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Wien Kunst

Interview mit Ernst Koslitsch

Ernst Koslitsch ist ein in Wien lebender, aber in der Steiermark aufgewachsener, Künstler. Gemeinsam lebt und arbeitet der Künstler mit seiner Frau, der Herausgeberin vom Online Magazine Munchies Art Club, Dominique Foertig und Sohn Noel, im 18. Wiener Gemeindebezirk. In seinem offenem, am Aumannplatz liegenden Atelier entsteht sein Universum aus gelbem Holz. Das “Yellow Universe”.
Ernst Koslitsch

Wie kamst du zur Kunst?
Ich komme ursprünglich aus der Gastronomie und habe in Salzburg Koch gelernt. Es muss 2001 gewesen sein, da kam ich von einem Job, wenn man so will von einer Weltreise auf einem Kreuzfahrtschiff, zurück nach Wien. Schon auf der Rückreise nach Österreich war mir klar, dass ich nicht mehr als Koch arbeiten möchte. Mir war das zu eng und immer das gleiche, obwohl ich in herausragende Restaurants gearbeitete habe. Ich war einfach unglücklich. Heute wäre das vielleicht anders gelaufen. Heut ist die Gastronomie innovativ, spannend und hat viele neue Facetten. Das fehlte mir damals. Damals begann ich etwas zu suchen, das mich herausfordert und vor allem Spaß macht. Einschneidend war für mich 2002 als ich zur Documenta11 nach Kassel fuhr. Dort wanderte ich durch Mona Hatoums Küche, das ein einziger Stromkreis war, ich sah Textilarbeiten inklusive frei hängender Pferdekutsche von Yinka Shonibare und John Bock performative installative Arbeiten. Das hat in mir etwas ausgelöst. Das war für mich neu, und hat mich umgehauen. Es kam mir vor wie ein Erwachen, ein AHA Erlebnis. Diese (Kunst) Welt wollte ich auch bewohnen und darin arbeiten. Kurze Zeit später bewarb ich mich auf der Universität für angewandte Kunst in Wien.

Ernst Koslitsch

Mit welchen Themen beschäftigst du dich?
Leider oder Gott sei Dank interessieren mich vielen Dingen, aber wenn ich ein paar Themen herauspicken muss ist es das Internet und Social Media! Warum? Weil hier holt man sich heute, zumindest der Großteil der westlich orientierten Welt das heraus, wonach man sucht und arbeitet daran, gefunden zu werden. Ein riesiges Datenmonster mit vor und Nachteilen. Segen und Fluch gleichzeitig. Information und Desinformation. Tatsachen und erfundene Fakten. In gewisser Weise wird die Welt von einem digitalen Zwilling eingeholt. Meinungen vermischen sich mit Fakten, Propaganda wird mit einem hübschen Schleifchen verkauft und strategische Emotionalisierung bestimmt den Verlauf der Geschichte. Wenn man so will ist es für jeden möglich, wie in einem Supermarkt, sich das auszusuchen, woran man glauben möchte oder nicht. Nach Lust und Laune! Das Zeitalter der selbst gebastelten Wahrheiten.

Dabei fasziniert mich der Umstand woran man glaubt, wie es dazu kommt und inwieweit sich der Glaube an einer Sache, einem Menschen, einer Religion oder Sekte gesellschaftlich formt und oder vermischen kann. Science-Fiktion spielt auch eine sehr wichtige Rolle in meinem Schaffen.

Hier wird etwas gesellschaftliches relevantes in einer möglichen Zukunft projiziert. Wie ein Blick in die Kristallkugel. Dystopisch und utopisch, aber auch etwas von Erkenntnissen. Science Fiction ist für mich kein Kindergeburtstag mit Lichtschwertern und Special Effects, sondern eine Welt neben der gelebten Welt! Oder willkommen in der wirklichen Wirklichkeit…. Für meine Arbeit ist das wichtig. Von einer vor steinzeitlichen Höhle bis hin zu heutigen Geschehnissen kann ich alles für meine Arbeit verwenden und daraus entstehen vielschichtige moderne Artefakte.

Wie entstehen deine Arbeiten? Wie wichtig ist für dich das Material, das du verwendest?
Seit ein paar Jahren ist ein Begleiter meiner Arbeit das gelbe Baustellenholz oder auch bekannt als Schalungsplatten. Für mich ein ideales Material, um meine Welten zu bauen. Figurative Plateaus, die und so soll es auch verstanden werden, eine Geschichte erzählen. Welche? Meine und am besten auch deine. Eine Reise zu sich, selbst wenn man so will. Es ist wie aus einer „totalen Erinnerung“ (Philip K. Dick) zusammengesetzt. Unterbewusst und bewusst. Es gibt immer eine Grundform im Kopf oder eine Form wo ich an einem Tag hinkommen möchte. Daneben entstehen beim Sägen Formen, welche wiederum in meine Struktur in Gelb einarbeite. Ich liebe dabei den Zufall, dass etwas am Boden fällt und ich darin etwas erkennen kann, das für die Skulptur als Detail, an Relevanz gewinnt. Es kommt oft vor, dass ich die Lust verliere an eine Skulptur weiterzuarbeiten und stattdessen zu malen oder zeichnen beginne. So entstand über die Zeit eine Art von Erweiterung der Skulptur.

Ich verstehe mich als Weltenbauer. Ein Hybrid zwischen Gene Roddenberrys Star Trek und Philipp K. Dicks: Creating a universe that doesn’t fall apart two minutes later.

