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Wien Kunst

Interview mit Kai Trausenegger

Objekte werden beladen und wieder entladen - Kontext hinzugefügt, Sinn entnommen und verdreht wieder aufmodelliert. Kai Trausenegger sieht sich als Sprücheklopfer, allerdings im magischen Sinne. In seiner eben beendeten Ausstellung in der Galerie Smolka Contemporary stellt sich der Künstler die Frage nach Absolution in der Kunst. Religiöse Themen herrschen hier vor und werden mit den aktuellen Geschehnissen und Erzählungen der Kunstwelt vermischt – immer mit einer leichten Prise Humor.
Künstler. Kai Trausenegger
Künstler. Kai Trausenegger

Was macht die Kunst mit dir?
Meistens nicht viel. Wenn man sich rund um die Uhr ausschließlich mit Kunst beschäftigt, wird man zu einem ziemlichen Kultursnob. Schließlich muss man ja ständig über etwas Urteilen. Aber das gehört ja irgendwie auch dazu, sonst wird es schwer, selbst gute Kunst zu machen.

Möchtest du ein Statement setzen?
Ich habe einige starke Meinungen in meinen Werken verbaut, allerdings ziere ich mich auch vor one-linern. Heutzutage sollte man ja im besten Falle alles auf einen Elevator Pitch herunterbrechen können. Ich denke, dass dies der Grund ist, warum viele Künstler*innen dann teilweise ganz auf Sprache verzichten wollen. Die momentan interessanteste finde ich allerdings den Teufelskreis von institutioneller Kritik, die gleichzeitig wieder aufgefressen wird und zu Teil der Institution wird. Eine unendliche Geschichte und irgendwie faszinierend zu beobachten. Ich denke, das ist allerdings kein Problem, dass der Kunstwelt alleine zugrunde liegt, sondern Kulturtheoretiker*innen wie Mark Fisher oder Žižek in einer Beschreibung des kapitalistischen Realismus immer wieder erwähnen.

Kritik am System gehört zum Spiel und gerade die Kunst darf ja angeblich sowieso alles. So bleibt nicht viel anderes übrig, als diese Vorgänge zu beobachten und ein hoffentlich spannendes Narrativ darum zu spinnen. Wirklich kritische Kunst gibt es nicht.

Viele deiner Objekte/Skulpturen sind in Bezug auf das Material unverwüstlich. Schaffst du Kunst für die Ewigkeit?
Eine interessante Beobachtung. Ich denke in letzter Zeit viel über Ewigkeit in der Kunst nach und insbesondere im Bezug auf meine eigene Praxis. Der Grund, warum ich oft auf formaler Ebene auf historische Formen zurückgreife, ist eine Art von Anachronismus, der damit erschaffen wird. Objekte, die sich einer Zeitlichkeit entziehen wollen und somit auf allgemeinere Zustände verweisen. Hierbei frage ich mich öfters, wie historische Ästhetiken in das zeitgenössische gezogen werden können. Eine simple Methode wäre einfach Material und Farbe zu z.B. Plastik/Pink zu ändern, aber das wäre mir zu ironisch. Hier kommt es dann wieder zur ursprünglichen Materialfrage zurück: Ja, ich denke, es besteht ein gewisses Liebäugeln mit der Ewigkeit. Wir bewegen uns in einer Welt, die für den schnellen Konsum entwickelt ist. Wir wollen doch gar nicht, dass alles ewig hält, viel wichtiger ist es, sich fluid an neue Gegebenheiten anpassen zu können. Wer weiß, ob man in 6 Monaten überhaupt noch denselben Stil, Job oder Gender hat. Alles muss flexibel sein. Selbst das Wort ephemer konnte sich nicht halten. In dieser extrem schnelllebigen Zeit braucht es Objekte mit einer zeitlosen Aura. Sie sind wie Schiffe, die uns durch ein instabiles Universum leiten. Ich denke, Kunst könnte ein ganz gutes Vehikel hierfür sein.

