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Wien Kunst

Interview. Christiane Peschek

Die Arbeiten von Christiane Peschek erzählen von virtueller Erschöpfung und digitaler Intimität. Sie selbst bewegt sich dabei zwischen den Genres, die ähnlich wie ihre Bilder verschwimmen und einer Zeitlichkeit unterworfen sind, die sie zu überdauern versuchen. Offline lebt sie in Wien. Im Moment.

Welches Thema behandelst Du momentan in deiner Kunst?
Im Moment beschäftige ich mich hauptsächlich mit dem Phänomen der Selbstsakralisierung auf Social Media Plattformen und der dahinterstehenden Beziehung zwischen Nahkörpertechnologien und physischen Körpern. Die digitale Manipulation und Veröffentlichung von Körperlichkeit fasziniert mich besonders da, wo es an heteronormativen Darstellungen und werbegenerierten Körperhybriden vorbeigeht. Ich versuche zu verstehen wie sich ein internet gaze als logische Weiterentwicklung des female gaze abseits von derzeit gehypten Netzfeministinnen etablieren lässt. Ich frage mich, welche Rolle diese Bilder non-binärer Körperrepresentationen für eine zukünftige Bildarchäologie spielen könnten. Dabei suche ich nach Berührungspunkten zwischen historischen Körperdarstellungen archäologischer Artefakte und der fortschreitenden Virtualisierung manipulierter und bildoptimierter Körper. Meine Vision ist es, Werke zu schaffen, die darauf abzielen, eine visuelle Sprache zu entwickeln, durch die Körpermanipulationen und daraus resultierende Selbstikonen auch für zukünftige BetrachterInnen lesbar bleiben. Darüber hinaus geht es in meinen derzeitigen Projekten um die Dechiffrierung aber auch um die Überreizung von Bildmanipulation und Bildoptimierung unserer Selbstdarstellungen.

Ich versuche zu verstehen wie sich ein internet gaze als logische Weiterentwicklung des female gaze abseits von derzeit gehypten Netzfeministinnen etablieren lässt.

christiane peschek interview
Foto: Ernst Lima

Deine Arbeiten sind voller Vielfalt. Gibt es eine Lieblingstechnik und wo findest du deine Inspiration?
Nein, eigentlich nicht. Die Technik, die ich verwende, verändert sich ja anhand der Zeit in der ich neue Arbeiten produziere. In meiner letzten Arbeit THE GIRLS CLUB habe ich zum Beispiel mit Facefiltern gearbeitet. Facefilter waren vor ein paar Jahren noch gar kein Thema. Ich reagiere in meiner Arbeit auf meine digitale Realität, sie beeinflusst zwangsläufig auch mein Denken und im Weiteren dann die Werke, die entstehen. Ich habe aber definitiv immer eine ähnlich spielerische Herangehensweise an ein neues Projekt. Mein Smartphone ist dabei ein wesentliches Element, eigentlich so eine Art Erweiterung meiner physischen Kapazitäten: Die Kamera als ein drittes Auge und die Oberfläche des Touchscreens meine Berührungsschnittstelle, die Fotos mein Archiv, auf das ich zurückgreife, das ich ständig bei mir trage. Ich arbeite fast ausschließlich mit dem Bildmaterial von meinem iPhone. Wir leben in einer Zeit, in der ein Foto kein statisches Zeitdokument mehr ist, sondern ein fluides Konstrukt, das auf Berührungen und „re-touches“ reagiert und sich grenzenlos im Raum bewegen kann, da setzt meine Arbeit an. Die Spuren, die man hinterlässt, wenn man ein Foto retuschiert zum Beispiel, sind für mich eine Weiterentwicklung von Zeichnung. Wenn man das fertig optimierte Bild ausblendet und nur die Bearbeitungsspuren stehen lässt, sozusagen die B-Sides, also die Rückseiten der Bilder, sind das oftmals spannende Kompositionen. Sie folgen keiner ästhetischen Komposition sondern einer optimierungsgenerierten, das ist ein unbewusster Zeichenprozess, der für mich eine große Ehrlichkeit in der Linie hat. Wenn man Fotos so betrachtet, hat man oft gar keine Lust mehr das optimierte Endresultat zu sehen und bleibt viel lieber auf der Rückseite hängen. Ähnlich verhält es sich mit der Vorstellung, dass sich eine Fotografie hinter einem Touchscreen mit jeder Berührung am Display mit verformt. So entstehen Körper, die mich eine andere Interpretation von post-human denken lassen, ganz ohne Maschine und Cyborg-Fantasien.

Wie kamst du auf das Thema „THE GIRLS CLUB“?
THE GIRLS CLUB ist eine Sammlung von Selbstporträts, die sich mit dem Hype um die Makellosigkeit des weiblichen Gesichts und der Negation des Alterns beschäftigt. Es gibt mittlerweile bestimmt mehr face filter als anti-aging Produkte, es ist so leicht einfach immer gut auszusehen auf einem Selfie. Als digital native kommt man an diesen Verlockungen nicht vorbei. Das ganze Projekt ist also so eine Art Studie mit meinen Selfies letzten 15 Jahre. Ausgehend von den Retusche-Aktionen in Facefiltern, deren Absicht ja eine gewisse Identitätsoptimierung ist, hat mich interessiert, was mit der eigenen Identität passiert, wenn man diese Optimierung übersteuert. Die exzessive Überlagerung dieses Optimierungsprozesses führt zur Auflösung der Identität bis zum Punkt der Unidentifizierbarkeit. So stelle ich mir einen internet-generierten Blick vor – eine Fehlleitung von Gender- und Repräsentationsnormen.Jedem Porträt ist ein Pseudonym zugeordnet, das ich in den letzten Jahren in Offline- und Online-Kontexten verwendet habe. Die Bilder wurden später auf Seide gedruckt, was ihnen eine fragile, hautähnliche Weichheit verleiht und im Gegensatz zur harten Oberfläche des Screens steht, unter welchem sie entstanden.

