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München Kunst

Debütant*innen 2023. München

Mit der jährlichen Ausstellungsreihe Debütant*innen fördert der Berufsverband Bildender Künstler*innen München und Oberbayern e.V. (BBK) bereits seit 1982 junge künstlerische Talente aus Bayern.
An Laphans
An Laphan: „THE IMPOSTER PRAYERS“ (2023) in der Ausstellung Debütant*innen 2023, Galerie der Künstler*innen. (Courtesy: Galerie der Künstler*innen; Photo: Magdalena Jooss)

Die Ausstellung soll drei ausgewählten Kunstschaffenden die Möglichkeit bieten, ihr öffentliches Debut an einem zentralen Präsentationsort für zeitgenössische Kunst in München zu feiern und ihre Arbeiten dabei einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen.

Zugleich umfasst die Nachwuchsförderung auch drei begleitende Monografien – finanziert mit Unterstützung des Freistaates Bayern und der LfA Förderbank Bayern – die den Künstler*innen nicht nur ein weiteres Medium als künstlerisches Ausdrucksmittel bieten, sondern auch eine überregionale Sichtbarkeit ermöglichen sollen. Die Galerie der Künstler*innen präsentiert in diesem Jahr die Arbeiten von Lukas Hoffmann, Constanza Camila Kramer Garfias und An Laphan im Rahmen einer thematisch vielschichtigen und künstlerisch hochwertigen Gruppenausstellung.

Die Veröffentlichung der drei Publikationen findet im Rahmen der Ausstellungseröffnung statt.

Lukas Hoffmann eröffnet in der Galerie der Künstler*innen einen dynamischen, von Pflanzen bevölkerten Kosmos, der die Systeme der Natur – und damit auch unser Verhältnis als ein Teil von dieser – zum Ausgangspunkt nimmt. Durch Materialkombination, Gestaltung und die Setzung der einzelnen Elemente zueinander, lässt er die skulpturalen Pflanzen zu handlungsmächtigen Figuren werden und legt im Ausstellungsraum eine offene, mäandernde Erzählung mit Fixpunkten, aber auch Leerstellen an, die mit eigenen Assoziationen aufgefüllt werden können.

Hoffmanns Pflanzen sprechen unter anderem über Positionierungen – ihre eigene innerhalb des Displays, aber auch darüber hinaus – in einem breiteren Geflecht aus Hierarchien, Symbiosen und Abhängigkeiten. Sie erzählen von Wachstum und Veränderung.

Zugleich finden sich immer wieder auch Momente einer ambivalenten Gewalt in den Arbeiten, etwa in Form von Dornen und Stacheln: es ist eine Gewalt, die zwar ängstigen kann, dabei aber nicht grundsätzlich schlecht, sondern notwendige Funktion einer natürlichen (und realistischen) Welt ist. Hoffmanns Arbeitsweise spiegelt die Raumerfahrung: sie ist geprägt von einem langen Prozess des Ausprobierens und Suchens – von Materialien, Formen und Verbindungen – von stetem, schrittweisem Arbeiten und intuitivem Annähern, bis ein System im Gleichgewicht entsteht. Jedes installative Element ist dabei selbst produziert und durchläuft im Fertigungsprozess immer wieder neue künstlerische Entscheidungen und Reaktionen. Für Hoffmann sind Technik und Natur keine Gegensätze, sondern bilden ein einheitliches Ganzes.

Die künstlerische Praxis von Constanza Camila Kramer Garfias sprengt die traditionellen Themenfelder der Textilkunst. Die chilenisch-deutsche Künstlerin arbeitet in breit aufgestellten Serien, die neue inhaltliche Bezüge und Auseinandersetzungen innerhalb dieses traditionsreichen Mediums öffnen, und zeigt so, wie vielschichtig Textilien als eigenes Genre in den bildenden Künsten sein können. Ihre Wandarbeiten und raumfüllenden Installationen sind spielerische Auseinandersetzung und Neuinterpretation von Material und Materialität, die die Techniken der textilen Kunst mit einem Interesse an Digital Cultures verbinden.

In der Galerie der Künstler*innen zeigt Kramer Garfias eine neu entstandene Jacquard-Serie, die auf den Fuhrpark eines Ravensburger Autorennstalls Bezug nehmen und die ästhetische Sprache und Materialität von Rennsport, im Besonderen Driftrennen, aufgreifen.

Durch ein spielerisches Experimentieren mit Formen und Materialmischungen überträgt Kramer Garfias den sich – durch die choreografierten Bewegungen des Driftens und das hohe Fahrtempo – wandelnden Korpus der Fahrzeuge ins Textil.

