Vielleicht ist es deshalb fast unheimlich, schwarz-weiß Bilder des „Palais Ferstel“ zu sehen, in denen der Börsensaal, der fast wie ein Kirchenschiff anmutet, von 1951 bis 1978 in einen Basketballplatz umfunktioniert wurde. Die „heiligen Hallen des Geldes“ werden zu „Heiligen Hallen des Sportes“ – beides ebenfalls Glaubenssysteme und Orte der ritualisierten Begegnung. Und obwohl sehr unterschiedlich, beides auch soziale Treffpunkte, die einer kollektiven Handlung gewidmet sind.
Die Künstlerin Nicoleta Auersperg widmet sich in ihrer Ausstellung „Starting Five“ im Bildraum 01 den verschiedenen Verbindungen zwischen den einzelnen historischen Schichten des Gebäudes. Sie macht dabei nicht nur Unsichtbares sichtbar, sondern arbeitet ebenfalls die poetische Dimension dieser Verbindungen heraus. Das omnipräsente architektonische Element des Gebäudes, der Bogen, wird dekonstruiert und entgegen seiner üblichen statischen Qualität zu einem temporären Objekt. Eine vergrößerte Spannfeder ähnelt einem Basketballkorb und verweist gleichzeitig auf die dysfunktionale Stuckhängeleiste des Ausstellungsraumes. Unsicher hängen auf „Cocktailtischen“ Glasobjekte, die sich in einem ambivalenten Zustand zwischen Verteidigung und einem Sich-Anschmiegen befinden. Cocktailtische erinnern an Kontexte, in denen in einem scheinbar privaten Setting gewichtige Entscheidungen getroffen werden. Passend dazu wurde das antike Noppenglas entwickelt damit das Glas nicht aus der Hand gleitet, wen es mit fettigen Fingern berührt wird – metaphorisch erinnert das an „schmierige Deals“ im Bankenbusiness. Und auch der Kunstmarkt ist natürlich von marktspezifischer Spekulation betroffen.
NICOLETA AUERSPERG | Starting Five – Bildrecht NICOLETA AUERSPERG | Starting Five – Bildrecht
Nicoleta Auersperg wird spielerisch zur Archäologin des „Palais Ferstel“ – und ihrer eigenen Arbeit. Zwischen allen Arbeiten gibt es Querverbindungen zur jeweils anderen – wie zum Ort selbst. Dabei kommt das Material Glas in verschiedenen Ausformungen und Funktionen vor. Der Begriff der „Formfindung“ ist für die Künstlerin nicht nur ein bildhauerischer Vorgang, sondern auch einer, der für gesellschaftliche Transformationsprozesse steht, die sich stetig wandeln – ebenso wie, zum Beispiel der Börsen, Immobilien- und Kunstmarkt und das Prinzip des Warenwertes. Sie streift somit ebenfalls den Begriff des „Warenfetischs“, der die (falsche) Unterstellung der „Natur“ des Wertes einer Ware beschreibt: Eine Theorie, die in der aktuellen Situation der Inflation und der steigenden Strom- und Lebensmittelpreise wieder besonders relevant wird. Dabei weist der Titel der Ausstellung „Starting Five“ auch auf die Ausgangssituation eines Spieles hin, das immer wieder neu gespielt werden kann und demnach auch auf die Möglichkeit des Neuanfangens hin. Hannah Arendt spricht in diesem Sinne von „Natalität“ und bezieht das Bewusstsein sowohl zur Gestaltung der eigenen Existenz wie auch der gemeinsam geteilten Welt mit ein.
Ausstellung: Nicoleta Auersperg. Starting Five
Ausstellungsdauer: 16. Februar – 17. März 2023
Finissage mit Lesung von Olga Hohmann: 16. März 2023 / 19.00
Adresse und Kontakt:
Bildraum 1
Strauchgasse 2, 1010 Wien
www.bildrecht.at
Nicoleta Auersperg – www.nicoletaauersperg.com