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Wien Kunst

Die Arbeiten von Michaela Putz

Mit den Auswirkungen der zunehmenden Digitalisierung auf zwischenmenschliche Beziehungen und persönliches Erinnern beschäftigen sich die Arbeiten von Michaela Putz. Der Screen ist dabei ein Schlüsselelement, über den intime Momente evoziert werden und welcher so als Ersatz von Haut und des menschlichen Körpers wird. Darüber hinaus wird über ihn aber auch auf in der Cloud gelagerte visuelle Erinnerungsspeicher zurückgegriffen.

Deshalb ist der Akt der Berührung der glatten Oberflächen unserer Smartphones und Computer-Bildschirme den Arbeiten immanent. Entstanden mit den Mitteln der Fotografie und digitaler Nachbearbeitung sind die Bilder geprägt von den Interaktionen menschlicher Nutzung: Fingerspuren, aber auch Staub und technische Artefakte werden Teil der Bilder, die so auch das Streben nach Perfektion hinterfragen. 

Wie hast du deinen Stil gefunden?
Mich interessierte, wie wir durch unseren Umgang mit Smartphones, den Screens, unseren digitalen/virtuellen Erinnerungen beeinflusst werden. So begann ich, mir diese Oberflächen genauer anzusehen und diesen fotografisch zu nähern. Entscheidend für mich sind dabei die Unschärfen und Zwischenräume zwischen den digitalen Geräten und den Menschen, welche diese bedienen. Die sich perfekt anschmiegenden Screens wie auch die unendlichen Datenspeicher, welche wie ein ausgelagertes menschliches Gehirn unsere Erinnerungen ergänzen, sind ja ein Versprechen an eine für Menschen eigentlich unerreichbare Perfektion: Alles kann berechnet werden, nichts muss (oder darf) mehr vergessen werden, und alles bleibt zumindest an der Oberfläche sleek, schön und glatt. Doch sobald die menschliche Berührung ins Spiel kommt, bleiben die Fingerspuren an der Oberfläche: Spuren aus Fett und Staub. Vielleicht ein Kratzer aus einem Missgeschickt heraus. Und das finde ich das Schöne daran: dass sich in all dem immer noch das Menschliche abzeichnet, das Unberechenbare und Chaotische und Unkontrollierbare. Aus diesen Gedanken entwickle ich dann meine Bilderwelten. 

Doch sobald die menschliche Berührung ins Spiel kommt, bleiben die Fingerspuren an der Oberfläche: Spuren aus Fett und Staub.

michaela putz eva kelety
michaela putz eva kelety
Soloshow Bildraum. Fotos: Eva Kelety, Bildrecht 

Wo arbeitest du?
Seit letztem Jahr habe ich ein Studio im SCHLOSS25, einer neu formierten Ateliergemeinschaft in einem ehemaligen Jagdschloss in Hietzing. Das Haus blickt auf eine lange und differenzierte Geschichte zurück. Im Moment gibt es 15 Ateliers, in denen in Wien ansässige Künstlerinnen arbeiten, viele mit Fokus auf zeitgenössischer queer-feministischer Kunst. Wir arbeiten alle individuell in unseren Studios, setzen nebenher aber gemeinsam Projekte und Veranstaltungen um. So sind wir zum Beispiel dieses Jahr auch bei Vienna Art Week vertreten, im Zuge derer man unsere Räumlichkeiten besuchen kann. Ich schätze die Dynamik und den Austausch mit den Künstlerinnen. Darüber hinaus habe ich auch in meiner Wohnung einen Arbeitsplatz. Eigentlich bin ich mit meiner Arbeit aber auch relativ örtlich ungebunden, mal abgesehen von den schon produzierten Arbeiten, die natürlich ihren Platz brauchen. Aber für meinen Arbeitsprozess selbst benötige ich meist nur Laptop und Kamera. Da ich Ortswechsel sehr schätze und auch immer wieder brauche, kommt mir das natürlich sehr gelegen. 