Im nächsten Raum präsentiert die Künstlerin eine neue, performativ aktivierbare Installation, die auf jahrhundertealte Webtraditionen der Anden-Region verweist. In dem Bildgewebe der Arbeit finden sich neben Mapuche-Mustern auch Darstellungen von Weberinnen, die mit traditionellen Handwebtechniken arbeiten. Kramer Garfias entwickelt so den kollektiven Charakter und Community-Gedanken von Webgruppen heraus: denn Weben ist eine Praxis, die auf dem Teilen von Wissen und Techniken, auf gegenseitiger Unterstützung und Hilfe innerhalb der jeweiligen Gruppe beruht.

An Laphans künstlerische Arbeiten zeigen zum Teil sehr persönliche, jedoch nie private Auseinandersetzungen mit Identitätsfragen, Körperpolitiken und Traumata. In der Galerie der Künstlerinnen zeigt Laphan drei Videos einer Reihe, die mit autobiografischem Bezug, aber auf abstrakte Weise die Migrationserfahrung (süd-)vietnamesischer Menschen der ersten und zweiten Generation reflektiert.

Zentrale Motive sind hier Momente einer gespaltenen Identität, Fragen der Zugehörigkeit und die Wertschätzung migrantischer Lebenserfahrung. „INTUITIONS ABOUT VIETNAMESE DEATH“ (2022) ist eine komparatistische Studie der Repräsentation vietnamesischer Körper im Film, vornehmlich im Hollywood-Kino. Laphan schöpft hier aus der eigenen Seherfahrung in seiner Jugend und untersucht Unbehagen und Klischees in der Darstellung vietnamesischer Zivilistinnen und Nichtkombattanten, die in den Filmen sterben. Wie viel Empathie wird dem Tod dieser Körper – etwa in der ihnen zugestandenen Zeit, aber auch der physischen Nähe – im Vergleich zu ihren weißen Konterparts filmisch gestattet? Zugleich hinterfragt das Video heutige Rezeptionssituationen, also das Wie und Wo wir Filme schauen.


In „ULTRAMARINE“ (2018-2023), einer fortlaufenden Serie dokumentarischer Interviews mit US-Vietnamesinnen, protokolliert Laphan durch Flucht und Immigration geprägte Erfahrungen und Erlebnisse, die sonst oft nur im familiären Kreis geteilt werden.

„THE IMPOSTER PRAYERS“ (2023) schließlich begibt sich in das Spannungsfeld zwischen privilegiertem Aufwachsen im Westen und dem Trauma der Elterngeneration. Welche Identität – Deutsch oder Vietnamesisch – kann die zweite Generation für sich reklamieren, ohne sich als Hochstaplerin zu fühlen?

Debütant*innen mit: Lukas Hoffmann, Constanza Camila Kramer Garfias, An Laphan
Dauer der Austellung: 05.09. – 01.10.2023

Adresse und Kontakt:
Galerie der Künstler*innen
Maximilianstr. 42, 80538 München
http://www.bbk-muc-obb.de

Künstler*innen Biographien

Lukas Hoffmann (*1990, Aalen) lebt und arbeitet in München. 2013-2022 Studium an der AdBK München, von 2021-2022 als Meisterschüler bei Pia Fries. Er erhielt u.a. folgende Stipendien und Auszeichnungen: Junge Kunst und neue Wege, Stipendium für Junge Kunst, Freistaat Bayern (2021), Stipendiat des Akademievereins München (2021-2026), Examenspreis für herausragende künstlerische Leistung, Stiftung Kunstakademie (2020). Seine Arbeiten waren zuletzt zu sehen bei: „Salon M“, Sparewheel, Brüssel (BE, 2023); Heat Trap“, Orangerie, München (2023); „an open net casts shadows“, Kunstbunker Nürnberg (2022); „The best years of our lives“, ŁECTWO, Warschau (PL, 2022); „KATA KOMB“, Haus der Kunst, München (2021); „twittering machine“, Burggalerie, Halle/Saale (2021) – https://www.lukashoffmann.org/ http://www.instagram.com/lukas_hoffmann_/

Constanza Camila Kramer Garfias (*1988, Viña del Mar, Chile) lebt und arbeitet in München. 2009-2011Studium Mode- & Kommunikationsdesign, Deutsche Meisterschule für Mode, München; 2017 BA und 2019 MA in Conceptual Textiles, Burg Giebichenstein Halle/Saale. 2020/21 Studium der Philosophie und Italianistik, LMU München. Sie erhielt u.a. folgende Preise und Förderungen: espacio 218-Residenz (Santiago, CL 2023); incubator Sonderpreis, Portrait Art Venedig & a.topos (Venedig, IT 2022); Junge Kunst und neue Wege, Stipendium für Junge Kunst, Freistaat Bayern (2022). Ihre Arbeiten waren zuletzt u.a. bei: ART BASEL Miami Beach, Gallery Kendra Jayne Patrick (USA); „The creative room #2“, a.topos, Venedig/IT (beide 2022); „Chilean Conexión“, Monopol Areal, Berlin; „Traverse“, AMALGAMA Art Ltd, London/UK; „International KOGEI Award“, Takaoka Art Museum, JP (alle 2021) – http://www.constanzacamila.com/ http://www.instagram.com/lifeishyperreal

