Neben einer Reihe an aktuellen Arbeiten, die großteils über den Sommer entstanden sind, hat die Künstlerin für die Ausstellung auch ein kleines Holzpuzzle in Verbindung mit einer großen Wandzeichnung realisiert.
Die Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit jenseits ihrer Gegenständlichkeit, die Übertragung innerer Bilder und Empfindungen auf die Leinwand sind seit der klassischen Moderne wesentliche Elemente der Malerei. Ilona Rainer-Pranter arbeitet in Richtung einer solchen Schärfung des Sehens. Ihr Ausgangspunkt ist dabei vielfach die Beschäftigung mit der Landschaft, die sie geprägt hat. Ähnlich wie bei sogenannten Nachbildern, die auftauchen, wenn der ursprüngliche Lichtreiz bereits verschwunden ist, gestaltet sie eine Imagination von Natur und Umwelt und eröffnet ein anderes, vielschichtiges Betrachten derselben.
„Das Malen kommt mir manchmal wie eine Bergwanderung mit unterschiedlich anspruchsvollen Etappen vor. Während ich ein Bild male, durchwandere ich anfangs recht schwierige Abschnitte, in denen ich permanent auf der Suche nach etwas bin. Je weiter ich am Bild fortschreite, also je höher ich steige, desto klarer und weiter wird die Sicht“, so beschreibt Rainer-Pranter im Interview mit Kuratorin Silvia Höller ihren Malprozess.
Dabei verfolgt sie nicht das Anliegen, Dinge gegenständlich darzustellen, vielmehr bildet sie diese verfremdet ab. „Es geht mir darum, ihre immaterielle Seite einzufangen und sie durch malerische Spuren wie Punktwolken, Farbabdrücke und lasierende Flächen anschaulich zu machen. Durch diese Ausdrucksweisen entstehen abstrakte Bilder, die Gegenstandsreste vermuten lassen, aber nicht so viel Aufschluss über diese geben, dass sie zuordenbar wären. Sie zeigen das, was übrig bleibt, wenn man nur mehr die Erinnerung an etwas hat.“
Die Kunsthistorikerin Sofie Mathoi erkennt in Ilona Rainer-Pranters Arbeiten eine Anonymisierung der Natur und des Verhältnisses des Menschen zu seiner Umwelt. „Durch ein Verschmelzen der Formen schafft sie neue Verbindungen zwischen den bisher gekannten Landschaftsdarstellungen und anderen verinnerlichten Abbildungen unserer Welt“, schreibt sie in ihrem Katalogbeitrag. Zudem gibt Mathoi anschauliche Einblicke in die Arbeitsweise der Künstlerin: „Keine Vorzeichnungen, höchstens Skizzen, deren Fragmente in Collagen Eingang finden, nur (…) Ölfarben, mit viel Lösungsmittel stark verdünnt, auf eine dünn aufgetragene Lasur: Es darf tropfen und rinnen, gearbeitet wird meistens am Boden. Die Leinwand wird manchmal umgedreht und das, was durchkommt an Farbe und Form, wird aufgenommen, kombiniert und überarbeitet.“
Für die Ausstellung hat die Künstlerin ein kleines Holzpuzzle gebaut, dessen entnehmbare Elemente sich nicht in den dafür vorgesehenen Vertiefungen finden, sondern von Rainer-Pranter in vielfach vergrößerter Form direkt mit Buntstiften an die Wand gezeichnet wurden.
„Das Entnehmen der ‚Protagonisten‘ versinnbildlicht für mich das Scheitern an den von der Gesellschaft auferlegten Normen und das Nicht-gerecht-Werden in Bezug auf Ideale, die vermeintlich unsere Mitmenschen erheben, die wir aber im Grunde selbst kreieren“, so Rainer-Pranter. Was sie interessiert, sind die gesellschaftlichen Vorgaben, denen wir als Menschen entsprechen müssen, um anerkannt zu werden, von unserem sozialen Umfeld wie von uns selbst. Zugleich nimmt die Künstlerin damit aber auch „das Ausbrechen von Einzelnen aus diesem Kreislauf“ in den Blick.
Die Nachbilder von Ilona Rainer-Pranter berühren in ihrer Auseinandersetzung mit Natur, Mensch, Architektur und Landschaft – und nicht zuletzt durch „ein Thema, das aktueller ist denn je, wir werden nicht müde, es zu diskutieren und abzuhandeln. Was wird übrig bleiben für die, die nach uns kommen? Es sind Nachbilder, die immer mehr zu abstrahierten Erinnerungen werden – zu Gespenstern und Phantombildern einer Umwelt, von der wir im Augenblick noch das Vergnügen haben, sie deutlich vor unseren Augen zu erkennen.“ (Sofie Mathoi)
Eröffnung: Aufgrund der geltenden Corona-Maßnahmen wird die Ausstellung ohne Vernissage eröffnet.
Ausstellungsdauer und Öffnungszeiten: 19. Oktober 2020 bis 8. Jänner 2021, Montag bis Freitag von 8.30 bis 12.15 Uhr und von 14.00 bis 16.30 Uhr
Adresse und Kontakt:
RLB Atelier Lienz – RLB Kunstbrücke
Johannesplatz 4, 9900 Lienz
www.rlb-kunstbruecke.at