Der Titel GEOSPIRIT ist einer Textpassage der Publikation Arts of Living on a Damaged Planet: Ghosts of the Anthropocene entlehnt und setzt sich aus dem griechischen Wort geo (Erde) und dem englischen spirit (Geist) zusammen. Bereits im Titel zeit sich Strugers Vorliebe für zeitgenössische Antikenrezeption, die bei Betrachtung der komplexen, detailreichen und opulenten Installation tiefe Bedeutung erfährt:
Auf dem Boden ruhen zwei gleich große nierenförmige Wasserbecken, denen jeweils 2,30m hohe Wasserspeier angesetzt sind. Die manieristisch-symbolistischen Speier vereinen eloquent bekannte kulturhistorische Motive mit zeitgemäßen industriellen Formen. Bekrönt sind die Speier von unheilvollen Köpfen: Ein Speier mit Januskopf als Triceps eröffnet drei Sichtachsen zum Raum. Ein Gesicht ist still, eins schreiend, das dritte streckt die Zunge samt schwarzem Wasser heraus. Der andere Speikopf ist ein unechter Zyklop, in der plastischen Ausarbeitung der sich schier unendlich wiederholenden Augen zitiert Struger behutsam alttestamentarische Ikonografie. Das geheimnisvoll-düstere Spektakel wird ergänzt von Abgüssen und Keramiken an der Wand. Die feine Ausarbeitung dieser zeigt Céline Strugers Neigung zum allegorischen decorum und archaischer Formensprache.
Die Steingussmasse schaut zudem geschliffen aus wie Marmor. Die Künstlerin erweckt mit ihren gegossenen Gargoyles alte versteinerte Seelen zum Leben. Trotz Stille im Raum, hört man die grotesken Mischwesen sirenenartig kreischen. Die Rachegeister sind wach und zeigen sich wütend, denn sie wurden belastet, vergiftet und ausgebeutet. Schöne, doch furchteinflößende Harpyien an der Wand umkreisen das Geschehen und nehmen die Betrachter*in ins Visier. Exaltierte Greifvogelkrallen verdeutlichen die scharfe Warnung an den Menschen. Die Erdgeister wollen ihn aufmerksam machen, ihm Grenzen aufzeigen in seiner seit der Industrialisierung verdichteten Aneignung der Natur und dessen Ressourcen. In der widersprüchlichen Verwendung aus anmutigen antiken Symbolen und arte povera zeigt die Künstlerin deutlich den unliebsamen Zusammenhang von Hochkultur und Niedergang und deutet in Endzeit einstimmende Vorahnungen an. Wie weit wird der Mensch gehen? Arbeitet er zielstrebig auf seinen eigenen Untergang hin? Und wie wird die Natur darauf reagieren?
Céline Struger wurde 1982 in Klagenfurt geboren und absolvierte zunächst ein Wirtschaftsstudium, bevor sie sich hauptberuflich der Kunst zuwendete. Ab 2011 studierte sie an der Universität für angewandte Kunst Wien, war zunächst in der Skulpturenklasse bei Hans Schabus, gastierte an der Gerrit Rietveld Academie in Amsterdam und absolvierte 2016 in der TransArts Klasse ihren Master mit Auszeichnung. Diverse Reisestipendien ermöglichten ihr Aufenthalte in Berlin, Paris, Südkorea, Kanada und Ungarn. Ausstellungen ebenda sind ergänzt durch Shows in Wien, Klagenfurt und Bratislava. Strugers künstlerisches Themenspektrum umfasst Postkapitalismus, humanistische Wertekritik, Ökologie und Mythologie. Ihre durchdachten Installationen und Skulpturen entwickelt sie für zumeist ortsspezifische Präsentationen. Die Künstlerin lebt und arbeitet in Wien.
Ausstellung: Céline Stuger. GEOSPIRIT
Dauer der Ausstellung: 14.01. bis 18.02.2023
Adresse und Kontakt:
She BAM! Galerie Lætitia Gorsy
Spinnereistrasse 7, Halle 3.C
Leipzig, Deutschland
www.shebam.art