In Uherské Hradiště absolvierte er eine sehr klassisch orientierte Kunstmittelschule und wurde sehr durch akademische Aktstudien geprägt. Durch die Aufnahme auf der Universität hat sich der Blick von Nick Havelka geändert. Die klare Struktur, welche er gewohnt war, wurde gebrochen durch das freie Denken und Arbeiten innerhalb der vielfältigen Möglichkeiten des neuen Ateliers. Der Umbruch seiner Wahrnehmung für die Malerei und Zeichnung kam mit dem Gastsemester in der Bühnen- und Filmgestaltungsklasse. Er fing an, Zweidimensionalität, Fläche und Tiefe in Frage zu stellen: die Relation von Raum gegenüber seinem eigenen Individuum. 2023 schloss er sein Studium an der Universität für Angewandte Kunst Wien mit der Diplomarbeit „I am Fine!“ ab.
Kannst du uns über deinen kreativen Prozess erzählen?
Mein Prozess beginnt meistens damit, dass ich meine Gedanken in einer Form Tagebuch festhalte. Manchmal sind es nur Worte, Zeilen oder dann auch Absätze. Durch das Lesen und sich immer wieder Aufrufen der Gedanken entstanden dann meine Skizzen und Illustrationen, welche in meinen großflächigen Malereien eine wichtige Rolle spielen. Der Prozess, von meinen sonstigen auf einem A4-Papier und Kugelschreiber-Illustrationen auf das Große zu denken und zu abstrahieren, kam eigentlich erst so richtig mit den Auseinandersetzungen mit meiner Diplomarbeit „I am Fine!“? Auch dort begann es wie oben geschrieben mit Gedanken und Skizzen. Durch das Kennenlernen von Max Brenner, welcher einen komplett anderen Zugang zu Malerei und Handwerk hat als ich, lernte ich mich und meinen Zugang zur Malerei neu kennen. Es war eine große Herausforderung für mich, von meinem eigentlichen Handwerk des Realismus zu entfernen. Wenn man meine Skizzenbücher durchblättert, sieht man immer Monster oder auch eigenartige Gestalten und Szenen, aber der Strich war immer sehr beeinflusst von meinen akademischen Aktstudien. Mit der Zeit entfernte ich mich von dieser Steifheit der Zeichnung und gab mich einer Art von Leichtigkeit hin. Ich fing an, mich der Acrylfarbe zu widmen, für mich spannend, weil durch das schnelle Trocknen der Farbe man hastige Entscheidungen treffen muss, wie wo was wohin platziert werden soll auf der Leinwand.
Manchmal kooperiere ich mit verschiedenen Künstler:innen und lasse sie in meine Welt hineintreten. Vor allem die Zusammenarbeit mit Max inspiriert mich immer sehr. Wir haben eine Art Harmonie entwickelt, welche man in unseren gemeinsamen Arbeiten auch richtig sehen und spüren kann, und diese beeinflusst mich seit jeher in meiner Malerei.
Wie würdest du deinen künstlerischen Stil beschreiben?
Abstrakt, figurativ und etwas absurd. Wie ich oben schon erwähnt habe, besuchte ich eine strenge Kunstmittelschule in Tschechien. Die Figur, der Raum, die Proportion waren das Alpha und das Omega in meiner schulischen Laufbahn. Ich zeichnete den perfekten Körper, mir wurde eine Art Schönheitsideal eingebläut. Durch das bewusste Deformieren von Figuren und Körpern wurde das Zeichnen für mich spannender. Irgendwann wurde es mir zu langweilig, die x-te Person im Akt abzuzeichnen, ihre Proportionen so genau wie möglich auf das Blatt Papier zu übertragen. Ich verstand die Figur, sah den Raum in all seiner Dimension, aber in meinem Kopf spielte sich von Zeit zu Zeit etwas anders ab. Es verschwammen die Grenzen zwischen Figur/Raum und meiner Art von Abstraktion. Jetzt entferne ich mich ein paar Schritte von meiner großflächigen Malerei, halte kurz inne und sehe immer noch die reale Figur, den Körper und Raum, aber in meinem Stil. Wie meine gute Freundin Kristýna Černá mir gegenüber mal erwähnte „Der/Die Künstler:in ist Zeuge seine/r eignen Realität.“
Welche Techniken bevorzugst du?
