Im Zentrum stand eine Präsentation von Rebecca Merlic, die nicht nur als selbständige Künstlerin, sondern auch als Universitäts-Assistentin für die Abteilung tätig ist. Glitchbodies – Game Show lautete der Titel des fulminanten Videospiels, dass mehr versprach als ein einfaches Screening. Dieses Versprechen wurde von unterschiedlichen Protagonist*innen in Form von Live-Performances die während des Spielrundgangs dargeboten wurden, eingelöst. Dabei übernimmt die von Merlic konstruierte virtuelle Welt weitaus mehr Verantwortung als nur für den einfachen Zeitvertreib.
Glitchbodies ist experimentell und thematisiert aktuelle Diskurse wie den Feminismus, die LGBTQ+Draq-Transformation sowie intime Selbst-Portraits von über 47 internationalen realen Personen. Dabei legt die Entwicklerin selbst höchsten Wert darauf ihre Darsteller*innen in den Aufbauprozess des Spieles miteinzubeziehen.
In Egoperspektive wird das Publikum durch unterschiedliche virtuelle Welten geführt, stets begleitet von realen Darbietungen der Glitchbodies die sich im Spiel sowie in der realen Welt verorten lassen. Als Alexandru Cosarca, die Bühne in einem schillernden Draq-Outfit betritt changiert der Blick des Publikums zwischen Spielübertragung und wahrhaftiger Darbietung. Dabei scheinen sich der Sound sowie die visuellen Reize zwischen den Universen zu bewegen und machen deutlich wie viel dieses interdisziplinäre Format für die Kunstbetrachtung leisten kann. Die erste Szenerie befördert die Betrachter*in in einen U-Bahn-Schacht. Die sich öffnenden Türen der Metro zeigen das Gesicht der performenden Darsteller*in Cosarca.
Eng getaktet folgt Danielle Pamp, unterstützt von einem virtuellen Szenario das an ein Burlesque Etablissement erinnert. Darin scheint die Künstler*in als funkelnde Statue bis in alle Ewigkeit konserviert zu sein. Besonders deutlich profitiert die Verschmelzung aus Performance und Virtual Reality in der Lesung von Marie Luise Lehner- die in ihrem Text: Ich denke über meine Brüste nach, sehr persönliche Ansichten einer Person beschreibt, die in ihrem Alltag unter den eigenen großen Brüsten zu leiden hat. Die Leinwand hinter der auf einem Stuhl sitzenden Vortragenden bildet zeitgleich eine endlose Landschaft aus Brüsten die unregelmäßig und in unterschiedlichsten Größen zu finden sind. Die Worte von Lehner schildern teilweise bedrückende Szenarien, während die amorphen Formen auf der Leinwand die Lesung in eine surreale und in sich gekehrte Kulisse führen. Der Rundgang durch die vermeintlich endlose virtuelle Welt von Merlic setzt sich weiter fort und zeigt einen sich durch den Saal schleppende Performer*in, in einem Overall der auch aus der Raumfahrt sein könnte, begleitet von abstrakten Klängen des Live-Sound-Dirigenten Manuel Riegler. Röchelnd, bewegt sich die Protagonist*in neben der Spielerin Rebecca Merlic, die in der Mitte des Raumes auf einem Podest Platz genommen hat, auf und ab. Das abgebildete Endzeit-Szenario taucht den Raum in eine neue fast beängstigende Stimmung. Die Atmosphäre verändert sich rasant als eine glänzende Figur den Raum betritt, die mit Gold bedeckt ist und sich auf einer Art Modenschau präsentiert. Merlic öffnet der Protagonist*in gegen Ende der Darbietung den Reisverschluss auf der Rückseite und scheint damit auch demonstrativ die Dritte Dimension zu durchbrechen. Das Spielen in der virtuellen und der realen Welt liegen an diesem Punkt sehr nah beieinander. Der nächste Akt beginnt als der Stille Beobachter der Modenschau zu strippen beginnt und sich rhythmisch zu schnellem Technosound zu bewegt, begleitet durch die Szenerie im Videospiel die eine sterilen Welt aus endlosen Rolltreppen zeigt.
Mehr als zwischen Videospiel und Performance Mehr als zwischen Videospiel und Performance
Den Abschluss macht eine Tanzperformance von Suchart Wannaset, die das mittlerweile zum transmedialen Fest eskalierte Videospiel beendet. Die Versammlung aller Darsteller*innen auf der Bühne verdeutlicht nochmal den Genreübergreifenden Zugang der hier dargeboten wurde, dessen Schnittstelle das Videospieles ist. Performance, Theater, Lesung, Tanz und vieles dazwischen findet an diesem Abend ein gemeinsames Medium. Die Verschmelzung aus Performance und Gamingculture zeichnet eine 360 Grad Erlebnis der Kunstbetrachtung, dass in dieser Form nur selten in Ausstellungen zu finden ist. Dabei ist zu hoffen, dass diese Werksform in Zukunft weitaus mehr in Museen und der hiesigen sowie der internationalen Galerielandschaft zu sehen sein wird.
Rebecca Merlic – rebeccamerlic.myportfolio.com
Florian Appelt ist selbständiger Kurator und Künstler aus Wien Forscht in seinem aktuellen Phd Studium über die Auswirkungen der digitalen Medien auf den Kunstmarkt des 21. Jahrhunderts. www.studioappelt.com, www.instagram.com/florianappelt/