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Berlin Kunst

Berlin. Ausstellung. Raum im Raum

Die Ausstellung „Raum im Raum“ zeigt die Arbeiten von zwei sehr unterschiedlichen Künstlern. Ferdinand Dölberg konzentriert sich auf Malerei, Georg Vierbuchen auf Objekte. Einer arbeitet ausgehend vom Subjekt, der andere bezieht seine Kunst aus einer unübersichtlichen Außenwelt.

Georg Vierbuchen, der andere Künstler der Ausstellung, geht den umgekehrten Weg. Seine Eindrücke und Einflüsse kommen von außen. Während Dölbergs Arbeit gekennzeichnet ist durch die Expansion von fiktiven Räumen, bedient sich Georg Vierbuchen vor allem der Verarbeitung von Eindrücken aus seiner Umgebung. Seine Objekte spielen mit Kitsch und Nostalgie, mit den Prinzipien von Masse und Unikat, sie behandeln die Überproduktion von Konsumgütern. Ihm falle es schwer, äußere Eindrücke zu filtern, behauptet der Künstler, und er sagt, dass bei seinen Motiven Wahllosigkeit eine Rolle spielt. Und um die produktiv zu machen, benutzt Vierbuchen ein altes Verfahren: die Verdichtung.

Ein Beispiel. 2019 stellte der Künstler Kerzen in Form der Pariser Kathedrale Notre Dame her, deren Dachstuhl im Frühjahr zuvor brannte. Die Kerzen sahen aus wie die Souvenirs, die es in der französischen Hauptstadt überall zu kaufen gibt, aber die banalen Objekte bekommen gleich noch eine ironische Wendung.

Georg Vierbuchen Schwimmhilfen 2019 Ceramics 30 x 15 x 15 cm
Georg Vierbuchen Schwimmhilfen 2019 Ceramics 30 x 15 x 15 cm

Eine Kirche brennt, Menschen zünden Kerzen an, um für den Wiederaufbau zu beten. In einer Ausstellung ließ er das Wachs auf ein schneeweißes MacBook tropfen, ein schwer erträglicher Anblick für viele. Ein Jahr, vielleicht auch nur sechs Monate oder einige Momente schnurren zusammen in einer Konstellation von Gegenständen, und man muss gar nichts mehr hinzufügen. Man muss es nur noch verdichten, um das Groteske und den Witz sichtbar zu machen. Zur Verdichtung tritt bei Vierbuchen die Transformation. Was vom Wesen der Dinge bleibt ist fraglich, wenn der Künstler sie in Keramik nachformt, ihnen eine andere Farbe verleiht. Sie wandeln sich, vom billig, massenhaft hergestellten Konsum- oder Alltagsobjekt zum meist zerbrechlichen, in Handarbeit hergestellten Einzelstück. Wie wählt der Vierbuchen seine Gegenstände aus? Die Frage würde sich nicht stellen, wenn er Hunderte von Gipsformen hätte, auf die er zurückgreifen kann, sagt er. Mit vorgefundenen Dingen eine Handschrift erfinden, so stelle er sich das vor.

Dieses Vokabular kündigt sich schon in seinen zusammengesetzten Plastiken an. Gewinde und Rohre, Gelenke und Ventile, eigentlich gemacht, um höchstem Druck standzuhalten, sind in Keramik wiedergegeben, diesem sanften, zerbrechlichen Material. Objekte, bei denen man trotz ihrer zweckmäßigen Strenge nicht weiß, wozu sie dienen. Vielleicht ist gerade die vorgetäuschte Brauchbarkeit aus dem fernvergangenen Industriezeitalter die heruntergekochte Essenz des Kitsch.

„Wie viel davon kann ich selbst ertragen, wie viel können andere ertragen?“, fragt Vierbuchen.

Das sei das Interessante an seinen Abformungen, sagt er, aber es geht noch weiter. Kitsch ist schon von der Definition her ein massenhaft produziertes Ding, das so tut als hätte es einen kunsthandwerklichen Ursprung oder einen persönlichen einzelstückhaften Charakter. Vierbuchen kehrt aber diesen Prozess um. Aus in Masse produzierten Gegenständen, die uns im Alltag umgeben, macht er Unikate. Dabei kehrt er immer wieder zurück zu Dingen, die uns Sicherheit suggerieren: Pfosten, die den Gehweg von der Straße trennen, die Räder von Mietfahrrädern, die uns versprechen, sicher und schnell durch die Stadt zu kommen, Schwimmflügel für Kinder. Vierbuchens Objekte erzählen von Nostalgie und Sehnsucht, nach der vergangenen Kindheit oder einer Unschuld, die es vielleicht nie gab, aber ohne deren dunklen Seiten zu vergessen. Seine neueren Objekte sind weniger genau in einer Zeit zu verorten, außer in der Gegenwart. Aber vielleicht macht sie gerade das zu den nostalgischen Objekten für die Zukunft.

Adresse und Kontakt:
Galerie Anton Janizewski
Goethestraße 69
10625 berlin
www.antonjanizewski.com

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