenn man diese leicht verändert und nach der Aufgabe der Künstlerin fragt (Gombrich)? Dann würde eines meiner Gespenster, bspw. Dirk Baecker, irgendwie sowas sagen wie, dass der Künstler das sieht was andere übersehen. Aber das heißt nicht, dass die Künstlerin alles sieht, ganz im Gegenteil. Sie sieht ja nur das, was andere übersehen, und nicht das, was sie selbst übersieht. Ich persönliche würde es „Arbeiten an der Perspektive“ nennen. Da spukt aber wiederum Alexander Kluge aus mir. Ich sehe die Kunst oder vielmehr die Künste als die beste Schule, die wir haben, uns einzuladen und es auszuhalten, mit den Unverständlichkeiten dieser Welt umzugehen. Der Unterrichtsstoff ist hier die unbequeme und irritierende Kunst und das Pädagogische die Kultur.
Wie sieht jetzt dein Tagesablauf aus?
Ich stehe sehr bald auf und versuche, die schwierigen Schritte am Vormittag zu machen, wo ich meistens aber stolpere. Am Nachmittag schreibe ich dann meistens E-mails voller Fehler und gegen 17 Uhr bin ich dann immer zuhause, weil ich einen zwei Jahre alten Sohn habe. Dann gehe ich vergleichsweise früh ins Bett. Mein derzeitiges Leben erinnert mich ein wenig an den Beginn von Marcel Proust’s Roman „Auf der Suche nach der Verlorenen Zeit.“
Was muss man unbedingt in Karlsruhe gesehen haben?
Einen Sieg gegen den VfB Stuttgart und die Südstadt.
An was arbeitest du gerade?
Ich hab mir mal als Bildidee „der Gegenspieler zur Künstlerin ist der Anästhesist“ notiert. Dabei kam eine eingedrückte Tabletten Packung heraus, die mich an die zerbeulte Dialektik von Kluge und Müller erinnerte. Das Thema möchte ich jetzt weiter ausführen und damit eine Ausstellung machen. Bin ein bisschen am herumbasteln, wie ich mich zwischen Damien Hirst’s Pillenschränken und den großen Tabletten von „General Idea“ künstlerisch positionieren kann. Es gibt interessanterweise Maler in der Renaissance, die sich ebenfalls damit beschäftigt haben. Da wäre es toll, wenn sich hier eine Brücke schlagen ließe. Dann gibt es noch eine ziemliche spannende historische Geschichte in Venedig, wo ich versuche einen großen Bilderzyklus zu erschaffen…
Toninho Dingl – www.toninho.de