Explizit ist an diesen Bildern jedoch nichts. Leise und akkurat tastet der Künstler mit seiner Kamera Oberflächen aus Stein ab, welche diese Orte als Räume der Intimität konstituieren. Ähnlich den flüchtigen Begegnungen, die hier stattfinden, unterliegt auch das vulkanische Gestein einem permanenten Wandel und ist so gleichermaßen Kulisse wie Metapher.
Eine modernistische Architektur thront über der Ägäis: Die Darstellung einer Bauruine, wie sie in Griechenland häufig anzutreffen ist, verschließt sich in ihrer Wahrnehmung hinter satiniertem Glas. Neonfarbene Distanzleisten fordern grell Aufmerksamkeit ein, wirken aber auch abschirmend und machen klar: Hier ist eine Grenze, hier stößt eine Welt auf eine andere. Die Videoinstallation Fragments verschleiert, im Gegensatz zu den fotografischen Arbeiten, zunächst nichts, gibt dabei paradoxerweise aber dennoch nicht mehr „zu sehen“: Gesteinsbrocken werden in gestochen scharfer Qualität in einem 360 Grad Winkel abgefilmt und gegengeschnitten mit Aufnahmen eines nackten männlichen Körpers. Anorganische und organische Oberflächen verbinden sich zu einer Landschaft. Das filmische Bild wird reflektiert von einem amorphen Spiegel, der am Boden liegt und die abstrahierte Form einer Pfütze zu zitieren scheint. Das gestochen scharfe Bild fließt so vom Screen in den Raum, Grenzen zwischen Realität und Virtualität, 2D und 3D (oder sogar 4D) verschwimmen.
Die Klarheit, die diese neue Werkserie von Mario Kiesenhofer ausstrahlt, kann jedoch nicht über die komplexen und hochaktuellen Diskurse hinwegtäuschen, die Kiesenhofer mit Shifting Layers berührt: Er stellt medientheoretische Fragen nach der Beschaffenheit des Abbilds am Beginn des 21. Jahrhunderts, verwischt analoge und digitale Wahrnehmungs-Ebenen, verzahnt Privates mit Öffentlichem. Shifting Layers eröffnet einen, wie Homi Bhaba es definiert hat, „hybriden Raum“, einen „dritten Ort“, der zum Refugium und Safe Space wird.
Zum Künstler: Mario Kiesenhofer wurde 1984 in Freistadt, Österreich geboren. Er lebt und arbeitet in Wien und wird in den USA von der Galerie Peter Hay Halpert Fine Art vertreten. Kiesenhofer hat Fotografie und Videokunst unter der Leitung von Matthias Herrmann und Dorit Margreiter an der Akademie der bildenden Künste in Wien studiert. Er ist Mitbegründer von Streulicht – einer diskursiven Publikationsserie für Fotografie und Artverwandtes. Seine Arbeiten wurden in internationalen und nationalen Galerien, Museen und Kunsträumen gezeigt. Kiesenhofers Arbeit beschäftigt sich mit dem Dispositiv der Fotografie und wie dieses den Blick auf Realitäten, die nicht von vornherein als solche wahrgenommen werden, schärft. Er befasst sich mit der Rasterung von Oberflächen sowie der Beschaffenheit von sozialen Räumen und Landschaften, welche von der Gay-Community für intime Begegnungen und sexuelle Interaktionen genutzt werden. Kiesenhofer erforscht diese queeren Räume mit seiner Kamera und kreiert fotografisch Objekte und Videoinstallationen, die Realitäten miteinander verschwimmen lassen.
Soft Opening: Donnerstag, 10. Juni 2021, 19 – 22 Uhr Begrüßung: Sira-Zoé Schmid, Bildrecht Zur Ausstellung: Lisa Ortner-Kreil, Kunstforum Wien
Artist Talk: Mittwoch, 16. Juni 2021, 19 Uhr Claudia Slanar, Belvedere, im Gespräch mit Mario Kiesenhofer (max. 8 Personen & nur nach Voranmeldung
Private Einzelführungen: mit dem Künstler & der Bildraum-Leitung nach Vereinbarung unter sira-zoe.schmid@bildrecht.at
Ausstellungsdauer: 10. Juni – 8. Juli 2021
Adresse und Kontakt:
Bildraum 1
Strauchgasse 2, 1010 Wien
www.bildrecht.at