Ernst Koslitsch

Warum Kunst?
Kunst ist für mich wie eine unbekannte Sprache, die einem jedoch bekannt vorkommt. Mich erinnert Kunst an eine alte Keilschrift-Tafel. Sie ist visuell ansprechend, sie macht neugierig und so mancher möchte das Rätsel dahinter lösen. Wenn man die Lösung findet, wird man entweder überrascht oder gewinnt eine Erkenntnis über sich selbst, über den Hersteller (den Künstler) oder ein bestimmtes Thema. Meine Arbeiten funktionieren genauso:

Eine Mischung aus “Finding Waldo” in diversen Wimmelbüchern trifft mesopotamische Kunst oder ancient cave paintings in einem Star Trek Universum in der Zukunft in einem anderen Sonnensystem.

Deine Frau gründete 2020 den Munchies Art Club. Wie kam es dazu? Welche Ziele verfolgt sie?
Meine Frau wuchs in Athen auf und verbrachte die Wochenenden und langen Sommer auf der Künstlerinsel Hydra. Schon mit jungen Jahren war sie von unglaublichen und heute weltbekannten Künstlern umgeben. Der amerikanische Autor Henry Miller lobte die Künstlerinsel. Danach folgten in den 60ern immer mehr Kunstschaffende auf die Insel. Es entstand eine Gemeinschaft, die bis heute ein Treffpunkt der Kunstwelt blieb. Leonard Cohen hatte dort ein Haus und auch Brice Marden hat auf Hydra seit Ewigkeiten sein Lieblingssommer Domizil um nur ein paar wenige zu nennen. Munchies Art Club selbst entstand im ersten Lockdown während der Pandemie. Dominique bemerkte, dass viele Künstler mehr als sonst zu kämpfen hatten. Sie sieht es als eine Art Reise an. Wohin diese Reise geht? Wohin, ist egal, es muss ihr Spaß machen. Nein Scherz beiseite! Sie liebt es, mit Künstlern aus aller Welt zu kommunizieren und über sie zu erzählen. Es ist ihre Berufung. Lieber ist sie hinter den Kulissen, agiert dort, ist ein Beobachterin. Es gibt natürlich einige neue Ideen und Vorhaben, wohin sich Munchies Art Club entwickeln wird. Derzeit wird viel probiert und geplant.

Was sollte jeder über den 18. Wiener Gemeindebezirk wissen?
Das wichtigste zuerst: Mein Studio befindet sich am Aumannplatz. Zuvor war dieser Ort, das Cafe 12 Munchies. Meine Frau, Daniel Kunzelmann und ich haben es gemeinsam geführt. Es war ein sehr sozialer und besonderer Ort. Es war für mich klar, dass nach dem beschlossenen Ende des Cafes, ich dort weiterhin arbeiten möchte und dort mein Studio entstehen soll. Was davon übrigblieb? Die Erinnerung an eine schöne Zeit, die Gespräche und Menschen, die einander, obwohl sie nebeneinander wohnten, sich bei uns erst richtig kennenlernten. Noch heute, grüßen mich die Menschen dort, Nachbarn und ehemalige Gäste bleiben immer wieder vor meinem Studio stehen, um das Gespräch zu suchen. Das macht einen Ort lebendig. In den letzten Jahren ist im 18ten viel passiert. Grün war es hier schon immer, es gibt viele Parks und eine gute Anbindung zur Stadt. Zu den Highlights gehört mit Sicherheit das Zentrum, der Kutschkermarkt, wo am Samstag ein Bauernmarkt stattfindet und sich Menschen aus ganz Wien treffen. Neu ist das Restaurant Berger und Lohn in Gersthof und mein mittwochs Treffpunkt, eine kleine Tagesbar namens Banc public Shop in der Schulgasse, da gibt es einen Espresso mit einzigartigen second hand Stücken und Schallplatten. Ich wohne und arbeite fast neben dem Sternwarte-Park der seit ein paar Jahren unter der Woche auch zum Besuch einlädt (TIPP DES TAGES!). Menschen die mich kennen wissen das ich den Bezirk ungern verlasse und ich lieber besucht werde. Für mich ist das meine persönliche analoge Blase.

Ernst Koslitsch

Gibt es Aliens?
Du sprichst mich auf mein Ufo und Alien Arbeiten an? Ich finde das Thema an sich spannend. Zum einen glaube ich das wir irgendwo hergekommen sind! Womöglich sind wir Sternenstaub und selbst Aliens. Mehr interessieren mich Verschwörungen oder Science Fiction zu diesem Thema. Dann glaube ich natürlich nicht daran. Aber um die Frage klar zu beantworten, halte ich es so, wie ein mit mir befreundeter Astronom: Es wäre enttäuschend, wenn wir (die Menschen) die einzigen im Universum wären, außerirdischen Leben ja, jedoch keine Aliens oder UFOS, wie wir sie aus den Medien kennen.

Woran arbeitest du gerade? Hast du heuer noch Ausstellungen geplant?
Nach einem wilden und erfolgreichen Jahr möchte ich mich mit neuen Materialien beschäftigen und suche nach einer Lösung, einer neuen Erweiterung meiner Welten. Hier spreche ich eine digitale Lösung an. Was daraus entsteht, weiß ich nicht genau! Nun ein wenig Werbung: Derzeit läuft noch bis Juni: “A Playground Guide to getting Lost”, eine Gruppenausstellung, kuratiert von Alina Albrikiene, in der neuen Galerie Graz, wo ich vertreten bin. Was ist in Planung: Zwei Ausstellungen (eine Gruppe und eine Soloshow) sind in Planung, aber alles noch sehr vage. Als Nächstes folgt die Parallel Edition mit Raum, mit Licht Galerie im Mai und im Laufe des Frühjahrs entsteht meine erste Siebdruck-Edition. Ich darf zufrieden sein.

Ernst Koslitsch – www.koslitsch.com, www.instagram.com/koslitsch/