Paula Marschalek konnte sich für Les Nouveaux Riches in diesem Frühjahr vor Ort ein Bild machen.
Fast 50 Gruppen wohnten 25 Jahre hindurch in 1137 S Cochran Ave, verortet in Mid-Wilshire in Los Angeles. Das Museum für Angewandte Kunst Wien zählt mit seiner dortigen „residency“ zu den am längsten bestehenden Stipendiaten-Programmen der Westküste und bietet nicht nur eine breite Auseinandersetzung mit aktuellen Fragen der Kunst und Architektur, sondern setzt auch zwei urbane Lebensräume in Beziehung, die gegensätzlicher nicht sein könnten: Wien, eine Stadt im Herzen Europas, bekannt für seine abwechslungsreiche Kunst- und Kulturszene sowie Verankerung in der Klassik, verbindet sich hier mit Los Angeles, einem modernen El Dorado, das sich in den letzten Jahrzehnten zum Hotspot für Künstler und kreative Köpfe der ganzen Welt entwickelte. Das Ausleben dieser Gegensätzlichkeit und Aufeinandertreffen der beiden Welten stellte die Gruppe XLIX, bestehend aus Veronika Eberhart, Ting-Jung Chen und Jakob Sellaoui, in ihren „Final Projects“ dar.
Von theoretischen sowie historischen Forschungen ausgehend, vereint die Künstlerin Veronika Eberhart in einem transdisziplinären Ansatz Video, Sound, Performance, Fotografie und Skulptur und untersucht in ihrer neuen, vielschichtigen Werkserie die Auswirkung von Musik auf Massen als soziopolitisches Konstrukt. Als Ausgangspunkt hierfür bot sich die Befragung des österreichstämmigen Komponisten Hanns Eisler durch das „House Un-American Activities Committee“ in Los Angeles an.
Mit „Vom Sprengen des Gartens“, einem 16-mm-Film, schafft die gebürtige Steirerin eine Verbindung zwischen dem Hier und Jetzt und einer längst vergangenen Zeit und zeigt die schmale Grenze zwischen Fiktion und Realität auf. Auf poetische sowie feinfühlige Weise verknüpft Eberhart Archiv- und Originalmaterial mit Szenen aus Filmen. Zugleich unterstreicht der eigens komponierte Sound diese bewegenden Momente und verändert durch neu geschaffene Narrationen historische Szenen. Des Weiteren präsentierte sie eine analoge Fotografie jener Schallplatte, die Gegenstand der politischen Verhöre gegen Eisler war und ließ in Zusammenarbeit mit „Vinylograph“ Nachdrucke der Songs auf Vinyl pressen, die im Rahmen von „4 Songs in Apartment 3“ zu hören waren.
Im Zwei-Kanal-Musikvideo wird eine bunte Melange aus bewusst blendenden Bildern, Medienausschnitten sowie ephemeren Gegenständen, wie vertrockneten Blumen, abgebildet.
Die Bildung sozialer Identitäten und Milieus im Zwischenspalt mehrerer Kulturen steht im Mittelpunkt der künstlerischen Praxis von Ting-Jung Chen. Gegenstand ihrer Untersuchung war die „Rose Parade“, eine Kultparade in Pasadena, die stets zu Neujahr ihren Lauf nimmt und die Prosperität mit „flower power“ versinnbildlicht. Mit der facettenreichen Werkserie „The Names“ thematisiert die Künstlerin das Paradox dieses Umzugs, das erst bei einem genauen Blick zu sehen ist: Die Ausgelassenheit des Ereignisses wird erst durch die harte und unvergütete Arbeit so mancher möglich. Im Zwei-Kanal-Musikvideo wird eine bunte Melange aus bewusst blendenden Bildern, Medienausschnitten sowie ephemeren Gegenständen, wie vertrockneten Blumen, abgebildet. Die dahintersteckende Arbeit wird als Tonspur (Percussion) nicht mehr verortbar, sondern im Rhythmus monotoner Arbeit, wie dem Zupfen von Blüten, hörbar gemacht. Die Installation wird durch die auf das Geländer der „Garage Top Gallery“ geklebten Texte, mitunter Namen der verwendeten Blumen, vollendet. Zusammen erzählen diese eine Geschichte, die die Beziehung zwischen Propaganda, kultureller Ware, flüchtigen Momenten und kollektiven Erinnerungen aufwirft.
Der Architekt Jakob Sellaoui konnte in der „City of Angels“ provisorische Lösungen und architektonische Fehler speziell in sogenannten Zwischenräumen, wie Garagen oder Hinterhöfen, beobachten und dirigiert mit seiner Installation „The garage will do“ auf den Zustand des „good enough“-Prinzips hin, mit dem er sich schon länger auseinandersetzt. Der Architekt bewertet damit geltende Annahmen zur architektonischen Umsetzung bzw. Bauart der Gebäude neu. Aus sehr günstigen Materialen, die in dieser Form auch auf der Baustelle Einsatz finden, konstruierte er ein bewegliches Objekt, das zur privaten Konversation auffordert und der Ästhetik seiner gesammelten Beobachtungen entspricht. Das Motto „good enough“ spannte sich bei seiner Serie von Talks weiter. Sellaoui lud dazu Künstler, Architekten und Autoren aus LA ein, eine eigene, persönliche Geschichte zu diesem Thema zu teilen, die solch eine Mangelhaftigkeit nicht als Nachteil, sondern als Nutzen herausstreicht.
Sowohl geschichtliche als auch alltägliche Momente und Orte erfahren also in den Kunstwerken und Installationen als spezifische Ereignisse eine detailverliebte Betrachtung und eine intensive Auseinandersetzung, die einem das Leben in der Stadt Los Angeles näherbringt. Vielleicht kann diese Ausstellung dadurch auch einen neuen Blick auf Wien ermöglichen.