Anfangs waren es kleinformatige Kugelschreiberzeichnungen, welche ich neben den alltäglichen Aktstudien mit Kohle und verschiedenen Materialien gezeichnet habe. Druckgrafik war auch ein Medium, welches mir immer wieder begegnet ist. Die großformatige Malerei kam eigentlich erst durch eine Kooperation mit Max. Er machte mir das Format schmackhaft und auch die Acrylmalerei, und ich merkte ziemlich schnell, wie gut es mir eigentlich gefällt. Die Zusammensetzung von Flächen und Linien auf der großen Leiwand hat für mich schon etwas Ähnlichkeiten mit Siebdruck, und dann wiederum die Arbeit mit Konturen hat dann auch noch den zeichnerischen Zugang. Ich war bei meinen Kugelschreiberzeichnungen immer so fixiert auf das Detail! Das Studium, das Zusammenarbeiten mit verschiedenen Künstler*innen, hat mir einfach meinen Horizont erweitert. Ich fühle mich sehr wohl in dem, wo ich gerade bin und wie ich arbeite. Aber ich merke auch immer wieder, dass ich über meinen Tellerrand hinauswill.
Könntest du uns bitte mehr über die Werkserie »Faces« erzählen?
Faces ist eine große Serie von 55 kleinen Gemälden auf Papier, welche den Zusammenhang von Druckgrafik und Zeichnung in der Malerei zeigen sollen. Diese Serie war meine allererste Arbeit außerhalb der Kugelschreiberzeichnungen, wo ich mich sehr bewusst dann mit der Technik der Malerei beschäftigt habe. Ich verwendete in Faces verschiedene Materialien. Filzstifte, Acryl, Bleistift, … Es sind alles Unikate, weil jedes Bild auch oftmals in einem unbewussten Prozess entstanden ist, welchen ich nicht ein zweites Mal wiederholen könnte. Die Serie spiegelt mein Damals und mein Heute wider. Meine verschiedenen Zugangsweisen zu Kunst.
Gibt es bestimmte Ereignisse, die deine künstlerische Arbeit besonders beeinflusst haben?
Das Leben. Das Aufwachsen in Tschechien, die alleinerziehende Mutter, die Kunstmittelschule: Es sind vor allem viele familiäre und verschiedene Beziehungskonstruktionen, die mich und meine Arbeit sehr beeinflusst haben. Ein gutes Beispiel ist die Beziehung zu meinem Vater. Meine Eltern waren nie ein Paar, nicht vor und nach meiner Geburt. Es gab immer nur in meiner Kindheit meine Mutter und mich. Ich kannte nie dieses klassische Mutter-Vater-Kind-Bild. Damals nach der Kunstmittelschule entschied ich mich sehr bewusst für den Umzug nach Wien, um mal das Bild von Vater Sohn kennenzulernen. Wie ist es, mit ihm gemeinsam zu leben, einen Alltag zu haben und mich als Mensch aus dieser Perspektive kennenzulernen. Durch den Umzug nach Wien habe ich meine Komfortzone verlassen. Ich habe meine Freundschaften etwas hinter mir gelassen, meine Mutter, meine gewohnte Umgebung. Als ich nach Wien kam, kam auch die Auseinandersetzung mit der deutschen Sprache. Ich konnte Deutsch, aber es war und ist einfach nicht meine Muttersprache, und dies bemerkte ich vor allem immer wieder in meinem neuen Alltag in Österreich. Ich habe es gehasst am Anfang. Die Sprache, diese Freiheiten innerhalb der Universität, der Aufbau einer Beziehung zu meinem Vater. Es war alles zu viel für mich. Mit dem Umzug zu meinem Vater nach Österreich bedeutete dies auch anfangs, für mich zu pendeln. Das hieß, ich fuhr morgens mit dem Zug nach Wien rein und am Abend dann wieder zurück zu meinem Vater in unsere gemeinsame Wohnung. Es gab für dieses 1. Jahr nur diesen Alltag. Ich hatte kein Umfeld, mit welchem ich Zeit verbringen konnte, bis auf meine Familie. Ich spürte oft das Gefühl der Einsamkeit, und dieses Gefühl hat mich beschäftigt. Ich hatte viel Zeit, mich mit mir auseinanderzusetzen, weil ich einfach keine großartige Ablenkung hatte.
