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Katharina Grosse, Wunderbild, 2018 (Detail). Copyright: © VG Bild-Kunst Bonn, 2025. Foto: Jens Ziehe, Courtesy Deichtorhallen Hamburg
Katharina Grosse, Wunderbild, 2018 (Detail). Copyright: © VG Bild-Kunst Bonn, 2025. Foto: Jens Ziehe, Courtesy Deichtorhallen Hamburg

Die intensiven Farben sind gesprüht, hoch oben wird das Gelb dünner, die Pigmente zerstäuben. Ewig fließt die Farbe weiter, sie verschluckt, verändert. Die Halle für aktuelle Kunst der Deichtorhallen in Hamburg scheint der ideale Ausstellungsort für Katharina Grosse zu sein: Die deutsche Malerin hängt übergroße Stoffbahnen in dem riesigen Raum entlang von zwei Schienen ab, unten am Boden ziehen sich die Farbstränge weiter.

Katharina Grosse, Wunderbild, 2018 (Detail). Copyright: © VG Bild-Kunst Bonn, 2025. Foto: Jens Ziehe, Courtesy Deichtorhallen Hamburg
Katharina Grosse, Wunderbild, 2018 (Detail). © VG Bild-Kunst Bonn, 2025. Foto: Jens Ziehe, Courtesy Deichtorhallen Hamburg

Farbschlucht nennt ein Wandtext das Erlebnis, die Arbeiten in der Halle zu betrachten. Der Ausdruck könnte nicht passender sein. Nachdem im Hamburg der Hafen nie weit ist, entsteht der Eindruck einer Werft, in dessen U die Schiffe zur Reparatur gleiten. Und tatsächlich, ein Teil der Arbeit lässt das Bild eines riesigen Containerschiffes entstehen, das gerade an einem vorbeizieht. Weiter vorn scheint Licht von hinten durch die Bahnen – weshalb die Arbeit fast etwas Sakrales bekommt.

Zum ersten Mal arbeitet Katharina Grosse für die Arbeit Wunderbild mit Schablonen.1 An den Kanten der Schablonen sickert die Farbe manchmal durch und hinterlässt Punkte. Die Geste des Sprayens ist schnell, die Pistole ist eine Verlängerung des Arms. Durch die Auslassungen erinnert die Arbeit an Graffiti – und fährt da nicht tatsächlich gerade ein Zug draußen vorbei?
Die Stoffbahnen sind übereinander gelagert, bereits beim Sprayen, darunter lugen weiße Stellen hervor. Die Schablonen hat die Künstlerin manchmal verschoben, so ergeben sich unterschiedliche Ebenen. Es entsteht ein Wechselspiel zwischen den vor- und zurückspringenden besprayten und nicht besprayten Passagen, das Raum für eigene Interpretationen bietet und das Werk in einen lebendigen Reflexionsraum verwandelt, beschreibt der Pressetext. Hin und wieder hat die Besucherin den Eindruck, einen Buchstaben zu erkennen. Der malerische Untergrund ist ein dick gewebter Stoff, der glatt von oben nach unten läuft. An den Ecken ist jedoch keine klare Kante, der Stoff faltet sich wie bei einem ungeöffneten Vorhang.

Als Kind habe ich immer ein Spiel mit mir gespielt: Ich musste morgens, bevor ich aufstand, mit einem unsichtbaren Pinsel alle Schatten an der Wand, auf der Fensterbank oder der Lampe weg malen. Ich war wie besessen davon. Die Welt zu betrachten ist für mich schon immer damit verbunden gewesen, gleichzeitig etwas in ihr, mit ihr oder auf ihr zu tun, erzählt Katharina Grosse.

Die Farbe drückt sich durch, auch von der Rückseite kann Wunderbild bewandert werden. Eine zusätzliche Ebene bekommt die Arbeit durch die Soundinstallation von Stefan Schneider, die er für die Halle der aktuellen Kunst komponiert hat. Sporadisch setzt das Geräusch ein, es sind elektronische Töne, die einen fast surrealen Effekt auslösen.


Portrait Katharina Grosse. Copyright: © Foto: Larissa Hofmann
Portrait Katharina Grosse. © Foto: Larissa Hofmann

Aber wie und wo entstehen die riesigen Malereien? Regisseurin Claudia Müller hat die Künstlerin bei ihrer Arbeit im Atelier in Brandenburg begleitet. Der Dokumentarfilm ist während der Ausstellung in den Deichtorhallen zu sehen.

Draußen zwitschern die Vögel im Grün, in der riesigen Industriehalle steht Katharina Grosse. An den Wänden sind Stoffbahnen gespannt. Grosse trägt einen weißen Schutzanzug und eine Maske, die ihr gesamtes Gesicht bedeckt. Am Rücken ist eine kleine Box. Erst später wird die Besucherin bemerken, dass sich darin Sauerstoff befindet, der über einen dicken Schlauch in die Maske gepumpt wird.

Die Künstlerin atmet reine Luft – wie eine Astronautin. Sie ist abgekoppelt von dieser Welt.

In der Hand hält sie eine lange Spraypistole, wie sie auch beim Versprühen von Insektenschutzmittel verwendet wird. Ein langer Schlauch verbindet die Pistole mit Kübeln voller Farbe. Grosse sprayt und die Farbe hört nicht auf zu fließen – weshalb auch ihre Bewegung nicht aufhört. Die Formen wiederholen sich und folgen ihren Bewegungen.

Katharina Grosse, Wunderbild, 2018 (Detail). Copyright: © VG Bild-Kunst Bonn, 2025. Foto: Jens Ziehe, Courtesy Deichtorhallen Hamburg
Katharina Grosse, Wunderbild, 2018 (Detail). © VG Bild-Kunst Bonn, 2025. Foto: Jens Ziehe, Courtesy Deichtorhallen Hamburg

Wunderbild in den Deichtorhallen wirkt durch die schiere Größe der Arbeiten. Betritt die Besucherin die Schlucht, wird sie eingezogen in eine Welt aus Farbe, einer Welt aus Formen. Die Malerei kennt keine Grenzen, sie könnte sich unendlich fortsetzen. Wunderbild ist eine immersive Erfahrung der intensiven Farbigkeit.

Katharina Grosse (1961, Freiburg) ist seit mehr als 25 Jahren international präsent. Sie arbeitet raumgreifend; ihre Malerei-Installationen wurden etwa im MoMA PS1 in New York, im Museum of Fine Arts Boston, oder auch im Centre Pompidou gezeigt. In diesem Jahr bespielt Katharina Grosse den Messeplatz der Art Basel – ihr bisher größtes Werk im öffentlichen Raum.

Ausstellung: Katharina Grosse – Wunderbild kuratiert von Dirk Luckow
Dauer der Ausstellung: Juni – 14. September 2025

Adresse und Kontakt:
Deichtorhallen Hamburg
Deichtorstraße 1-2, 20095 Hamburg
www.deichtorhallen.de


  1. Pressetext zur Ausstellung Wunderbild in der Halle für aktuelle Kunst, Deichtorhallen Hamburg ↩︎

Artist Miriam Bajtala explores classism and chronological developments, linking personal history with collective memory since 2020. She poetically addresses inequality, power, and self-empowerment.