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Wien Kunst

Skulptur. Collective Action Viewer

Der Collective Action Viewer stellt unsere Sehgewohnheiten in Frage. Anhand der Medienskulptur mit dem Titel Collective Action Viewer beschäftigen sich Verena Tscherner und Joerg Auzinger mit gesellschaftspolitischen Themen seines Standorts. Der Collective Action Viewer besteht aus einem Aussichtsfernrohr, das die Menschen in Ihrer Wahrnehmung herausfordert und gleichzeitig die Auswirkungen des Klimawandels auf künstlerische Weise sichtbar und somit für die Betrachter*innen begreifbarer macht.
Verena Tscherner & Joerg Auzinger
Verena Tscherner & Joerg Auzinger – Collective Action Viewer

Das Fernrohr wird in seiner Funktion ad absurdum geführt und die Künstlerinnen geben den Ausschnitt und die Aussicht vor. Ein virtuelles Überschwemmungsszenario, nur durch das Fernrohr sichtbar, wird durch die Aufmerksamkeit der Betrachterinnen aufgelöst und verweist auf die Handlungsfähigkeit des Individuums. Dieses Projekt wird im Rahmen der Biennale for Change 2021 am Karlsplatz in Wien für alle frei zugänglich im öffentlichen Raum gezeigt.

Collective Action Viewer. Wie kommt man auf die Idee?
Das Thema Klimafürsorge hat uns schon sehr lang beschäftigt und wir haben im Zuge anderer Projekte mit Aussichtsfernrohren beschäftigt. Im Lockdown hatten wir dann viel Zeit zum Nachdenken und konnten dieses Projekt weiter voran treiben, atmen lassen und dann schlussendlich in kompletter Eigenproduktion umsetzen. Angefangen haben wir mit einer langen Recherche und einigen Prototypen bis wir dann zu dem jetzt bestehenden Objekt gelangt sind.

Verena Tscherner & Joerg Auzinger

Könnt ihr uns mehr darüber erzählen?
An einem zentralen Platz im öffentlichen Raum am Karlsplatz in Wien steht der Collective Action Viewer, ein individuell angefertigtes bifokales Aussichtsfernrohr mit Blick auf einen Ausschnitt des Ortes. Diese Medienskulptur ist individuell für diesen Standort konzipiert und ähnelt nur äußerlich einem Aussichtsfernrohr, in dessen Inneren eine spezifische Technologie verbaut ist, welche es den betrachtenden Personen ermöglicht, ein erweitertes Bild der Umgebung zu sehen. Der Collective Action Viewer fungiert als zentrales Objekt am Platz und ist für Menschen jeder Körpergröße frei und kostenlos nutzbar. Im Sinne einer dezent invasiven und minimalistischen Kunstauffassung ist die Aufstellung der Medienskulptur der einzig sichtbare Eingriff in den Standort. Diese Intervention hat mehrere Visualisierungsebenen, welche unter Einbindung zeitgemäßer Technologien verbunden werden. Sobald die betrachtende Person durch die beiden Okulare des Collective Action Viewers blickt, sieht sie die reale Umgebung, welche durch digitale Elemente in dreidimensionaler Darstellung angereichert ist. Diese Erweiterung besteht aus ergänzten Elementen, die nur durch die Medienskulptur sichtbar sind. Sobald eine Person durch den Collective Action Viewer blickt, beginnt es zu regnen und ein Unwetter aufzuziehen. Zudem steigt der Wasserspiegel, ein Überschwemmungsszenario entsteht und der Ort droht virtuell zu ertrinken.

Im Collective Action Viewer wird diese Abfolge jedoch in umgekehrter Reihenfolge abgespielt. Die Person sieht zuerst den vom Hochwasser überschwemmten Platz.

Wenn die Person weiterhin durch den Collective Action Viewer blickt, startet das überlagernde Video und die immersive Situation beginnt. Im Video sinkt der Wasserspiegel in der Ansicht durch das Fernrohr. Je länger die betrachtende Person in den Collective Action Viewer blickt, desto weiter fließt das Wasser wieder ab und gibt den Platz wieder zunehmend wieder frei bis am Ende die reale Situation vor Ort sichtbar wird. Sobald niemand durch den Collective Action Viewer blickt, wird das Video wieder auf den Anfang zurückgesetzt. Gesteuert wird der Beginn und Fortlauf des Videos durch einen Sensor am Okular.