Die exzessive Überlagerung dieses Optimierungsprozesses führt zur Auflösung der Identität bis zum Punkt der Unidentifizierbarkeit.

Mit 280A hast du schon etliche Projekte umsetzen können, wie wichtig ist für dich die Zusammenarbeit mit anderen Kreativen?
280A ist vor ein paar Jahren aus einem dringenden Bedürfnis entstanden. Da ich schon gleich nach meinem Diplom an der Akademie der bildenden Künste Wien hauptsächlich im Ausland ausgestellt habe, fühlte ich mich zu Hause in Wien immer sehr isoliert. Ich war hier nie wirklich gut vernetzt und konnte auch zur Wiener Kunstszene keinen richtigen Draht finden. Mir wurde dann relativ schnell klar, dass es außerhalb von Österreich aber viele KünstlerInnen gab, mit deren Praxis und Ästhetik ich mich viel mehr identifizieren konnte. So entstand die Idee eines Netzwerks um eine gemeinsame Ästhetik und Begrifflichkeit zu verankern und nach außen zu repräsentieren. Die meisten Künstlerinnen, die heute bei 280A vertreten sind, arbeiten in einem post-internet und post-fotografischen Kontext, wobei es sehr stark auch um die Aufhebung der Autorschaft in der Kunst geht.Ich sehe die Arbeit mit 280A als logische Ergänzung zu meiner künstlerischen Praxis. Das beinhaltet auch das Kuratieren von Ausstellungen, das Publizieren von Büchern und das Zusammenstellen immer neuer Konstellationen von KünstlerInnen, die sich unbedingt begegnen sollten. Wir haben bereits zahlreiche Projekte mit insgesamt über 40 internationalen KünstlerInnen realisiert. Mittlerweile ist 280A zu einem Gegenmodell zum klassischen Kunstmarkt herangewachsen, wir sind quasi ein Hybrid aus Galerie, Verlag, Auftraggeberin und Netzwerk. Die Zusammenarbeit funktioniert auf einer sehr bereichernden und respektvollen Ebene, es herrscht eine große Anerkennung untereinander für die Werke der Anderen, das ist sehr wichtig für ein produktives Schaffen. Wir geben uns neben der Produktionszeit auch immer ausreichend Zeit, um über die entstandenen Projekte zu reflektieren und Feedback zu geben. Das ist so wichtig, vor allem wenn man nach dem Studium dann allein dahin arbeitet und ehrliches Feedback über die eigene Arbeit rar wird. Mittlerweile ist 280A eine große, ständig wachsende Familie an spannenden und erfolgreichen Künstlerinnen, das bereichert mich wiederum sehr in meiner eigenen künstlerischen Arbeit.

Welche Wiener Künstlerinnen würdest du den Kuratoren empfehlen?
Puh, das ist eine schwere Frage. Ich denke, die Kuratorinnen kennen die Wiener Künstlerinnen bestimmt besser als ich. Vielleicht sollten die Kuratorinnen eher mir jemanden für 280A empfehlen. Ich tu mir wie gesagt sehr schwer mit der Wiener Szene, ich finde sie sehr unzugänglich und elitär. In anderen Städten wie Istanbul oder Lissabon ist das anders, da ist man sich näher, schließlich lebt man ja quasi voneinander. Ich denke, Kunst sollte etwas niederschwelliges sein, dazu gehört auch, dass man ohne Scheu auf Galeristinnen und Kuratorinnen zugehen kann. In Wien gilt ja eher der Leitspruch, „man kennt sich vom Wegschauen“. Das trifft leider auch immer mehr auf die Künstlerinnen der Stadt zu.

christiane peschek interview

Was sind deine Pläne in naher Zukunft?
Naja, das wird sich die nächsten Wochen weisen. Mir geht es so wie wohl vielen anderen Künstlerinnen, meine geplanten Ausstellungen wurden bis auf Weiteres Verschoben bzw. abgesagt. Anfang April hätte meine Einzelausstellung EDEN in der Johanniterkirche Feldkirch eröffnet werden sollen. Ich beschäftige mich dabei mit einer Neuverortung von Glauben. Ich verbinde dort in einer multisensorischen Installation Mythologie, Technologie und netzbasierten Körperkult zu einer Inszenierung rund um die Anbetung von Körperidealen. Im Moment arbeite ich an einer smartphone Version der Ausstellung, das ist Neuland für mich, ist aber eine spannende Möglichkeit neue Räume zu erschließen und die Ausstellung trotzdem einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Mitte Mai wird, wenn alles gut geht, meine Ausstellung HYPERIA bei Galerie Sophia Vonier in Salzburg eröffnet. Die Bilder und Objekte in der Ausstellung sind Momentaufnahmen einer virtuellen Benommenheit unserer Generation und ein Statement zur Unerreichbarkeit des Vergnügens im Internetkapitalismus. Danach folgt die Ausstellung STORMY WEATHER im Kunstraum Niederösterreich. Aber im Moment ist alles in der Schwebe, es ist ganz ruhig. Vor allem draußen.

Christiane Peschek – www.christianepeschek.com