Zeit ist kostbar, hieß es – und so wurden Entscheidungen getroffen, die wir erst im Nachhinein reflektieren können. Kritische Haltung braucht Zeit, denn jeder Denkanstoß ist ein Prozess, der mit viel Recherche, Eigeninitiative und Verantwortung verbunden ist. Kritische Haltung ist keine Ideologie, sie ist eben diese Verantwortung die jede/r Einzelne für ihr/sein Denken und Handeln mit sich tragen muss. Eine kritische Haltung ist nicht demokratisch, nicht oppositionell, nicht homogen, sie ist das was als Entwicklungsprozess des eigenen Denkens verstanden werden muss. Sie ist die Basis eines Gemeinsamen.
Die gezeigten Arbeiten in der Ausstellung „Love Me Tender“ bieten keine Lösungsvorschläge, wie wir aus der jetzigen Situation heil herauskommen. Sie verweisen allerdings auf Missstände und unterbreiten so ihr subversives Potential. Die ausstellenden Künstler*Innen sind Teil der lokalen Künstler*innenszene Salzburgs.
Der Titel der Ausstellung beruht auf dem bekannten Songtext, den Elvis Presley im gleichnamigen Film „Love Me Tender“ (dt. Pulverdampf und heiße Lieder, 1956) in der Endszene vor sich hin trällerte. Elvis als Objekt der Massenkultur und als Figur der Ohnmacht, die dem ständigen Druck der Anerkennungspolitik nicht Herr werden konnte, steht uns hier als Symbolfigur für das Entgleiten des eigenen Lebens und für das Abhandenkommen der je eigenen Haltung zur Verfügung. Die Liebe kann erdrückend sein, sie stellt das Individuum in einen wechselnden Machtkampf zwischen sich und dem Anderen. Sie ist ein Mittel um Abhängigkeiten zu erschaffen und kann sowohl unterdrücken als auch behutsam stärken.
Der Titel „Liebe mich zärtlich“ als wortwörtliche Übersetzung soll auf das Verhältnis einer Vormundschaft im Sinne der Verantwortung der Legislative gegenüber der Bevölkerung und vice versa einhergehen.
Maßnahmen, die zu unserem Wohle von der Legislative getroffen wurden, um uns in Sicherheit zu wiegen, waren kein Zeichen reiner Zuneigung, sondern eine illegitime Ausübung der Macht. Voreilige Entscheidungen und Maßregelungen führten zu Angstzuständen, unfreiwilliger Isolation und tatsächlich zu einer „sozialen Distanz“. Denn der Begriff meint keineswegs eine räumliche oder physische Distanz zweier Akteur*innen, sondern eine subjektiv erlebte Entfernung zu einer Person oder Gruppe, man könnte von Vorurteilen sprechen, die zu einer sozialen Distanz führen (siehe Bogardus-Skala). Distanzzonen wurden eingeführt und langsam schlich sich ein beengendes Gefühl von Raumverlust ein. Der private und intime Raum wurde eingenommen und reguliert, wer sich mit wem treffen darf, wurde nun (wieder einmal) zur Regierungssache erklärt und plötzlich läuteten die Glocken. Begrifflichkeiten wie die „Neue Normalität“ sprudelten aus der Quelle der Erkenntnis und verfallen in Idiome der Normierung. Unser soziales Miteinander, welches im Sinne der Haltung als Rückschluss auf ein mündiges Agieren verstanden werden soll, darf nicht von einer Vormundschaft geleitet werden, die ihre Zuneigung im Strafgebaren sucht.
Künstler*Innen: Valentin Backhaus, Johanna Binder, Cornel Entfellner, Katrin Froschauer, Christoph Fuchs, Christoph Mars, Didi Neidhart, Isabell Rauchenbichler, Zoe Vitzthum, Flora Wagner
Ausstellungsdauer: 15. Mai bis 19. Juni 2020
Adresse und Kontakt:
Fünfzigzwanzig Residenzplatz 10
5020 Salzburg
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