An Laphan (*1990, Landshut), lebt und arbeitet in München. 2010-2018 Studium der Neuen Medienkunst und Zeitbasierten Medien an der AdBK München bei Julian Rosefeldt und als Meisterschüler bei Klaus vom Bruch. 2014-2015 Studium bei Isaac Julien und Razvan Radulescu an der HFG Karlsruhe. Er erhielt u.a. folgende Auszeichnungen und Stipendien: Erwin und Gisela von Steiner-Stiftung (2023), Junge Kunst und neue Wege, Stipendium für Junge Kunst, Freistaat Bayern (2021); Residenzstipendium der Villa Kamogawa, Goethe-Institut Kyoto (JP, 2019); USA-Stipendium des Bayerischen Staatsministeriums (2018). Seine Arbeiten waren zuletzt zu sehen bei: „Vaster Than Empires And More Slow“, halle50, München (2022); Verbindungsstücke – Goethe-Institut Villa Kamogawa (Kyoto 2021); „Innercircle“, Färberei Köşk, München (2019) – https://laphanelephant.com/ http://www.instagram.com/laphanesque/

English

Since 1982, the BBK (Berufsverband Bildender Künstlerinnen München und Oberbayern e.V.) has been promoting young artistic talents from Bavaria with its annual exhibition series Debütant*innen. The exhibition is intended to offer to three selected artists the possibility to celebrate their public debut in an exhibition space for contemporary art in the center of Munich and to introduce their works to a broader public. At the same time, the promotion of young artists also includes three accompanying monographs – co-financed by the Free State of Bavaria and the LfA Förderbank Bayern – intended not only to provide the artists with another medium as a means of artistic expression but also to give them trans-regional visibility.

This year, the Galerie der Künstler*innen presents the works of Lukas Hoffmann, Constanza Camila Kramer Garfias and An Laphan as part of a thematically multi-layered and artistically superb group exhibition.

Lukas Hoffmann introduces us to a dynamic cosmos populated by plants within the gallery space, taking the systems of nature – and thus also our relationship as a part of it – as a starting point. Through the combination of materials, the composition and the placement of the individual elements in relation to one another, he allows the sculptural plants to become powerful figures and creates an open, wandering narrative in the exhibition space that contains focal points, as well as empty spaces that can be filled with the viewer’s own associations.

Among other things, Hoffmann’s plants talk about positioning – their own positioning within the display, as well as beyond it – within a broader interwoven web of hierarchies, symbioses, and interdependencies. They tell a story about growth and change.

At the same time, the works include recurring moments of ambivalent violence, for example in the shape of thorns and spikes: although not fundamentally bad, it is a violence that can be frightening, but which is also a necessary function of a natural (and realistic) world. Hoffmann’s practice mirrors the experience of space: it is characterized by a long-term process of testing and searching – for materials, forms, and connections – of constant, step-by-step work and intuitive approximation until a system in equilibrium emerges. Each installational element is thereby self-produced and undergoes ever-new artistic decisions and reactions in the production process. For Hoffmann, technology and nature are not opposites, but form a unified whole.

Constanza Camila Kramer Garfias’ artistic practice disintegrates the traditional notions and motifs of textile art. The Chilean-German artist’s large-scale serial works open up new thematic references and explorations within a medium that is steeped in tradition, demonstrating how multi-layered textiles can be as a genre in their own right in the context of visual arts. Her large-scale wall works and spacious installations are playful explorations and reinterpretations of materials and materiality, combining the techniques of textile art with an interest in Digital Cultures.

In Galerie der Künstler*innen Kramer Garfias shows a new series of Jacquard works, which reference the fleet of cars of a Ravensburg racing team and take up the aesthetic language and materiality of motorsport, in particular that of drift racing. Through a playful experimentation with forms and material combinations, Kramer Garfias transfers the changing corpora of the vehicles – due to the choreographed movements of drifting and the high driving speed – into the fabric.

In the next room, the artist presents a new installation that refers to centuries-old weaving traditions of the Andes region. The pictorial fabric of the work contains Mapuche patterns as well as depictions of weavers working with traditional hand-weaving techniques. Kramer Garfias thus destillates the collective character and communitas of weaving groups: because weaving is a practice based on knowledge and technique sharing, on mutual support and help within the respective group.

