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Wien Kunst

Interview mit Tyrone Egbowon

Tyrone Egbowon, geboren 2000 in Wien, befindet sich im zweiten Semester seines MFA-Studiums an der Akademie der bildenden Künste Wien im Fachbereich „Expansion“ unter der Leitung von Professor Daniel Richter. Seine künstlerische Praxis entspringt einer tief verwurzelten Neugier und dem Streben nach Erkundung. Durch die Transformation von Materialien und die intensive Auseinandersetzung mit deren Symbolik sowie den physikalischen Eigenschaften untersucht er deren transformative Kräfte und die inhärente Vergänglichkeit.
Tyrone Egbowon, Untitled (Frogs), 2023
Tyrone Egbowon, Untitled (Frogs), 2023

Welche zentralen Themen oder Konzepte erkundest du?
Zentrale Themen habe ich keine konkreten. Wenn ich eines nennen müsste, wäre es vermutlich die konstante, unumgängliche und omnipräsente Vergänglichkeit, welche alles und jeden vom Ersten bis zum letzten Atemzug begleitet. Mit dieser wurde ich konkret in der Anfangsphase meines künstlerischen Schaffens konfrontiert. Abgesehen davon bin ich zutiefst bewegt von Neugier, der Erkundung von Gegensätzen und dem Tanz dazwischen. Es ist ein konstanter Wandel – ich kann schwer konkrete Themen oder Konzepte nennen, es sind allmögliche Eindrücke, Erfahrungen, Umstände und Geschichten, welche mich zum Schaffen drängen. Die kindliche Neugier und Offenheit zu behalten und diese vor allem zu schützen, ist meiner Meinung nach das wahre Talent. Der Rest ist Disziplin, Arbeitsethik und co.

Künstler Tyrone Egbowon. Foto
Künstler Tyrone Egbowon. Foto: Mirza Dzudzic

Wie würdest du deinen Stil und die Techniken, die du in deinen Werken verwendest, beschreiben?
Naja, da haben wir die gute alte (Öl)Malerei, mit welcher ich mich schon lange vor meinem Studienbeginn auseinandergesetzt und autodidaktisch angeeignet habe. Jedoch liegt der Ursprung meines Schaffens eher im skulpturalen Raum, aus einem sehr hemmungslosen, neugierigen und intuitiven Umgang mit vielerlei Materialien, seien es Baustoffe, ökologische Produkte oder klassische künstlerische Medien. Eines der von mir entwickelten Materialien, welches netzartigen Eigenschaften hat, ist für mich wie ein unerwartetes Geschenk, welches zu einem wesentlichen Bestandteil meiner künstlerischen Praxis geworden ist. Ich kann die konkreten Inhaltsstoffe nicht ausführlich preisgeben, da die Erforschung und Weiterentwicklung dieses Materials ein zentraler Teil meiner kreativen Identität sind. Indem ich die genaue Zusammensetzung meiner „Spinnerei“ für mich behalte, kann ich meinen skulpturalen künstlerischen Prozess authentisch und von äußerer Manipulation geschützt weiterführen, erforschen und dessen Grenzen austesten. Außerdem ist es interessant und wertvoll, in den Diskurs mit neugierigen Betrachtern zu treten, deren Ideen und Vermutungen zu hören. Oft bringen mich diese Gespräche auf neue Ideen und bringen meine Palette an Materialien zum Wachsen, und das schätze ich sehr.

Tyrone Egbowon, Rückenstecher, 2024
Tyrone Egbowon, Rückenstecher, 2024

In welchem Prozess befindest du dich derzeit? Experimentierst du gerade sehr viel?
Ich bin die meiste Zeit am Experimentieren! Sobald mir etwas ins Auge sticht, eine Idee mich packt oder durch Zufall oder Unfall neue Perspektiven und Möglichkeiten entstehen, halte ich sie fest und bewege mich zwischen theoretischer Auseinandersetzung und dem praktischen Probieren und auch Scheitern.

Aranea (1/2) - Sculpture - Tyrone Egbowon
Tyrone Egbowon, Aranea (1/2)

Oft geht Probieren tatsächlich über Studieren, jedoch ist theoretisches Wissen in jeder Hinsicht sehr wertvoll. Da ich Skulptur und Malerei praktizierte, hatte ich die Freiheit zu jeder Zeit, zwischen diesen beiden Welten hin und her zu tanzen, und Erkenntnisse aus dem einen ins andere zu übertragen. Grundsätzlich ist diese Freiheit wunderschön, sie kann aber auch überfordernd sein. Nicht auf ein Medium reduziert zu sein, räumt mir die Möglichkeit ein, nach wahrer Intuition und emotionalem Zustand zu arbeiten.

Tyrone Egbowon, Untitled, 2024
Tyrone Egbowon, Untitled, 2024

Welche Botschaften oder Emotionen möchtest du vermitteln?
Gerne teile ich meine Observationen und Eindrücke mit. Da man mit Kunst den Menschen bzw. die Seele auf eine tiefliegende Art erreichen kann, ist es ein unfassbar wertvolles Tool, um zu kommunizieren, auszudrücken und gewisse Dinge loszuwerden, aber auch zu erlangen. Ich strebe danach, im Individuum Reflexion anzuregen, für manche Unsichtbares sichtbar zu machen. Menschen stecken oft in ihrer eigenen Perspektive fest und scheitern dabei, diese zu wechseln. Hier bietet sich die Kunst als sehr gutes Mittel, Unangenehmes zu zeigen, Unbekanntes zu vermitteln, aber genauso auch Positives zu verbreiten. Es ist wichtig, auch harte, reale Themen zu bearbeiten, jedoch ist in Fällen wie diesem Humor oder ein guter Schmäh notwendig, um nicht nur das Negative zu reproduzieren. Ich habe in vielen vergangenen Werken eher dunkle Themen bearbeitet und versucht, ihnen ihren Deckmantel auszuziehen. Mit jedem Werk wurde mir immer bewusster, wie wichtig es ist, in solche Themenbereiche, wenn auch nur einen Funken Hoffnung und Licht einzubauen.

