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Wien Kunst

Frage-Antwort- Frage-Antwort

Um weiterzudenken, schreibe ich an A. A ist Übersetzer und hat kürzlich an einem Buch gearbeitet, das in Tokyos Nachtleben spielt. Wo offenbart sich darin sein Wesen als Übersetzer?

A sagt, dass von ihm im Text eine gewisse Aura verbleibt. Ihm selbst bleiben allerlei Überlegungen in Erinnerung an Wörter, die er gewählt oder nicht gewählt hat, um dem Autor, den Charakteren und den Leser:innen gerecht zu werden. 

Nun, wie ist das bei mir? Was bleibt, nachdem ich einen Text verfasst habe? Vor leuchtenden Bildschirmen lest ihr Frage-Antwort-Frage-Antwort, und vermutlich wisst ihr gar nicht, wer die Fragende ist. Ihr lest die Fragen, die doch so einfach wirken, und ihr seid verwundert, dass die Künstler:innen sich so bereitwillig offenbaren. Vieles jedoch passiert hinter den Kulissen. Bei jedem Interview versuche ich ein gemeinsames Setting zu gestalten. Ich erzähle im Laufe des Gespräches auch, wo ich mich gerade befinde, und teile meine Erfahrungen und Inspirationen, die ich aus der Kunstwelt, aber auch aus dem Leben schöpfe. Es ist niemals ein Nehmen, ohne auch zu geben. 

Für jedes Interview gibt es ein ganzes Archiv, das dann nicht Teil der Publikation wird: Notizen, Screenshots, A4-Prints von Kunstwerken, von den Orten, an denen die Künstler:innen leben, manchmal auch von Plätzen, die im Gespräch erwähnt wurden, oder von Orten, an denen Kunstmaterialen gekauft werden. Auch über die griechische Marmorindustrie habe ich im Zuge einer Korrespondenz einmal recherchiert. All dies bildet mein Moodboard für die jeweilige Erzählung.

Für jedes Interview finde ich spezifische Rituale, die ich nie bewusst auswähle, sondern die eher intuitiv passieren, um mich der interviewten Person nahe zu fühlen. Und das wiederholt und wiederholt sich bis zu dem Zeitpunkt, an dem das Interview das Licht der Öffentlichkeit erblickt. Und danach? Dann ist es Zeit, sich vom Text zu verabschieden, wie es Jean Bendetti passend formuliert: »(…) mit jedem neuen Stück und jeder neuen Rolle beginnt der Prozess von neuem«. 

Link zur Sonderausgabe »Ko-Kreation«


Erka Shalari ist eine in Wien wohnhafte Autorin, die sich mit Kunst befasst. Sie wurde 1988 in Tirana geboren, wo sie ihr Studium der Wirtschaftspsychologie an der Staatlichen Universität Tirana abschloss. Später absolvierte sie ein postgraduales Studium in Wien im Fach Kultur-Management an der MDW. Zusätzlich absolvierte sie zahlreiche Fortbildungen in den Bereichen kritisches Schreiben, Publizieren und Kuratorenwesen. In ihrer Arbeit konzentriert sie sich einerseits auf die Entdeckung internationaler junger und aufstrebender Künstler:innen, andererseits mit ungewöhnlichen Ausstellungsräumen, Non-Spaces und Galerien. Sie ist seit 2020 Redakteurin bei LNR.