An Laphan’s artistic works display at times highly personal, yet never private, explorations of questions related to identity, body politics, and trauma. In the Galerie der Künstler*innen, Laphan presents three videos from a series that, in abstracted autobiographical reference, reflects on first- and second-generation migrational experiences of the (South) Vietnamese diaspora.

Central themes here include moments of a split identity, questions of belonging, and the appreciation for experiences of migrant life. „INTUITIONS ABOUT VIETNAMESE DEATH“ (2022) is a comparative study of the representation of Vietnamese bodies in film, primarily in Hollywood cinema. Within it, Laphan draws from visual memories of his youth and explores discomfort and stereotypes in the portrayal of Vietnamese civilians and non-combatants who die in these films. How much empathy is granted to the death of these bodies cinematically – in terms of the time allotted to them but also in terms of sensory proximity – compared to their white counterparts? Simultaneously, the video questions contemporary modes of reception, as in How and Where we watch films.


In „ULTRAMARINE“ (2018-2023), an ongoing series of documentary interviews with US-Vietnamese survivors of refuge, Laphan documents experiences and stories shaped by exodus and immigration, which are often only shared within the closest family.

Finally, „THE IMPOSTER PRAYERS“ (2023) delves into the tension between privileged upbringing in the West and the trauma of the parental generation. Which identity – German or Vietnamese – can the second generation claim for themselves without feeling like impostors?

A group exhibition with: Lukas Hoffmann, Constanza Camila Kramer Garfias, An Laphan.
Exhibition Duration: 05.09. – 01.10.2023

Address and Contact:
Galerie der Künstler*innen
Maximilianstr. 42, 80538 München
http://www.bbk-muc-obb.de

Lukas Hoffmann (*1990, Aalen) lives and works in Munich. He studied from 2013-2022 at the AdBK Munich and from 2021-2022 was a master student with Pia Fries. He has received the following scholarships and awards, among others: Young Art and New Ways, Scholarship for Young Art, Free State of Bavaria (2021), Scholarship of the Academy Association Munich (2021-2026), Exam Award for Outstanding Artistic Achievement, Foundation Art Academy (2020). His works were last seen at: „Salon M“, Sparewheel, Brussels (BE, 2023); „Heat Trap“, Orangerie, Munich (2023); „an open net casts shadows“, Kunstbunker Nuremberg (2022); „The best years of our lives“, ŁECTWO, Warsaw (PL, 2022); „KATA KOMB“, Haus der Kunst, Munich (2021); „twittering machine“, Burggalerie, Halle/Saale (2021) – https://www.lukashoffmann.org/ http://www.instagram.com/lukas_hoffmann_/

Constanza Camila Kramer Garfias (*1988, Viña del Mar, Chile) lives and works in Munich. 2009-2011 Studies Fashion & Communication Design, Deutsche Meisterschule für Mode, Munich; 2017 BA and 2019 MA in Conceptual Textiles, Burg Giebichenstein Halle/Saale. 2020/21 Philosophy and Italian Studies, LMU Munich. Her awards and grants include espacio 218 residency (Santiago, CL 2023); incubator special award, Portrait Art Venice & a.topos (Venice, IT 2022); Young Art and New Ways, Scholarship for Young Art, Free State of Bavaria (2022). Her works have recently been shown at: ART BASEL Miami Beach, Gallery Kendra Jayne Patrick (USA); „The creative room #2“, a.topos, Venice/IT (both 2022); „Chilean Conexión“, Monopol Areal, Berlin; „Traverse“, AMALGAMA Art Ltd, London/UK; „International KOGEI Award“, Takaoka Art Museum, JP (all 2021) – http://www.constanzacamila.com/ http://www.instagram.com/lifeishyperreal

An Laphan (*1990, Landshut), lives and works in Munich. 2010-2018, he studied New Media Art as Meisterschüler under Klaus vom Bruch and Time-based Media under Julian Rosefeldt and at AdBK Munich. 2014-2015, he studied Moving-Image and Film under Isaac Julien and Razvan Radulescu at the HFG Karlsruhe. His awards and fellowships include Erwin and Gisela von Steiner-Stiftung (2023), Junge Kunst und neue Wege, Fellowship for Emerging Art, Free State of Bavaria (2021); Villa Kamogawa Artist Residency, Goethe-Institut Kyoto (JP, 2019); Bavarian State Ministry of Sciences and the Arts USA-Scholarship (2018). His work was most recently seen at: „Vaster Than Empires And More Slow“, halle50, Munich (2022); Verbindungsstücke – Goethe-Institut Villa Kamogawa (Kyoto 2021); „Innercircle“, Färberei Köşk, Munich (2019) – https://laphanelephant.com/ http://www.instagram.com/laphanesque/