2015 wurde diese Idee am Dj-Pult zunächst musikalisch ‚geboren‘ (Sets u.a. bei ImPulsTanz on decks, brut imagetanz, Wiener Perspektive uvm.) und reift seit 2019 zu einem performativen Kollektivprojekt heran.
Was hat euch zur Performance/Theorie gebracht?
Johanna: Mein eigener Werdegang war ein etwas ratloses Mäandern durch verschiedene Theaterbereiche (Bühnenbild, Regie, Dramaturgie, Kulturmanagement usf.), das ich heute – weniger kritisch – als begründete Unentschiedenheit und notwendige Suche wahrnehme; ich wusste erst im Laufe meines Studiums der Theater-, Film- und Medienwissenschaft, dass mich Kulturtheorie und Ästhetik interessiert. Ich glaube dieses spezifische Ornament, das durchs Mäandern entsteht, diese choreografische Wendigkeit, die eigene Biografie sehr gut veranschaulicht. Ich hatte zunächst kein Bedürfnis selbst zu „produzieren“, sondern mich mit den Arbeiten anderer auseinanderzusetzen, Wissen anzueignen (später auch zu vermitteln) und historisches Material kritisch zu reflektieren, um neue Transfers für die Gegenwart herzustellen. Ich mag es sehr gerne alleine zu denken, fast eremitisch isoliert zu tüfteln, aber auch regelmäßig den Austausch mit anderen zu suchen, ist sehr wichtig. Erst im Masterstudium und aktuell im Doktorat beschäftigt mich zunehmend meine eigene Artikulationsform – das Schreiben. Sprache und ihre Grenzen per se eigentlich. Es ist meines Erachtens ein Irrglaube, dass wissenschaftliches Schreiben nicht persönlich oder kreativ sein kann. Zumindest in den Kultur- und Geisteswissenschaften jonglieren wir ja viel mit Sprache. Vorträge können wiederum sehr poetisch, assoziativ und gleichzeitig wissenschaftlich fundiert sein. Aber zugegeben, es ist sicher einfacher, sich hinter dem Gegenstand – mit einer gewissen sachlichen Distanz – zu schützen, als bei einer eigenen Performancearbeit. Aber auch das ändert sich mittlerweile in der Wissenschaft. Andersherum habe ich in meiner wissenschaftlichen Arbeit nicht die Freiheit einer Künstlerin, sondern bin auch an institutionelle Rahmenbedingungen gebunden. Schreiben ist für mich ein Prozess, der sehr lustvoll sein kann, aber die meiste Zeit auch sehr beschwerlich ist; an der eigenen Substanz zerrt. Nicht zufällig gibt es den Vergleich mit dem Gebären. (Die Göttin Athene steht als Mahnmal der Kopfgeburt auf meinem Schreibtisch). Ich glaube es war Maggie Nelson, die schrieb, das eigene Schreiben ist Ausgleich, Erinnerung, Verarbeitung aber auch einfach Zeit tot schlagen. Das gefällt mir ganz gut.
Sophia: Ich hab ganz klassisch mit dem Ballett Unterricht als Kind begonnen und mich schon sehr früh in der Bewegung wohl gefühlt, viel mehr als in der Sprache. Nach meinem Kunstgeschichte Studium in Graz bin ich dann in Wien gelandet und hab mich dann für ein Tanz Studium entschieden. Zwischendurch war ich ein Jahr in Lissabon an der „Escola Superior de Danca“ und konnte ein paar Kontakte zu verschiedenen Performance spaces aufbauen. In Lissabon ging man einfach wohin und zeigte einen Ausschnitt der Arbeit oder einfach eine spontane Performance, das hat mich anfangs sehr viel Mut und Überwindung gekostet. Nachdem ich wieder zurück nach Wien gekommen bin, hab ich versucht diese Spontanität in meinen Projekten mitschwingen zu lassen. Es gibt ja auch einige Räumlichkeiten in Wien, wo man schnell mal Zugang bekommt, aber die Überwindung spürte ich in Wien schon nochmal viel stärker.
Wie entsteht ein gemeinsames Projekt/ Choreografie?
Sophia: Das Forschen in der Kunst, oder forschen mittels Kunst, ist bei uns eine kleine Odyssee, sprich: mit vielen Irrwegen verbunden und ein Eintauchen ins Wechselbad aus Euphorie und Frustration. Wir sprechen und diskutieren viel miteinander, tauschen unsere Ideen und Vorstellungen aus, erstellen zusammen mood boards und generieren Bewegungsmaterial. Das alles versuchen wir zueinander in Beziehung zu setzen.