Ich schätze die Dynamik und den Austausch mit den Künstlerinnen. Darüber hinaus habe ich auch in meiner Wohnung einen Arbeitsplatz.

michaela putz memory
Memory

Hast du ein Bildarchiv, welches du regelmäßig durchforstest? Wie groß ist es? 
Ja. Für meine Arbeiten greife ich immer wieder auf mein privates Bildarchiv zurück. Die Größe kann ich so genau gar nicht benennen, da vieles auf unterschiedliche Festplatten und Geräte verteilt ist. Die Mühe, das zusammenzuzählen, habe ich mir noch gar nicht gemacht. Es ist jedenfalls groß genug, damit ich selbst immer wieder Neues entdecken oder in beinahe Vergessenes eintauchen kann. Mich interessiert beim Durchforsten vor allem die Frage, wie sich der Prozess des Erinnerns durch die Nutzung von Smartphone, Digitalkamera und Computer verändert hat. Bei digitalen Bildern denkt man oft sofort an etwas „Ätherisches“, weil sich eine digitale Datei per se ja nicht berühren lässt. Doch trotz allem ist der Umgang mit diesen Daten – und auch dem digitalen Bilderarchiv – sehr haptisch geworden. Visuelles Erinnern heißt ja mittlerweile zum Großteil, Bilder auf dem Screen abzurufen. Und wie wir auf diese Erinnerungen „zurückgreifen“, ist ganz anders als bei etwa analogen Bildern: Wir greifen direkt in die Bilder hinein, zoomen, wischen, berühren diese unablässig. Deshalb interessiert mich diese zusätzliche Ebene über den erinnernden Bildern: die Spuren aus Staub und dem Fett unserer Finger, die auf dem Screen übrig bleiben; die sich erinnernde Person, die sich auf dem Screen widerspiegelt; die Pixel, die sich durchs Zoomen ergeben.  

An welches Projekt erinnerst du dich gerne zurück? 
Sehr gerne erinnere ich mich an den Beginn meines Projekts Screen Romance. Diese Serie beschäftigt sich mit der Frage, wie wir mit dem Bildmaterial von verflossenen Liebesbeziehungen umgehen. Analoge Bilder von vergangenen Lieben konnte man einfach in eine Box legen und wegräumen, doch digital festgehaltene intime Momente gehen ja direkt in die Cloud ein und begleiten uns so weiterhin. Dieses immer wieder erinnert werden und die damit einhergehende Unmöglichkeit, wirklich zu vergessen, finde ich spannend. Ruft man diese Bilder am Smartphone wieder auf, sind das auch sehr intime Gesten, denn der Screen muss sensibel berührt und beinahe gestreichelt werden. 

Für den Startschuss des Projekts habe ich eine Artist Residency in Andalusien gemacht, in einer von einem britischen Ehepaar umgebauten Hacienda in einem Naturschutzgebiet mitten im Nirgendwo. Dort gab es kaum Telefon- und Internetempfang, was eine interessante Situation war, um an einem Projekt zu arbeiten, das sich mit Digitalität und Virtualität beschäftigt. Mir wurde wieder bewusst, wie lange die Tage in meiner Kindheit waren, als man noch nicht von Smartphones abgelenkt war. Das Arbeiten war so fokussierter, und jeden Abend habe ich mit den anderen anwesenden KünstlerInnen den intensiven Sternenhimmel betrachtet.  

Was hältst du von Kooperationen und Künstler*innengruppen?
Sehr viel. Ich denke, dass die Kunstwelt schon ohnehin schon zu sehr auf Individualismus und Konkurrenz aufgebaut ist. Da sind Kooperationen und das Arbeiten im Kollektiv ein guter Gegenpol und bieten Potenzial, viele neue Ansätze in Bewegung zu setzen. Ende 2016 bin ich zu 280A gestoßen, einem internationalen Zusammenschluss an KünstlerInnen, die mit einem erweiterten fotografischen Begriff arbeiten. Gemeinsam haben wir viele Publikations- und Ausstellungs-Projekte im In- und Ausland umgesetzt. Dabei ging es auch immer stärker um die Aufhebung des KünstlerInnen-Egos, das sich Aufgeben für die Arbeit im Kollektiv. Das finde ich immer noch wahnsinnig spannend an der Zusammenarbeit. 

Hast du noch weitere Projekte heuer geplant?
Mein größtes Projekt ist die Fertigstellung meines Artist Books. Ich habe den Februar in Lissabon verbracht, um einen Book Dummy zu produzieren. Dieser soll nun in Auflage produziert werden und noch in diesem Jahr über den Verlag XYZ Books erscheinen. Durch die Corona-Situation hat sich alles ein wenig verzögert, aber ich arbeite gerade mit einem Grafiker an den letzten Schliffen und freue mich schon auf das fertige Buch. 

Michaela Putzwww.michaelaputz.com