“Open
   
Wien Kunst

Micha Wille im Interview

Micha Wille ist in Tirol geboren, wo ihr Onkel im Kaunertal am Bauernhof der Familie seit 40 Jahren die größte Orgel der Welt baut. Im Stall lief immer Ö1. Als Jugendliche hatte sie schon insgesamt fast 6 Jahre im Zelt verbracht – auf abenteuerlichen Radtouren durch ganz Europa mit Eltern und Bruder. Durch diese Erfahrungen wurden Gewitztheit und Mut als Bewältigungsstrategie des Unvorhersehbaren zu verlässlichen Bausteinen in ihrem Leben. Mit 17 zog sie nach Wien und absolvierte dort zwei Studien: Malerei und theoretische Syntax. Willes Malerei ist seit jeher ein klares Bekenntnis zu Humor, Sprache und Rotz.

Wie wichtig ist Humor für dich?
Humor ist eines meiner wichtigsten Manöver – Humor ist bei mir stark an Figuration und Sprache gekoppelt und ich denke er hat eine Fährenfunktion punkto Bedeutung: wenn man über etwas lacht, hat man es im besten Fall verstanden – oder? Das ist quasi Bedeutung durch die Hintertür – sowas mag ich. Mit dem Humor als explizites tool muss ich Diskurse nicht zerschlagen, sondern kann Diskurse schaffen, die evtl. mit dem besprochenen Dilemma Schritt halten können. Ist einfach produktiver.

Außerdem kann ich die Kunstwelt nicht den Humorlosen überlassen – die Humorlosigkeit in unserem Feld ist schon erstaunlich – für mich ist das gefährlich – so wie wenn du langsam einen See vergiftest – man merkt es nicht sofort- aber: one day you wake up- and all the fish are dead!!!!

Künstlerin Micha Wille. Foto: Thomas Castaneda
Künstlerin Micha Wille. Foto: Thomas Castaneda

Was macht eine Künstlerin noch aus?
Also erstens-: artists are the most hard working people I know. Da ist der Biss und die Hingabe zur Arbeit schon öltankergroß. Die Sucht nach zuviel Beruf ist im Kunstbetrieb sicher stark. Aber ich mag jetzt hier nicht den Zauberbegriff der Künstlerin per se auffetten. Weil Künstler*innen eben alle anders ticken. Ich sag dir lieber was ich denke, was MICH als Künstlerin in meinen Augen legitimiert, abgesehen davon, dass ich mein Handwerk beherrsche. Ich will es schaffen, mit meiner Arbeit Alltagserfahrungen aus der Anonymität zu holen und damit was cooles anzustellen – damit das im abstrakten jede/r für sich abschöpfen kann. Ich will ja die Leute immer in einem anderen Zustand zurücklassen als, als ich sie vorgefunden habe – Und da sind wir schon beim heutigen Kunst/Kunstmarktproblem das mich kopfen macht: Auch Kunst ist natürlich durch den harten Kurs des Kapitals korrumpierbar: Der Konsum und der Markt verwandeln das Resonanzbegehren der Menschen schlau in ein Objektbegehren und dann kann es passieren, dass ganz viel Kunst für die Leute keinen Sinn mehr macht, weil sie eigentlich nur Marktquatsch ist. Da müssen wir Künstler*innen aufpassen, dass wir uns die Chance nicht nehmen lassen und weiter sperrige, aufregende Sachen machen, um dieses unglaublich coole feature der Kunst- ein Resonanzraum für andere zu sein – nicht einzutauschen gegen was Triviales.

Wovon lasst du dich inspirieren?
Definitv von Literatur/Prosa und Interviews/ das Radio haben mir schon immer die Welt so entschlüsselt- dass ich Zugang finde und auch weiterdenke. Sprache ist für mich neben der Malerei immer das wichtigste bedeutungsgenerierende System gewesen und ich wollte immer schon beide Systeme adjazent zueinander setzten und begreifen – also ja- das treibt mich an- jemanden/etwas zu verstehen und das dann zu abstrahieren um damit vielleicht noch andere Dinge zu erklären. Mich inspiriert außerdem Größenwahn in Verbindung mit Konsequenz – wenn ich sehe wie jemand beharrlich seine Meter macht um ganz ganz weit zu gehen – das taugt mir voll.

Künstlerin Micha Wille. Foto: Thomas Castaneda
Loser ghost_the worst kind of loser, Öl auf Leinwand. Foto: Catharina Bond

Wie beginnt dein künstlerischer Prozess?
Alles was mich gegenwärtig an Phänomenen interessiert z. B. Selfiesierung, Entfremdung, Stress, Statusangst, politische Männlichkeit etc. wird abgeklopft auf damit verbundene Bilder, Jargon-vartianen, Codes. Wenn ich mal soweit bin, dann erfinde ich subjektive Mikro- Narrationen, die von diesem Phänomen geprägt sind. Und das wirft dann eine meist multipel- referentielle Bildsprache aus. Klar sagt man immer Künstler*innen decodieren einem die Welt – aber man vergisst oft darauf, dass wir es den Leuten auch nicht leicht machen wollen – wir codieren unsere Erkenntnisse ja dann erneut – in unserem künstlerischem Vokabular- das ist dann eben nicht so schnell lesbar- und das ist auch gut so.

Sad KLEENEX EMOJIES, oil on canvs_fotocredit catharina bond
Sad KLEENEX EMOJIES, Öl auf Leinwand. Foto: Catharina Bond

Mein künstlerischer Gestus ist neben dem Humor auch geprägt von Schnelligkeit – ein schneller Strich ist ein guter Strich- darum muss ich vorher alles gedacht haben, weil wenn ich an der Leinwand stehe, dann ist mit Kopfarbeit finito und dann passiert was passiert – alles scheißegal.

Sammelst du Dinge? Wenn ja- was?
Ich sammle nicht wirklich was – wenn dann vielleicht eh Kunst- ich kauf oder tausche immer wieder gerne mit Künstler*innen deren Sachen lässig sind – ich kann voll verstehen, dass, wenn man Kohle hat, sofort angefixt ist vom Kunstsammeln. Ich würde ohne zögern viel Geld verpulvern für Kunst.

stay at home, MUM!!!! _fotocredit catharina bond
stay at home, MUM!!!! Foto: catharina bond

Was sind deine aktuellen Projekte?
Ich arbeite grad an einem Kunst am Bau Projekt für diesen Sommer- dann bin ich mit meinen drei smarten Kolleginnen Catharina Bond, Petra Gell und Maria Grün gerade dabei eine Ausstellung für New York 2022 zu konzipieren und ich male gerade an einer großen, sehr witzigen Ausstellung über Mütter im Lockdown: STAY AT HOME, MUM!!! Aber; erzählte Kunst ist wie erzähltes Mittagessen- also bitte kommt alle und schaut sie euch an!!!!!

Micha Wille – www.michawille.com