Johanna: Ich häufe zunächst viel theoretisches Futter an. Da stürze ich mich gerne hinein. Anfangs beginne ich mit groß angelegten Recherchen zum Thema, um mich (lesend) anzunähern, viel zu notieren und wir diskutieren dann einige ausgewählte Texte oder Passagen. Dabei ist es für uns wichtig, immer gleich die Transfers zum eigenen Projekt herzustellen. Das große Ganze und die kleinen, intimeren Parts zu verbinden. Wir versuchen, wie bei ECHO, einen gemeinsamen Modus zu erarbeiten und eine hybride Form zu finden. Das ist dann meist nur eine kleine Schnittmenge, mit der wir dann gut arbeiten können und die dann unsere Struktur bildet. Wir müssen uns im Rechercheprozess immer wieder neu annähern, das heißt, es ist eigentlich ein ständiges Austarieren von uns selbst, unseren Positionen/Zugängen und überhaupt von Kunst und Forschung – da ist sehr viel Empathie gefragt, auf den anderen einzugehen. Da gibt es viele manisch-depressive Episoden im Studium (lacht) aber das Grundvertrauen als „gegenseitiges Echo“ ist immer die erste Instanz. Im besten Fall ist das Ergebnis ein mutual learning, das transparent gemacht wird.
Welche besonderen Herausforderungen gibt es?
Sophia: Ein gemeinsames Projekt von uns bedeutet immer transdisziplinäres Arbeiten. Die Zugänge sind bei allen Gemeinsamkeiten doch sehr verschieden. Diese Erfahrung machen wir immer wieder, obwohl wir uns ja sehr gut kennen. Das ist eigentlich die größte Herausforderung: Das synergetische Zusammenspiel künstlerischer und wissenschaftlicher/akademischer Wissensformen und Verkörperungen.
Johanna: Meine persönliche und größte Hürde in der Zusammenarbeit ist, nicht zu konzeptuell zu arbeiten, sondern mich immer wieder ins Offene hinein zu bewegen, die theoretische Sicherheit aufzugeben, sprich: Ausprobieren, Improvisieren, Experimentieren. Ohne viel Theorie und Denkarbeit. Das ist sehr gegenläufig zu der akademischen Arbeitsweise, wo wir ja viel über Methoden, Praktiken und Diskurse begründen, aber es ist für mich auch ein learning, das ich dann für das eigene Schreiben und Arbeiten nutze. Das heißt, ich muss hier immer wieder lernen, mich von Modellen und Konzepten zu verabschieden, in diesem Sinne – undiszipliniert sein. Oder vielleicht anders gesagt, es ist ein ständiges Überprüfen von intellektueller Idee und szenischer Umsetzung.
Sophia: Wir haben gelernt, das gemeinsame Projekt auch als Lernprozess zu begreifen und weniger als das bewusste Auflösen der Grenzen, auch Scheitern soll erlaubt sein.
Können virtuelle Veranstaltungen das Erlebnis transportieren?
Johanna: Ich denke, für gewisse Formate ist eine virtuelle, immersive Erfahrung total spannend. Für ein live-generiertes Erlebnis (ob gestreamtes Theater, Performance oder Tanz) funktioniert für mich die „Übersetzung“ weniger. Videodokumentationen sind beispielsweise ungemein wichtig für Recherche und Analyse (von Bewegung und Körper) – ich arbeite viel damit – aber wenn es die Möglichkeit gibt, ziehe ich den analogen doch dem digitalen Raum vor. Vielleicht bin ich da eine alte Seele. Die Erforschung digitaler Techniken im Theater- und Kunstbereich verfolge ich aber mit großem Interesse und Staunen. Das gehört zu meinem Arbeitsalltag, informiert zu sein. Vor allem was die Dramaturgie virtueller Räume, Diskursmodi und Aufmerksamkeitsökonomien betrifft, aber auch Zugang und Reichweite dieser Formate. Zum Beispiel die Frage: Was sind die Trennlinien zwischen ‚virtuell‘ und ‚real‘?
Sophia: Da kann ich mich an Johannas Antwort nur anschließen. Ich bin erstaunt wie schnell Performer*innen ihren Platz in den virtuellen Räumen gefunden haben. Für mich bleibt es ein Experiment, etwas, dass mich neugierig macht und nicht fassbar erscheint. Es gibt so endlos viele Möglichkeiten, ich bin froh, wenn ich da ein virtuelles Format für mich finde, dass mit meiner Arbeit zusammen geht.
Habt ihr ein Ritual vor Auftritten?
Johanna: Eigentlich nicht. Du, Sophia? Ich versuche nach außen hin der Zen-Ruhepol zu sein, ich habe aber allerdings irgendwann bemerkt, dass ich vor Auftritten (ich bin ja behind the scenes) die Luft anhalte und erst wieder (mindestens gefühlt) ausatme, wenn der Auftritt vorbei ist und Sophia den Bühnenraum verlässt.
Sophia: Es kommt ein bisschen auf die Bedingungen des Aufführungsortes an, im Theater nehme ich mir Zeit und Ruhe, mich auf das Aufwärmen, die Atmung und die Stimmung des Stückes zu fokussieren, da will ich auch dann nicht mehr viel sprechen sondern kehre sehr in mich. In einem Club z.b. gibt es diese Ruhe davor nicht, da bespricht man sich bis zum Schluss mit den Leuten oder dem Act davor und nimmt quasi diese Energie mit auf die Bühne.
HÖRFRAU Kollektiv – www.instagram.com/hoerfrau_kollektiv/