Mit welchem Material arbeitest du am liebsten?
Materialien, die spirituelle Eigenschaften besitzen. Ich muss das Gefühl haben, dass diese Gegenstände energetisch beladen werden können, sonst taugen sie nicht als Fetischobjekt. Ich habe einige Arbeiten, die in PVC ausgeführt sind – mit diesen tue ich mir sehr schwer, auch wenn ich sie als meine besten Arbeiten sehe. Schlussendlich kann jedes Material beladen werden, aber es braucht oft gewisse Umwege. Gewicht, Oberfläche, Haptik, Spiegelung – all das spielt für mich eine tragende Rolle. Erst wenn diese Faktoren passen, darf es in International Art English gewickelt werden. Letzteres spielt dann sicher noch einen großen Teil in der Veredelung des Objektes. Das Material wird erst durch diese Formeln zum Leben erweckt. Bei digitalen Komponenten wird das umso spannender, da diese wieder eigene Regeln besitzen. Ich mag es, wenn Digitales den Anschein hat, in der analogen Welt zu existieren. Es kommt einem magischen Objekt näher, eine Projektion zu beobachten, die nicht klar als abgespieltes Video auf einem Screen erkennbar ist, sondern anderwärtig in ein Objekt verbaut wird. So tritt dann auch die technische Komponente mehr in den Hintergrund und hat ein längeres Verfallsdatum. Die Materialien sind somit nicht klar zeitlich verortbar, wie es bei vielen digitalen Arbeiten oft der Fall ist.

Bei welcher Arbeit vergeht die Zeit am schnellsten?
Ich habe zu Zeichnen aufgehört, als ich merkte, dass ich 6 Stunden damit verbracht habe, Elfenohren zu schattieren. Das ist jetzt schon seit Jahrzehnten nicht mehr der Fall, aber die Realisation damals hat mir die Augen geöffnet, dass man sich in technischer Spielerei sehr leicht verlieren kann.

Welches Kunstwerk hat dich in deinem Leben besonders beeindruckt?
Die vatikanische Fashion Show von Federico Fellini in seinem Film Roma und Vito Acconcis Seedbed.

Ausstellungsansicht Gaze+Holy, Holy, Holy + Post Nut Clarity. Fotos: Kunstdokumentation.com
Post Nut Clarity, 2021, 58 x 38cm, Holzschnitt auf Papier, Stahlrahmen

Ein Semiautomaton …
ist ein Mensch, der am liebsten an seine Maschinen delegieren würde. Hierbei verbringt man 90% der Zeit damit, Automatiserungsprozesse zu entwerfen, um damit 10% der Zeit zu sparen, die es benötigt hätte. Schon in meiner Kindheit habe ich weit mehr Zeit damit verbracht, Schummelzettel zu schreiben als den Stoff zu lernen.

Welche Projekte würdest du heuer noch gerne umsetzen? An was arbeitest du aktuell?
Es gibt ein ziemlich faszinierendes Video von einem indischen Friseur, der zusätzlich zu seiner Haarschneidekunst als spiritueller Heiler auftritt. Seine Handbewegungen leiten meist Energie vom Körper weg oder führen diesem Neuen zu. Die Intensität dieser Bewegungen hat mich ziemlich beeindruckt und ich würde gerne eine installative Weise finden, einen großen Raum in diesen Zustand zu versetzen. Ich habe schon eine grobe Skizze im Kopf, wie so etwas aussehen könnte, allerdings fehlen mir hierfür noch die finanziellen Mittel sowie die technische Infrastruktur. Ansonsten versuche ich mich auf Objekte und Materialien zu fokussieren, die mehr als Artefakte gesehen werden können. Dinge, die keinen konzeptionellen oder narrativen Unterbau brauchen, sondern als kanalisierende Körper in sich wirken. Für mich ist das ein neues Kapitel.

Kai Trausenegger – www.kaitrausenegger.com