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Wien Kunst

Interview. Stefanie Hintersteiner

Auf ihren polymorphen Leinwänden verhandelt Stefanie Hintersteiner ihren Bezug zur Welt, der oft im Prozess fragmentarisch ausfällt, um später aus kleinen Farbmosaiken die meist großformatigen Flächen zusammenzuführen. Der Pinselstrich wird zur Membran an der sie und die Gesellschaft sich begegnen. Die Künstlerin interessiert sich für feministische Theorie und Gesellschaftskritik. Die nicht aufgespannte Leinwand, die bemalten Fetzen, werden zum Ort der Vermittlung zwischen subjektiver und kollektiver Erfahrung, eine Bühne, auf denen sich die abstrakten Figuren bewegen und begegnen.

Wie bist du zur Kunst gekommen?
Der klassische Ort war wohl das Museum, mit dem ich als Wochenendkind in Wien ab und an in Berührung gekommen bin. Es gibt da eine alte Erinnerung, wie ich als Kind, um die 8 herum, im Untergeschoss des MAK sitze und auf eine Fotografie starre. Zu sehen war eine Frau mit wuscheligem Haar auf dem Kopf und zwischen ihren Beinen. Sie trägt eine Waffe und starrt einen an, mit einem so eindringenden Blick, wie ich es davor noch nie so gesehen hab.

Vielleicht weißt du auch schon welche Arbeit ich meine – es ist Valie Exports „Genitalpanik“ die da abgebildet war. Es hat mich in den Bann gezogen, wie sie dasitzt, so stark und frech, mit einem solchen Nachdruck in ihrem Blick und die Nacktheit, die sonst mit Scham in Verbindung dargestellt wird ­- von der ist nichts zu spüren. Es hat mich fasziniert. In meiner Erinnerung sind Stunden vergangen, bis mich mein recht katholischer Vater fand und angewidert auf das blickte, was meine Faszination im Bann hielt. Es ist eines der Erlebnisse, die irgendwann in der Erinnerung auftauchte und mir klarer machte, dass die Frage der Darstellung von Frauen in der Gesellschaft und besonders in der Kunst mich doch länger schon begleiten als mir klar war.

Der weibliche Körper spielte lange Zeit eine zentrale Rolle in meinen Zeichnungen, dahinter steht wohl aber die Frage nach der gesellschaftlichen Zurichtung dessen.

Wo lässt du dich inspirieren?
Ich lasse mich von den Hinterhöfen der Städte inspirieren, von Schriften und Vorträgen über Kritische Theorie, von meinen alten Skizzenbüchern, von Erinnerungsfetzen, von Gesprächen mit Freund*innen, von den Spuren der Geschichte. Von der Hoffnung, dass es doch etwas geben muss, etwas, was außerhalb der kapitalistischen Logik und ihrer gesellschaftlichen Vermittlung gibt.  Mich inspirieren die Formen in meinen Zeichnungen und die Frage woher sie kommen und was sie bedeuten. In welchen Lebenssituationen sie entstehen.

Viel Motivation kommt aus dem Leerlauf, aus den Lücken, den Versuchen die Fragmente miteinander zu verbinden und ihnen einen Sinn zu geben.

Wo arbeitest du? Wie entstehen deine Arbeiten?
Meine Arbeiten entstehen in größeren Werkzyklen. Das fängt oft mit Fragestellungen an, die sich aus der Betrachtung der Skizzen ergeben. Was interessiert mich, gibt es konkrete Formen, wenn ja, warum sind die da, was bedeuten sie, was drücken diese aus, usw. Seit der Pandemie arbeite ich an einem Zyklus der sich mit der Leerstelle und dem krakeln beschäftigt: dem nebenher tun, der Aktivität neben der primären Beschäftigung. Durch den ersten Lockdown sind viele Zeichnungen entstanden, die sich stark auf das formale Element der Linie konzentrieren. Eine Werkgruppe von abstrakten, gestischen Zeichnungen, wurde im Sommer 2020 im Gartenpalais Liechtenstein im Rahmen der „die Akademie schläft nicht“ – Ausstellung gezeigt. Aus diesen Papierarbeiten hat sich eine Reihe von bedruckten Leinwänden entwickelt, die auf den Fotos zu sehen sind.  Derzeit arbeite ich, wenn es die Umstände zulassen, meist in der Siebdruckwerkstatt der Akademie. Ich bin dann den ganzen Tag dort, breite alle meine Malereien und Drucke aus, hänge alles voll und arbeite gleichzeitig an mehreren Leinwänden und Papierarbeiten. Das sind meist geblockte Tage in denen ich sehr intensiv und kaum mit Pause arbeite.  Ich stelle mir immer Aufgaben, erstelle einen konzeptuellen Rahmen und freue mich immer, den während der Arbeit zu verwerfen. Ich mag es, in einem technischen Prozess Fehler einzubauen, ein Scheitern zu inszenieren.  

Wie lange brauchst du für deine Bilder?
Die zeitliche Spanne variiert von wenigen Tagen bis hin zu Monaten oder Jahren. Die Grundierung ist auch schon ein stark malerischer Akt, bei dem ich den Farbraum bestimme, in denen dann die Elemente sich tummeln. Die Leinwände behalten durch diese unkonventionelle Art der Grundierung ihre stoffliche Qualität, der Rand bleibt sichtbar, die Kanten sind nicht gerade und fransen aus. Durch die sichtbare Kante gibt es immer einen Verweis auf das Gewebe und damit auch auf die Produktion. Wenn ich in der Siebdruckwerkstatt bin, gibt es immer verschiedene Stapel von Papierarbeiten. Der eine, der fertig ist und der andere, der es nicht ist. Es ist ein ständiges hinzufügen und wegnehmen, bis die Papierarbeiten einen Zustand erreicht haben, in dem sie sich fertig anfühlen und in dem ich sie für fertig erachte. So verhält es sich auch mit den Malereien, wenn sie unfertig sind, werden sie zerrissen, neu zusammengefügt oder ganz banal übermalt.

Welche Künstler*innen und Epochen faszinieren dich?
Mich fasziniert Elizabeth Murray, bei der die Formen ihrer Malerei die Leinwand bestimmen und zu eigene Skulpturen werden. Mich fasziniert eine Katharina Grosse, die ganze Hallen mit Farbe füllt, mich interessiert aber auch Paul Klee und die Anfänge der Abstraktion. Mich ziehen die Drucke von Laura Owens in den Bann, aber auch die Malereien von Amy Sillman, die Arbeiten von Christopher Wool, Sam Gilliam und Louise Nevelson. In mir hallen die Worte Rosa Luxemburgs nach, die soziologischen Schriften Renate Berger’s, die Romane von Gisela Elsner.

Stefanie Hintersteiner. Atelier Augasse, Foto: Sarah Hauber
Stefanie Hintersteiner. Atelier Augasse, Foto: Sarah Hauber

2020 haben wir überstanden – Was sind deine Ziele 2021?
Da ich Anfang 2022 mein Diplom an der Akademie der Bildenden Künste machen werde, nehme ich mir dieses Jahr Zeit, um intensiv daran zu arbeiten. Daneben lerne ich Klavier, suche ein Atelier und versuche, nicht abzustumpfen und wütend zu bleiben.

Stefanie Hintersteiner – www.stefaniehintersteiner.com