The crucifying Doubt and Temptation from within and without - Tyrone Egbowon - 2024
Tyrone Egbowon, The crucifixation by Doubt and Temptation from within and without, 2024

Wie kann man sich dein Atelier vorstellen?
Haha, gute Frage! Der Zustand meines Ateliers hängt von vielen Faktoren und Umständen ab. Bevorstehende Vorhaben, emotionale sowie mentale Verfassung und die Jahreszeit beeinflussen ihn hauptsächlich. Ich bin generell sehr gerne in einem ordentlichen Work-Environment, in dem ich alles finde, was ich brauche, und in dem alles seinen zugeschriebenen Platz hat. Jedoch gibt es Zeiten, in denen ich etwas rücksichtsloser, wilder und chaotischer arbeite, meistens im Sommer. In Zeiten wie diesen könnte man einen Vergleich zu dem Schweinestall vom Studio von Francis Bacon ziehen. Diesen Phasen setze ich meist eine konkrete Deadline nach, welche das ganze Studio sortiert, geordnet und geputzt macht. Abgesehen von meinen Arbeitsräumen, welche auf Malerei und Skulptur ausgerichtet sind, gibt es auch einen Rückzugsort, der Raum für Reflexion, Ruhe, Entspannung oder auch Gäste bietet. In diesem stehen auch meine kleinen Mitbewohner, Vogelspinnen und Leopardgeckos. Nach einem langen Arbeitstag (oder einer Nacht) genieße ich es, in mich zu kehren und mit simpleren oder auch wichtigeren Dingen, wie mit Frida (meiner ersten und liebsten Vogelspinne) zu interagieren, sie zu pflegen oder einfach nur zu beobachten. Diese Tiere geben mir einfach eine unfassbare Ruhe und inspirieren mich. Manchmal betrachte ich sie als Vorbilder und erinnere mich an die simpleren Dinge im Leben. Außerdem geben sie konstruktive Kritik. Ein guter Freund von mir, oder man könnte ihn auch meinen Sohn nennen, ist Ikarus. Ikarus ist eine Jung-Nebelkrähe, welche in meiner Gegend sein Unwesen treibt. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis zueinander, da ich ihn eines Tages traumatisiert auf dem Gehweg vorfand, ich ihn verpflegte und tatsächlich das Fliegen beigebracht bzw. es mit ihm trainiert habe. Er besucht mich oft, also abgesehen vom Maler- und Bildhauer-Atelier ist es auch ein kleiner Tiergarten.

Avaratia - (Greed/Geiz) Tyrone Egbowon 2024
Tyrone Egbowon, Avaratia – (Greed/Geiz), 2024

Hast du Hobbys, die nicht mit Kunst zu tun haben?
Jein, es zieht alles immer wieder Fäden zurück zu meiner Arbeit. Wie schon erwähnt bin ich ziemlich arachnophil und empfinde Faszination und Liebe für jedes Lebewesen. Auch wieder sehr eng mit der Kunst verbunden, da z. B. Spinnentiere unfassbare Architekten sind. Man sieht die Verbindung zu meinen Werken. Abgesehen davon schraube ich gerne an meinem Bike herum (wenn es sein muss), was auch ein luxuriöser Weg ist, ins Atelier zu kommen. Ich muss gestehen, dass ich in sehr engem Bezug zur Kunst stehe, und daher führt jeder Aspekt meines Lebens immer wieder zu ihr zurück. Das lässt sich vielleicht falsch verstehen. Ich muss betonen, dass diese unumgängliche Besessenheit der „Arbeit“ die „Arbeit“ wegnimmt, das Schaffen aber dennoch, wie eine innere Verpflichtung behandelt wird. Ich umgebe mich gerne mit Gleichgesinnten, aber genauso sehr (wenn nicht sogar mehr) schätze ich Personen und Umfelde, die sich ganz weit weg davon bewegen. Lernen, Erfahren und Wachsen kann man von allem und jedem. Oft liegt das Wertvollste auf der anderen Seite.

Tyrone Egbowon, Untitled,  2024
Tyrone Egbowon, Untitled, 2024

Was hast du in naher Zukunft geplant?
Nach dem Projekt mit dem Kunsthistorischen Museum Wien habe ich mich erstmal zurückziehen müssen, doch im Schloss Ambras Innsbruck hängt momentan eines meiner Werke in der Sonderausstellung „schauen erlaubt?“. Da ich den Rückzugsort nun langsam verlasse, freue ich mich, euch mitteilen zu können, dass ich auf der diesjährigen Parallel Vienna ein Artist Statement präsentieren werde mit dem Titel „I am, I am, I am“. Ich erwarte euch alle im Pavillon 7 des Otto-Wagner-Areals im Raum 120. Parallel zu meinem Artist Statement habe ich eine länger laufende Show in der Barvinsky Art Gallery, welche „I Think, I Spider“ betitelt ist und sich in der Wiener Innenstadt (Seilerstätte 30/13.10.10) befindet. Ich empfange und erwarte euch alle mit offenen Armen. Kommt vorbei und konfrontiert euer Inneres in einem geschützen Raum. Über andere Pläne verrate ich lieber noch nichts.

Tyrone Egbowon – www.www.instagram.com/tyrone.egbowon, www.instagram.com/atelier.egbowon, www.tyroneegbowon.com