Zusammenfassend würde ich sagen, dass all diese Umstände, vor allem die Entscheidungen, Gefühle und Auseinandersetzungen, welche ich hatte, mich enorm beeinflusst haben in dem, wie ich arbeite bzw. was ich verarbeite in meiner künstlerischen Arbeit.
Wie beeinflusst dein Alltag deine künstlerische Arbeit?
Die Person, welche meinen künstlerischen Werdegang am allermeisten gefördert hat, ist definitiv meine Mutter. Sie hat immer wieder probiert, mich in die verschiedensten Sportvereine zu stecken, aber es zog mich immer wieder zu Stift und Papier zurück, wofür ich ihr unglaublich dankbar bin, dass sie mein Talent gesehen hat und dieses gefördert hat. Was mich jetzt sehr beeinflusst, ist natürlich der Alltag am Land. Hier in Bärndorf lebe ich zusammen mit meinen Großeltern in einem Haus mit Garten und meinem großen Atelier. Sofern ich aus meiner Wohnung herausgehe, welche sich im oberen Stock vom Haus befindet, ist weit und breit nichts außer Felder und Ruhe. Man hört gelegentlich die Traktoren auf den Feldern, den Hahn und mal ein paar Autos, aber sonst ist es hier die absolute Idylle. Das hier erdet mich sehr. Ich stehe auf und kann mich sehr bewusst meiner künstlerischen Arbeit widmen. Ich habe nicht diese Struktur wie bei einem Brotjob, sondern kann mir meine Zeit sehr frei einteilen. Natürlich habe ich meine eigne Art von Struktur gefunden. Aufstehen, Kaffee und ab ins Atelier, Mittagessen gemeinsam mit meinen Großeltern und dann weiter. Ich habe viel Zeit und Raum, mich der Leinwand zu widmen. Natürlich habe ich oftmals Momente, wo ich mir wünsche, in der Stadt zu sein. Ich bin Mitte zwanzig und habe natürlich diverse Bedürfnisse nach Sozialleben, Kultur und diversen anderen Dingen, aber ich habe für mich eine Art goldenen Schnitt gefunden: auch mal in die Stadt zu flüchten, mich inspirieren zu lassen, Dinge zu erleben, Menschen zu begegnen, um somit auch meine Batterien wieder aufzuladen. Es passiert auch immer wieder, dass Menschen mich hier besuchen und diesen Ort dann auch als Ruhe- oder Arbeitsort für sich nutzen. In Bärndorf selbst habe ich nicht viel Ablenkung, sondern kann mich meiner Arbeit wirklich hingeben. Aber genau dafür wertschätze ich diesen Ort. Für die Ruhe und die Struktur, welche er mir zeigt und gibt.
Welche Ausstellungen oder Projekte planst du für das Jahr 2024?
Zurzeit bin ich voll eingeteilt im Aufbau einer Siebdruckwerkstatt mit unserem Kollektiv. Das Kollektiv wurde letztes Jahr Ende September gegründet, mit Max Brenner und Michael Plessl. Es ist mein Traum, den ich mir gerade realisiere, nämlich mit zwei für mich sehr wichtigen Menschen was Großes aufzubauen und gemeinsam neue Dinge zu konzipieren. Es wird nie langweilig.
Nick Havelka – www.instagram.com/nick.havelka/