Kann durch diese künstlerische Intervention im öffentlichen Raum bei den betrachtenden Personen ein Bewusstsein für die regionalen Auswirkungen des globalen Klimawandels geschaffen werden?
Bei dieser Installation geht es nicht nur um Klimafürsorge, sondern um weitere künstlerisch relevante Ebene. Zum Beispiel wird ein Fernrohr ursprünglich an einem Aussichtspunkt positioniert, an dem die Menschen die Aussicht genießen sollen. Indem wir das Aussichtsfernrohr an einen zentralen und Standort in die Stadt bringen und auf einen unspektakulären U-Bahn Eingang fokussieren, führen wir die Funktion des Fernrohr ad absurdum. Ein weiterer Punkt ist die Wahl der Perspektive. Normalerweise bringt ein Teleskop etwas, das weit entfernt ist, näher an das Auge heran. In diesem Fall befindet der Standort des Collective Action Viewers jedoch an einem zentralen Platz mitten in der Stadt, und der Ort, auf den er blickt, ist zu Fuß gut erreichbar und liegt viel näher als üblich. Als künstlerische Entscheidung haben wir uns für eine Betrachtung mit einem fixen Fokus entschieden, da wir einen speziellen Ausschnitt festlegen wollten, da es uns wichtig war den Betrachtenden keine Wahl des Blickwinkels zu erlauben.

Welche Reaktionen erwartet ihr?
Für uns war und ist Kunst im öffentlichen Raum immer sehr spannend. Vor allem aber durch die Covid Pandemie, wurde dieser noch spannender, da es viel weniger Möglichkeiten für Ausstellungen im klassischen Kunstkontext gab. Das Kunstwerk wird an einem eher kulturfremden Ort aufgebaut und kann somit Menschen abseits des klassischen Kulturbetriebs anziehen. Diese ortsspezifische Medieninstallation hat die Möglichkeit außerhalb des gewöhnlichen Kunstbetriebs der breiten Bevölkerung das Thema Klimafürsorge näher zu bringen, im Sinne von: Climate change is real, art creates awareness. Diese Bewusstmachung kann man im spielerischen Umgang erfahren und ist für Menschen jeden Alters frei zugänglich.

Warum der Karlsplatz? Welche Erinnerungen verbindet ihr mit diesem Platz?
Wir haben explizit nach einem Platz im urbanen Raum gesucht, der gewisse Punkte erfüllt. Die Installation hat uns auf Grund der technischen und künstlerischen Voraussetzungen ortsmäßig klare Vorgaben gegeben. Diese Vorgaben waren zum Beispiel: es durften keine Autos im Bild sein, es sollte eine Fußgängerzone sein, und es musste genug Platz sein, um die Wasseranimation in 3D zu bauen. Dass es dann dieser Standort wurde, war ein wenig Zufall und Glück, da es ja nicht so einfach ist in Wien auch die entsprechenden Genehmigungen zu bekommen.

Wann und wo wird der Collective Action Viewer präsentiert?
Der Collective Action Viewer wurde bereits von Ende März bis Ende April am Rathausplatz in St. Pölten gezeigt. Nun steht er seit Ende Mai hier am Karlsplatz 14, beim südlichen Ende der Opernpassage, Ausgang Karlsplatz zwischen dem Café Resselpark und der evangelischer Schule und bleibt dort noch bis 3.Oktober 2021. Dann geht er wahrscheinlich noch einmal zurück nach St.Pölten für ein Monat, bevor wir ihn einwintern. Nächstes Jahr wird es von Anfang Mai bis Ende Oktober eine zweite Edition am oberen Stadtplatz in Hall in Tirol mit neuen Inhalten geben.

Collective Action Viewer – www.viennabiennale.org


Über Verena Tscherner: Geboren in Tirol, kam Verena Tscherner kurz nach ihrer Matura nach Wien. Sie studierte an der Universität für Musik und darstellende Kunst, Wien (MDW) an der sie 2014 ihren Abschluss machte. Von Oktober 2018 – Juni 2019 studierte sie auf der Schule Friedl Kubelka, Schule für künstlerische Photographie in Wien. Seit 2019 studiert sie als Zusatzqualifikation digitale Kunst bei Ruth Schnell auf der Universität für angewandte Kunst, Wien. Sie lebt und arbeitet als freischaffende Künstlerin in Wien. www.verenatscherner.com

Über Joerg Auzinger: Geboren in Linz, absolvierte Joerg Auzinger die Abteilung für Audiovisuelle Medienkunst an der Höheren technischen Bundeslehranstalt für Kunst und Design in Graz. Er studierte Digitale Kunst bei Peter Weibel, sowie Filmregie an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Wien bei Axel Corti. Joerg Auzinger ist freischaffender Medienkünstler und lebt in Wien und in der Steiermark. www.auzinger.net

Verena Tscherner & Joerg Auzinger fanden ihre Gemeinsamkeiten im Interesse interaktiver Medien, der menschlichen Wahrnehmung und des dringenden Problems der Klimakrise. Ihr neuer Projektvorschlag befasst sich mit dem Thema Climate Care in Kombination mit Bergen und insbesondere Gletschern und erkundet das Zusammenspiel von Mensch und Natur, Umwelt und Technologie. Der erste Teil dieses Projekts wurde 2021 realisiert und am Rathausplatz in St Pölten und von Mai – Oktober am Karlsplatz in Wien im Rahmen der Biennale for Change 2021 gezeigt.